11.03.2021 Ausgabe: 1/21

Abgrenzungsfragen beschäftigten die Gerichte gleich in zwei Fällen: einmal in Bezug auf den Umfang einer Modernisierung, einmal in Bezug auf Schönheitsreparaturen.

Umfassende Modernisierung als Ausnahme  von der Mietpreisbremse
(BGH, Beschluss vom 27.5.2020 – Az. VIII ZR 73/19, Vorinstanz LG Berlin, Urteil vom 20.3.2019 – Az. 66 S 95/18; sich daran anschließend LG Berlin vom 10.10.2019 – Az. 65 S 107/19)

DAS THEMA

Die Mietpreisbremse wird mindestens in den nächsten fünf Jahren noch ein wesentliches Thema im Wohnraummietrecht bleiben, da die meisten Bundesländer die Ende 2020 auslaufenden Verordnungen verlängert haben oder noch verlängern werden, und diese Verordnungen bzw. ihre Begründungen nunmehr auch in allen Bundesländern für wirksam erachtet werden, bzw. Begründungen nachgelegt wurden. Die Mietpreisbremse gilt also in den meisten Großstädten, insbesondere in Berlin. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Urteilen positiv über die Inkassobefugnis von Internet-Unternehmen wie (vormals) „Lexfox“ entschieden, die nach der Mietpreisbremse überzahlte Mieten für die Mieter äußerst kostengünstig geltend machen. Darüber hinaus wurde die Mietpreisbremse durch gesetzliche Änderungen im Bundesgesetz verschärft, insbesondere können Mieter überzahlte Mieten nach einer entsprechenden Rüge für bis zu 30 Monate zurückverlangen.

Umso mehr suchen Vermieter daher nach Möglichkeiten, dem Anwendungsbereich der Mietpreisbremse zu entkommen. Diese gilt nicht bei Neubauwohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 bezugsfertig wurden. Ebenso ist die Mietpreisbremse nicht auf die erste Vermietung „nach umfassender Modernisierung“ anzuwenden, § 556f S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In mehreren Entscheidungen haben die Berufungskammern des Landgerichts Berlin und der BGH dieses Merkmal nun sehr eng ausgelegt.

DER FALL
Der BGH äußerte sich zum Thema im Rahmen eines Beschlusses, mit dem er ankündigte, die Revision zu verwerfen, diese wurde daraufhin zurückgenommen. Der beklagte Vermieter hatte geltend gemacht, dass bei der vermieteten Wohnung eine Ausnahme von der Mietpreisbremse gegeben sei, da die Wohnung unmittelbar vor der Vermietung umfassend modernisiert wurde. Der Vermieter hatte ausweislich der kurzen Sachverhaltsangaben die Fußböden erneuert sowie Küche und Bad verlegt und damit alle Anschlüsse und die Elektroinstallation erneuert. Maßnahmen an der Heizung, an den Fenstern oder energetische Maßnahmen wurden nicht vorgenommen.

Ausführlicher schildert das Urteil des LG Berlin die dort vorgenommenen Maßnahmen: Hier hatte der Vermieter Maurerarbeiten vornehmen lassen und dabei auch die Elektroleitungen unter Putz verlegen lassen, alte Einbauschränke und Küchenschränke abgebrochen und Vorarbeiten für Bodenbeläge, Fliesen und Unterböden vorgenommen, des Weiteren die Fliesen in Bad und Küche ausgetauscht und den verfliesten Bereich erweitert, Schreinerarbeiten an den vorhandenen Fenstern und Türen ausgeführt und den vorhandenen Parkettboden abschleifen lassen.

Der BGH gibt in seiner Entscheidung nun eine Definition der „umfassenden Modernisierung“ im Sinne des § 556f BGB: Umfassend ist eine Modernisierung nach dieser Definition nur, wenn sie einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und zudem einen solchen Umfang ausweist, der eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lässt. Damit ist nicht nur ein quantitativer Aufwand erfasst, sondern auch die qualitative Auswirkung auf die Gesamtwohnung. Hinsichtlich der quantitativen Auswirkung müssen die Kosten für die Modernisierungsarbeiten etwa ein Drittel der Kosten für einen Neubau erreichen. Die qualitativen Auswirkungen umfassen eine Verbesserung der Wohnung in wesentlichen Bereichen, insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. energetische Eigenschaften. Das LG Berlin zieht darüber hinaus eine Parallele zu den Modernisierungsmaßnahmen, die gemäß § 555b BGB Grundlage für eine Modernisierungsmieterhöhung sein können, die also insbesondere positive energetische oder sonstige nachhaltige Auswirkungen haben.

In beiden Urteilen lag nach dieser Definition keine umfassende Modernisierung vor, obwohl der quantitative Faktor, der Betrag in Höhe von ca. einem Drittel der Neubaukosten, durchaus vom Vermieter investiert worden war. Nach der sehr detailreichen Entscheidung des LG Berlin müssen hiervon Instandhaltungskosten noch abgezogen werden. Jedenfalls die qualitativen Auswirkungen auf den Standard der Wohnung waren in beiden Fällen nicht erreicht. Insbesondere waren Arbeiten in so wesentlichen Bereichen wie Heizung, Fenster und Dämmung oder sonstige energetische Maßnahmen nicht vorgenommen worden. Lediglich die Unterputzlegung der Elektroleitungen und die Erweiterung der verfliesten Fläche ließ das Landgericht als Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 556f BGB gelten. Diese Kostenposition war jedoch viel zu gering, und im Ergebnis fehlen auch die qualitativen Auswirkungen.

VERWALTERSTRATEGIE
In Gebieten mit geltender Mietpreisbremse sollte bei der Neuvermietung von älteren Wohnungen die anzusetzende Miete sehr genau geprüft werden. Die Ausnahme der „umfassenden Modernisierung“ nach § 556f BGB dürfte nach diesen beiden Entscheidungen nicht sehr häufig vorliegen. Es bleibt dann zu überlegen, ob eine sogenannte dargestellte fiktive Modernisierungsmieterhöhung berechnet werden kann, die nach § 556e Abs. 2 BGB ebenfalls zu einer Erhöhung der nach Mietpreisbremse anzusetzenden Miete führen kann. Die Berechnung einer solchen fiktiven Modernisierungsmieterhöhung hat das LG Berlin im Fortgang seines Urteils vom 10. Oktober 2019 durchgeführt, auch hier waren bei Weitem nicht alle aufgeführten Kosten zu berücksichtigen, die meisten entfielen auf nicht relevante Instandhaltungen und Erneuerungen. Werden diese Berechnungen nicht genau und mit großer kaufmännischer Vorsicht durchgeführt, geht der Vermieter erhebliche Risiken ein, einen gewissen Teil der Miete zurückzahlen zu müssen und zukünftig nur noch einen deutlich geringeren Teil der ursprünglich kalkulierten Miete zu erhalten.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.