WEG-Recht

Die Verwalterlosigkeit einer WEG gefährdet per se die ordnungsmäßige Verwaltung

Viele Wohnungseigentümergemeinschaften – kleine wie große – haben das Verwalteramt nicht oder nicht durchgängig besetzt. Nicht nur die Verwaltersuche, auch die juristische Durchsetzung der Verwalterbestellung erweist sich oft als mühselig. Das Landgericht Landau liefert in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Hilfestellung für die Praxis.

Mit Beschluss vom 18.10.2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen 5 T 75/21 gab das LG Landau in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einem Wohnungseigentümer recht, der sich gerichtlich zur Einberufung der Eigentümerversammlung ermächtigen lassen wollte, um dort über die Bestellung eines Verwalters und zwei weitere dringliche Angelegenheiten abstimmen zu lassen. Mit seinem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag scheiterte der Antragsteller, sein zweiter Hilfsantrag war aber ein Treffer. 

Der Fall

In einer aus mehreren Wohnungseigentümern und Häusern bestehenden Gemeinschaft war das Verwalteramt unbesetzt. Die Gemeinschaft ist zerstritten. Sie besteht aus zwei uneinigen Lagern. Ein Verwaltungsbeirat ist nicht bestellt. Abgestimmt wird nach dem Kopfprinzip. Die Eigentümer konnten sich seit Juli 2021 nicht auf die einvernehmliche Einberufung einer Eigentümerversammlung verständigen. Am gemeinschaftlichen Eigentum besteht dringender Regelungsbedarf im Hinblick auf die Sanierung einer baufälligen Außenmauer und die Wartung der Geothermieanlage. Ein Wohnungseigentümer (Antragsteller) beantragte daher im Wege des einstweiligen Rechtschutzes beim Amtsgericht Landau die Bestellung eines Notverwalters, hilfsweise die Bestellung seines Prozessbevollmächtigten zum Verwalter und höchst hilfsweise seine Ermächtigung, eine Eigentümerversammlung einzuberufen und dort Beschlüsse fassen zu lassen. Das AG Landau wies den Antrag komplett ab, das LG Landau änderte die amtsgerichtliche Entscheidung ab und gab dem zweiten Hilfsantrag statt.

Die Entscheidung

Der zweite Hilfsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin (Gemeinschaft) werde, da ein Verwalter fehle, von allen übrigen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich gesetzlich vertreten, allerdings mit Ausnahme des Antragstellers, der nicht auf beiden Seiten des Prozessrechtsverhältnisses auftauchen dürfe. Der Bestellung eines Prozesspflegers für die Antragsgegnerin bedürfe es nicht.

Dem Antragsteller sei die Glaubhaftmachung eines Anspruchs und der Dringlichkeit gelungen. Mit dem verwalterlosen Zustand gehe bereits grundsätzlich eine Gefährdung der ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einher, da die Gemeinschaft gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG an sich von einem Verwalter vertreten werden solle und bei der vorliegenden Lagerbildung eine Gesamtvertretung durch alle Eigentümer erschwert werde. Zudem habe der Antragsteller glaubhaft vorgetragen, dass es einen dringenden Handlungsbedarf am gemeinschaftlichen Eigentum gebe.

Mit dem Hauptantrag könne der Antragsteller allerdings nicht durchdringen, da er es versäumt habe, einen Verwalter, der zur Amtsübernahme bereit ist, zu benennen. Die Bestellung seines Prozessbevollmächtigten scheide ebenfalls aus. Selbst wenn dieser nicht nur Rechtsanwalt, sondern zudem gewerblicher Wohnungseigentumsverwalter sei, fehle es ihm an der erforderlichen Neutralität. Begründet sei aber der Ermächtigungsantrag. Infolge der Ermächtigung des Antragstellers zur Versammlungseinberufung bestehe sodann für alle Wohnungseigentümer auf Grundlage zuvor einzuholender Angebote die Möglichkeit, einen Verwalter zu bestellen und die beiden weiteren Beschlussgegenstände anzugehen. Sollten – was für das LG Landau bei zerstrittenen kleinen WEG gerichtsbekannt sei – tatsächlich Schwierigkeiten auftreten, Verwalterkandidaten zu finden, sei von dem Erfordernis, mehrere Angebote einholen zu müssen, abzuweichen.

Fazit für den Verwalter

Den meisten Verwaltern bereitet es keine Freude, kleine zerstrittene Gemeinschaften zu verwalten. Andererseits gibt es in Deutschland auf diese Herausforderung spezialisierte Verwaltungsunternehmen. Üblicherweise sind die Verwaltergebühren deutlich höher und/oder das Leistungsangebot des Verwalters gestrafft. Erfreulich, überzeugend und praxisrelevant ist es, dass das Landgericht eine Ausnahme von der grundsätzlich geltenden Vergleichsangebotseinholungspflicht macht. Diese trifft nicht nur den Verwalter, sondern auch den Wohnungseigentümer, der eine zu beschließende Thematik in die Versammlung bringt. Erforderlich ist aber, dass nachgewiesen werden kann, tatsächlich Aktivitäten entfaltet zu haben. Werden nachweislich mindestens drei Verwalter angefragt und gibt nur einer ein Angebot ab, wird dies demnach nach der landgerichtlichen Ansicht als Tatsachengrundlage für die Beschlussfassung genügen. Der Verzicht auf mehrere Angebote ist nur bei der (nahtlosen) Wiederbestellung des amtierenden Verwalters zulässig. Daran hätte es in der vorliegenden Fallkonstellation gefehlt, da es eine Amtslücke gab.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Hätte der Antragsteller einen zur Amtsübernahme bereiten Verwalter benennen können, wäre wahrscheinlich sogar sein Hauptantrag durchgegangen. Kurios ist, dass der Prozessbevollmächtigte sich als Verwalter ins Spiel brachte. Ist er Rechtsanwalt und somit Volljurist, stünde er sogar einem zertifizierten Verwalter gleich im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG, der zum 01.12.2022 „scharf geschaltet“ wird. Verständlicherweise lehnte das Gericht seine Bestellung ab. Selbst wenn er fachlich qualifiziert sein sollte, disqualifizierte ihn seine anwaltliche Tätigkeit als Interessenvertreter des Antragstellers. Das Verwalteramt muss mit einer unbefangenen und unparteilichen Person besetzt werden. Das gebietet die Neutralitätspflicht.

Aus Antragstellersicht erfreulich ist, dass keine Pattsituation (Stimmengleichheit) dargelegt werden musste. Das LG ließ die durch den verwalterlosen Zustand „erschwerte“ Gesamtvertretung der zerstrittenen Gemeinschaft durch alle Eigentümer ausreichen. Erwähnenswert ist außerdem, dass das Gericht keine konkreten Tagesordnungspunkte vorschreibt und das Rechtsschutzbedürfnis nicht auf die Verwalterbestellung reduziert, sondern es dem Ermächtigten überlässt, sich um die Tagesordnung zu kümmern. Der Antragsteller wird daher form- und fristgerecht unter Benennung der anstehenden Beschlussgegenstände einladen müssen „wie ein Verwalter“. Ratsam ist es, keine weiteren als die drei hier streitgegenständlichen Themen (Verwalterbestellung und zwei Erhaltungsmaßnahmen) in die Tagesordnung aufzunehmen und mit der Einladung Verwalterangebote zu versenden, sofern vorhanden. Die Einladung in Textform (z.B. E-Mail) genügt.

Wäre ein Verwaltungsbeirat bestellt, hätte dessen Vorsitzender oder sein Vertreter die Versammlung einberufen können (§ 24 Abs. 3 WEG). Die Ermächtigung eines Wohnungseigentümers zur Einberufung sieht das Gesetz in § 24 Abs. 3 WEG als Variante ebenfalls vor. Darum ging es in dem hier besprochenen Fall.

Fazit für die Gemeinschaft

Die Gemeinschaft war Antragsgegnerin. Die Kosten des Verfahrens legte das LG ihr zu 1/4 auf, dem Antragsteller zu 3/4. In der Jahresabrechnung 2021 wird der Antragsteller wahrscheinlich mit seinem Kostenanteil an den gemeinschaftlichen Verfahrenskosten und somit an der Finanzierung des Anwalts der Gegenseite zu beteiligen sein.

Hat die Gemeinschaft keinen Verwalter, wird sie durch alle Wohnungseigentümer als sogenannte Gesamtvertreter gemeinschaftlich vertreten (§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG). Der Antragsteller bzw. Kläger muss aus der gesetzlichen Vertreterstellung ausscheiden, da er nicht auf beiden Seiten des Prozesses beteiligt sein und sozusagen mit sich selbst prozessieren kann. Diese Lösung ist vorzugswürdig gegenüber der im Schrifttum diskutierten Bestellung eines Prozesspflegers. Dadurch ginge Zeit verloren.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Der vorliegende Fall spielte im Sommer 2021, war also nach dem seit 1.12.2020 geltenden neuen WEG zu beurteilen. Antragsgegner war die Gemeinschaft, nicht mehr – wie nach früherer Gesetzeslage – die übrigen Wohnungseigentümer. Zum alten Recht hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Gericht im Wege der Beschlussersetzung (damals § 21 Abs. 8 WEG alte Fassung [aF]) und auch per einstweiliger Verfügung einen Verwalter bestellen durfte. Daran hat sich der Sache nach nichts geändert.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de