08.03.2023 Ausgabe: 2/23

Aktionäre treffen sich online

Im Aktienrecht wurde bereits ein verlässlicher Rahmen für virtuelle Hauptversammlungen geschaffen

Mit dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie vom 27. März 2020 hatten Aktiengesellschaften und verwandte Rechtsformen erstmals die Möglichkeit erhalten, Hauptversammlungen ausschließlich virtuell abzuhalten. Die in den Jahren der Pandemie gesammelten Erfahrungen führten zu einer Änderung des Aktienrechts, das seit 27. Juli 2022 die ursprüngliche Sonderregelung in weiterhin geltendes Recht umwandelt. Satzungen von Aktiengesellschaften können den Vorstand seither dazu ermächtigen, Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten vor Ort, also rein virtuell abzuhalten. Für eine solche Regelung auch im Wohnungseigentumsgesetz plädiert der VDIV Deutschland und setzt sich intensiv dafür ein. Welche Erfahrungen haben Aktiengesellschaften damit bisher gemacht? Mit dieser Frage baten wir Sven Erwin Hemeling, Leiter Primärmarktrecht, Deutsches Aktieninstitut e. V., um ein Statement:

Erleichterte Teilnahme

Ein großer Vorteil der virtuellen Hauptversammlung ist die erleichterte Teilnahme der Aktionäre – nicht nur für ausländische Aktionäre, sondern für alle. Es können auch Aktionäre für eine Teilnahme gewonnen werden, die bisher z. B. aus Zeit- oder Kostengründen nicht an Hauptversammlungen teilgenommen haben. Die Möglichkeit, eine Hauptversammlung virtuell stattfinden zu lassen, erscheint angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und aus Nachhaltigkeitserwägungen heraus zeitgemäß. Sie bietet darüber hinaus einen Anreiz für jüngere, technikaffine Aktionäre, sich in eine Hauptversammlung einzuwählen. Die erleichterte Teilnahme und Ausübung von Aktionärsrechten stärkt dabei nicht nur die Aktionärsrechte, sondern fördert damit die Aktionärspräsenz und die breite Abstützung der Beschlüsse, die in Hauptversammlungen gefasst werden.

Werden Diskussionen ausgebremst?

Bei der virtuellen Hauptversammlung, die im Rahmen der Covid-Notstandsgesetzgebung 2020 eingeführt wurde, kritisierten einige Investoren, dass das Gesetz keine Nachfragen während der Hauptversammlung vorsah und die Reden nicht live gehalten werden konnten. Auf diese Kritikpunkte hat der Gesetzgeber im Rahmen der Verankerung der virtuellen Hauptversammlung im Aktienrecht im letzten Jahr reagiert. Trotzdem wird von den Kritikern weiterhin vorgebracht, dass im virtuellen Format keine lebhaften und offenen Diskussionen zustande kommen können. Allerdings war und ist dies häufig auch bei Präsenzversammlungen der Fall. Um zu offeneren Diskussionen zu kommen, müsste eine grundlegende Reform des Beschlussmängelrechts erfolgen. Dies würde Präsenz- wie virtueller Hauptversammlung gleichermaßen zugutekommen.

Wahrung der Aktionärsrechte

Selbstverständlich müssen die Aktionärsrechte unabhängig davon, ob Präsenz- oder virtuelle Hauptversammlung, vollständig gewahrt werden. Die Hauptversammlung muss aus unserer Sicht so gestaltet werden, dass sie in technischer, organisatorischer und rechtlicher Hinsicht für Emittenten durchführbar und die Teilnahme für Aktionäre attraktiv ist.

Aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts wäre es hilfreich gewesen, die Vorabeinreichung von Fragen, wie es die Covid-Notstandsgesetzgebung vorsah, beizubehalten. Diese führte dazu, dass die Unternehmen Zeit hatten, diese vorzubereiten, Redundanzen zu beseitigen und Antworten thematisch sortiert vorzutragen. All dies kam dem interessierten Aktionär zugute. Die aktuelle optionale Vorabeinreichung ist allerdings leider nicht praxistauglich ausgestaltet.

Körner, Andrea

Redaktion