22.07.2020 Ausgabe: 4/20

Anschluss gesucht - Wie man die Integration von Ladeinfrastruktur in Bestandsimmobilien angeht.

Nachhaltige Energie- und Mobilitätskonzepte gelten bereits als grundlegend für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg einer Immobilie. Perspektivisch müssen sich Immobilienunternehmen mit Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge auseinandersetzen, weil es immer mehr Mieter, Eigentümer oder Besucher geben wird, die einen Ladeplatz benötigen. Auf politischer Ebene ist der Weg zur Elektromobilität ohnehin vorgeschrieben. Ende März dieses Jahres wurden neue gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die Installation von Ladesäulen für Mieter und Eigentümer in Eigentümergemeinschaften zu vereinfachen. Während die Inte­gration von Ladesystemen bei der Planung von Neubauprojekten bereits einen festen Platz in der Projektierung hat, erweist sich die Umsetzung in Bestandsimmobilien aufgrund unterschiedlicher, auch baulicher Voraussetzungen mitunter als schwierig – beispielsweise wenn der vorhandene Netzanschluss die verfügbare Energie mehr oder weniger begrenzt. Gerade bei größeren Vorhaben ist eine fundierte Projektierung notwendig und die Zusammenarbeit mit einem qualifizierten, erfahrenen Dienstleister mehr als sinnvoll, um schon in der Planungsphase alle notwendigen Teilschritte detailliert zu klären und potenzielle Probleme zu lösen. Die Schaffung von Ladeplätzen führt auf lange Sicht zur strategischen Aufwertung einer Immobilie und wird schon in naher Zukunft wegen des steigenden Bedarfs unumgänglich sein.

Welche Hürden zu überwinden sind
Bisher scheiterte der Aufbau von Ladestationen in Mietobjekten oder Eigentümergemeinschaften oft an organisatorischen Hürden. Das Verlegen elektrischer Leitungen gilt in vielen Fällen als bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum, die von allen Eigentümern genehmigt werden muss. Mieter dagegen brauchen die Einwilligung ihres Vermieters, wenn sie eine Ladestation installieren wollen. Der kann ablehnen, selbst wenn der Mieter die Kosten für den Einbau übernimmt. So war‘s bisher, und das könnte sich nun ändern: Am 23.3.2020 hat das Bundesjustizministerium den Gesetzesentwurf zur „Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (WEMoG)“ beschlossen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist für den Sommer 2020 geplant. Mieter und Wohnungseigentümer sollen damit zukünftig grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf eine Ladestation für Elektroautos erhalten. Die baulichen Veränderungen müssen dem Vermieter bzw. der Eigentümergemeinschaft unter Wahrung aller Interessen auch weiterhin zumutbar sein.

Projektierung jetzt angehen
Es ist also durchaus sinnvoll, die Projektierung der Ladeinfrastruktur auch für Bestandsimmobilien jetzt in Angriff zu nehmen. An deren Anfang stehen Bedarfsanalyse und Nutzungskonzept. Wer sind die potenziellen Nutzer? Zu welchen Zeiten soll geladen werden? Um welche E-Autos geht es? Aus der Beantwortung dieser Fragen lassen sich u. a. die bestimmenden Kriterien für die Auswahl der Ladetechnik ableiten.

Sollen mehrere Personen Zugang zur Lade­infrastruktur bekommen und der Stromverbrauch individuell abgerechnet werden, müssen sinnvolle Zugangslösungen geschaffen werden, die sich über intelligente Ladesysteme mit Backend-Anbindung umsetzen lassen. Möglich sind hier z. B. Ladekarten. Kommen auch externe Nutzer hinzu, ist ein Direktbezahlsystem wie Giro-e eine clevere Lösung. Hier erfolgt die Freischaltung und Abrechnung des Ladevorgangs ganz einfach über die normale kontaktlose Girokarte.
Neben dem Nutzungskonzept werden auch die individuellen Gegebenheiten vor Ort ermittelt, z. B. der Zustand des Stromnetzes. Dabei geht es im Wesentlichen um die Anschlussleistung des Gebäudes und die Elektroinfrastruktur im Haus. Fehlen bei Bestandsimmobilien Baupläne, muss ein Elektrofachbetrieb vor Ort die verfügbare Leistung bestimmen. Im späteren Betrieb spielt die Netzauslastung eine wichtige Rolle. Je nach Dimensionierung der Leistung des jeweiligen Anschlusses ist die Anzahl der möglichen parallel stattfindenden Ladungen eingeschränkt. Um die vorhandene Kapazität optimal zu nutzen und den Netzanschluss nicht zu überlasten, bietet sich ein Lastmanagement an. Damit können Ladestationen auch in älteren Gebäuden installiert werden, in denen der Netzanschluss weniger groß ausgelegt ist, was zum Teil hohe Investitions- und Betriebskosten spart. In der Praxis kann sich diese Begrenzung durch eine deutlich geringere Ladeleistung pro Stunde bemerkbar machen. Wenn aber überwiegend über Nacht und mit sowieso längerer Standzeit geladen wird, spielt das eine untergeordnete Rolle. Da aktuelle E-Fahrzeuge zudem über Reichweiten von bis zu 300 Kilometern verfügen, ist tägliches Aufladen meist gar nicht notwendig.

Der richtige Standort
Entscheidend für die Standortwahl ist, ob ein geeigneter Netzanschluss vorhanden ist, sodass eventuell notwendige Umbauarbeiten überschaubar bleiben und die Installationskosten möglichst gering ausfallen. Steht der gewünschte Standort fest, erfolgt eine Netzvoranfrage, denn Ladestationen für E-Fahrzeuge müssen beim Netzbetreiber angemeldet werden. Nach der Netzverträglichkeitsprüfung teilt der Stromnetzbetreiber mit, wie viel Strom verbindlich bezogen werden kann.

Basierend auf dem Nutzungskonzept werden im nächsten Schritt passende Ladesysteme ausgewählt. Von der einfachen Wallbox bis zum komplexen DC-Lader ist im Prinzip alles möglich. In den meisten Anwendungsbereichen ist die Nutzung von AC-Normalladern ausreichend, die wesentlich günstiger zu haben sind als DC-Schnellladesysteme. Einfache Ladesysteme, z. B. Wallboxen ohne weitere Funktionalität, bieten sich fürs Eigenheim an, wo die Nutzung ausschließlich privat erfolgt und der Strom direkt über den Netzanschluss des Eigentümers bezogen wird. Für Immobilien mit mehreren Parteien empfiehlt sich der Einsatz intelligenter Ladeinfrastruktur. Diese kann mit einem Backend verknüpft werden, das die Steuerung und Verwaltung erlaubt sowie die Abrechnung von Ladevorgängen. Auch die Integration eines Lastmanagements erfordert eine Backend-Anbindung. Strom aus Ladestationen in Tiefgaragen oder auf Gemeinschaftsparkflächen muss meist dem jeweiligen Nutzer zugewiesen werden, um eine korrekte Abrechnung zu gewährleisten, weil sie überwiegend über den Gemeinschaftsstromzähler laufen. In solchen Fällen müssen Nutzer sich für den Ladevorgang akkreditieren, und die Abrechnung erfolgt – üblicherweise über einen Dienstleister. Darüber hinaus können Ladestationen über das Backend auch Dritten zugänglich gemacht werden, was ihrer Refinanzierung dienen kann. Der Vorteil intelligenter Ladeinfrastruktur liegt zudem darin, dass sie zukunftssicher und skalierbar ist.

Einmal installiert, können Ladesäulen den regulären Betrieb aufnehmen. Regelmäßige Wartungen und Entstörungen lassen sich – je nach Konzept – an einen Mobilitätsdienstleister übertragen, um den Aufwand für die Immobilienverwaltung möglichst gering zu halten. So ist aber sichergestellt, das den Nutzern eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung steht und zudem ein kompetenter Ansprechpartner für alle Fragen rund um den Ladevorgang.

Foto: © Aldeca Productions / Shutterstock.com


Martin, Stefan Pagenkopf -

Mitgeschäftsführer der Parkstrom GmbH, Berlin
www.parkstrom.de