27.01.2020 Ausgabe: 8/19

Aktuelle Urteile - Was tun, wenn die Vertretungsbevollmachtung nicht praktikabel geregelt ist? Und was, wenn Miteigentümer ihr Sondernutzungsrecht missbrauchen? So entschied der BGH.

Vertretungsmöglichkeiten juristischer Personen in der Wohnungseigentümerversammlung (BGH, Urteil vom 28.6.2019, Az. V ZR 250/18)

DAS THEMA

In den Wohnungseigentümerversammlungen ist es den Eigentümern grundsätzlich gestattet, sich von einer frei gewählten Person vertreten zu lassen. Anders verhält es sich, wenn die Teilungserklärung einschränkende Vorgaben enthält und den Personenkreis, der zur Vertretung berechtigt werden kann, eingrenzt.

Wie verhält es sich aber, wenn eine juristische Person als Wohnungseigentümerin von einer Mitarbeiterin einer anderen juristischen Person desselben Mutterkonzerns vertreten werden soll und die Teilungserklärung nur Vertretungsberechtigungen an natürliche Personen benennt? Mit diesem Fall beschäftigte sich nun der BGH.

DER FALL
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. 22 Wohnungen stehen im Eigentum der Klägerin, der T-GmbH, die restlichen 21 Wohnungen gehören den beklagten übrigen Wohnungseigentümern.

Zur Frage der Vertretungsberechtigungen enthält die Teilungserklärung folgende Regelung: „Ein Wohnungseigentümer kann sich nur durch seinen Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft oder den Verwalter in der Versammlung vertreten lassen. Der Vertreter bedarf einer schriftlichen Vollmacht, die dem Verwalter spätestens vor Beginn der Versammlung auszuhändigen ist.“

Die Klägerin ist eine nahezu 100-prozentige Tochtergesellschaft einer Managementholding. Teil des Konzerns ist auch das Tochterunternehmen TA-GmbH. Diese übt die Funktion der konzernweiten einheitlichen Verwaltungsgesellschaft des Konzerns aus. Alle Gesellschaften des Konzerns einschließlich der Klägerin haben der TA-GmbH eine Vollmacht für die Verwaltung ihrer Sondereigentumseinheiten erteilt. Aus diesem Grund wurde die gesamte Kommunikation der Klägerin mit der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft über die TA-GmbH geführt.

Am 12.12.2016 fand nun die Eigentümerversammlung statt, bei der u. a. die Wiederbestellung der Verwalterin auf der Tagesordnung stand. Hierfür erteilte die Klägerin einer Mitarbeiterin der TA-GmbH eine schriftliche Stimmrechtsvollmacht mit der Berechtigung, Untervollmacht zu erteilen. Sie wurde dem Versammlungsleiter vor Beginn der Versammlung vorgelegt – der die Stimmrechtsvollmacht zurückwies und zudem unter Hinweis auf einen Interessenkonflikt auch nicht bereit war, sich eine Untervollmacht erteilen zu lassen. Auch der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats lehnte es ab, als Unterbevollmächtigter das Stimmrecht für die Klägerin auszuüben. Somit wurde ohne Berücksichtigung der Stimmen der Klägerin die Wiederbestellung der Verwalterin mit 14 Ja-Stimmen der Wohnungseigentümer beschlossen.

Das Amtsgericht wies die dagegen gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin ab. Das Landgericht erklärte hingegen den Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin für unwirksam. Dagegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision der beklagten Wohnungseigentümer, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts erreichen wollen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision – mit Erfolg. Der BGH erachtete die rechtliche Prüfung des Landgerichts als rechtsfehlerfrei. Demnach ist die Klägerin rechtswidrig von der Stimmabgabe in der Wohnungseigentümerversammlung ausgeschlossen worden, da die bevollmächtigte Mitarbeiterin der TA-GmbH nicht als Vertreterin der Klägerin zugelassen wurde; der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin ist unwirksam. Der BGH begründet seine Entscheidung wie folgt:
Die Teilungserklärung ist dahingehend auszulegen, dass die Vertretungsbeschränkung nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen gilt. Zwar ist sie nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf natürliche Personen zugeschnitten; juristische Personen werden nicht erwähnt. Insoweit weist die Teilungserklärung aber eine unbeabsichtigte Regelungslücke auf, da bei ihrer Erstellung offensichtlich niemand an den Fall gedacht hat, dass eine juristische Person Wohnungseigentümerin ist. Diese Lücke ist somit nach den Grundsätzen der ergänzenden (Vertrags-) Auslegung dahingehend zu schließen, dass nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen der Vertretungsbeschränkung der Teilungserklärung unterliegen.

Die ergänzende Auslegung der Vertretungsklausel ist auch dahingehend vorzunehmen, dass sich juristische Personen in der Wohnungseigentümerversammlung auch durch einen ihrer Mitarbeiter vertreten lassen können. Dem von der Vertretungsklausel gewollten Zweck, nämlich der weitestgehende Ausschluss von Einflüssen Dritter, wird durch die Teilnahme eines wegen seiner Zugehörigkeit zum Unternehmen der juristischen Person mit den Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft vertrauten Mitarbeiters Rechnung getragen. Von ihm sind gemeinschaftsfremde Einwirkungen nicht zu erwarten.

Des Weiteren ist eine dahingehende Auslegung, dass sich die Klägerin nicht zwingend durch einen unternehmenseigenen Mitarbeiter vertreten lassen muss, rechtlich zulässig. Bei der Auslegung ist sowohl auf das berechtigte Interesse der Eigentümergemeinschaft abzustellen, fremde Einflüsse von der Gemeinschaft fernzuhalten, als auch die Bedeutung des Stimmrechts als Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte zu berücksichtigen. Dieses Stimmrecht einer juristischen Person darf daher nicht dadurch beschnitten werden, dass eine Vertretung durch einen Mitarbeiter, der zu einer demselben Konzern angehörenden Tochtergesellschaft gehört, ausgeschlossen wird, wenn diese – wie in vorliegendem Fall – für die Verwaltung der Sondereigentumseinheiten zuständig ist. Die Mitarbeiterin der TA-GmbH war somit berechtigt, die Klägerin in der Eigentümerversammlung zu vertreten.


VERWALTERSTRATEGIE
Wieder hatte sich der BGH mit der Auslegung einer Teilungserklärung zu beschäftigen – diesmal mit der Frage der Vertretungsberechtigung einer juristischen Person. Das Urteil nennt die ergänzende Vertragsauslegung als Hilfsmittel, dessen sich Verwalter bei der Bewertung der Vereinbarkeit einer Stimmrechtsvollmacht mit der Teilungserklärung bedienen müssen, sofern die Vollmacht nicht bereits dem Wortlaut nach zulässig ist.
Somit ist vorerst die Frage zu klären, ob die Teilungserklärung eine unbeabsichtigte Regelungslücke aufweist (eine solche liegt vor, wenn die Wohnungseigentümer bei Errichtung der Teilungserklärung offensichtlich nicht an den vorliegenden Fall gedacht haben). Ist dies der Fall, ist die Teilungserklärung im Lichte des Regelungszwecks auszulegen. Dieser wird, sofern die Teilungserklärung Vertretungsberechtigungen benennt, die Einschränkung fremden Einflusses von außen sein.


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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.