11.12.2020 Ausgabe: 7/20

Bundestag beschließt WEG-Reform - Entscheidende Schritte für Wohnungseigentümer und Immobilienverwalter

Der Deutsche Bundestag hat am 18. September das novellierte Wohnungseigentumsgesetz (WEG) beschlossen. Der VDIV Deutschland begrüßt die weitgehend ausgewogene und praxisnahe Reform. U. a. werden energetische Sanierungen und der Einbau von E-Ladestationen einfacher umsetzbar und Blockadehaltungen einzelner Eigentümer zurückgewiesen. Die Einführung eines Sachkundenachweises in Form einer Zertifizierung befürwortet der Spitzenverband der Branche. Kritisch sieht der VDIV Deutschland die jederzeit mögliche Abberufung der WEG-Verwaltung.

Das nun beschlossene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) gibt Eigentümergemeinschaften mehr Verantwortung und Pflichten. Blockadehaltungen einzelner Eigentümer werden aufgelöst, und dringend notwendige Prozesse wie Sanierungen können einfacher umgesetzt werden. Das macht auch die treuhänderische Verwaltung effizienter.

Bauliche Maßnahmen
Durch die Reduzierung der erforderlichen Mehrheiten für Beschlüsse zu baulichen Maßnahmen werden Sanierungen leichter möglich. Hier wurde auf der Zielgeraden ein Kompromiss der Regierungskoalition gefunden, der die Beschlussfassung deutlich vereinfacht, Eigentümer aber auch vor finanzieller Überforderung schützen kann. So sollen bei Sanierungsmaßnahmen nur dann alle Wohnungseigentümer die Kosten tragen, wenn die bauliche Veränderung mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen wurde, und auch nur dann, wenn die bauliche Veränderung nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität in Wohngebäuden, aber auch im Hinblick auf die Verweigerungshaltung einiger Eigentümer, mit der sie sich nahezu jeglicher Maßnahme am Gemeinschaftseigentum verschließen, ist dies der richtige Weg.

Ebenfalls zu begrüßen ist, dass künftig jeder Eigentümer einen Anspruch auf den Einbau einer E-Ladestation, barrierefreie Ein- und Umbauten und Maßnahmen zum Einbruchschutz sowie einen Glasfaseranschluss hat und dies auf eigene Kosten veranlassen kann. Davon profitieren nicht unerheblich auch Mieter.

Zertifizierung kommt, Berufsbild aufgewertet
Prinzipiell können Eigentümer ab dem 1. August 2024 den Nachweis einer Zertifizierung bzw. Sachkunde vom Verwalter verlangen, sofern dieser keine adäquate Ausbildung oder eine höhere Qualifikation vorweisen kann. Für die Prüfungen ist dann die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK) zuständig. Somit wird eine Zertifizierung als zivilrechtliche Regelung festgeschrieben, ohne dass dies eine Voraussetzung zur Ausübung der gewerblichen Tätigkeit sein muss. Eine noch zu verabschiedende Verordnung wird auch die Ausnahmetatbestände regeln. Eine „Alte-Hasen-Regelung“ ist nicht vorgesehen. Generell aber wird die Tätigkeit damit aufgewertet und die gestiegene Verantwortung des treuhänderischen Verwalters gewürdigt – letztlich auch dem VDIV Deutschland Rechnung getragen, der dies seit Jahren lautstark und fundiert forderte.

Stellung des Verwalters
Dass die Gemeinschaft im Außenverhältnis zukünftig gerichtlich und außergerichtlich nur durch den Verwalter vertreten werden kann, wird von der großen Mehrheit der Eigentümer befürwortet. Dabei steht den Gemeinschaften künftig prinzipiell aber das Recht zu, die Befugnisse des Verwalters im Innenverhältnis einzuschränken oder zu erweitern. Dies räumt Verwaltungen und Eigentümergemeinschaften gesetzgeberisch mehr Möglichkeiten ein, die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters zu regeln. Prinzipiell kann demnach der Verwalter eigenständig Maßnahmen „untergeordneter Bedeutung“ ausführen, die „nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen“. Unstrittig dürfte dabei sein, dass mit der Größe der Anlage der Kreis der Maßnahmen, über die der Verwalter eigenverantwortlich entscheiden kann, wächst. Dazu heißt es in  der Begründung zu § 27 WEG-neu: „Je nach Größe der Anlage und Art der regelmäßig anfallenden Maßnahmen kann etwa die Erledigung von kleineren Reparaturen oder der Abschluss von Versorgungs- oder Dienstleistungsverträgen in beschränktem Umfang zum Kreis der Maßnahmen […] gehören. Das Gleiche gilt für die gerichtliche Durchsetzung von Hausgeldforderungen. Gegenüber dem geltenden Recht ändert sich im Hinblick auf die Aufgaben des Verwalters im Übrigen nichts.“ Generell sei es jedoch nicht möglich, eine generalisierende Einordnung in die Kategorien „untergeordnete Bedeutung“ mit „nicht erheblichen Verpflichtungen“ vorzunehmen. Vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, die wiederum dann an Bedeutung verlieren kann, je konkreter die Wohnungseigentümer von der Möglichkeit Gebrauch machen, Rechte und Pflichten des Verwalters nach Absatz 2 durch Beschluss einzuschränken oder zu erweitern.

Ein Rätsel, dass sich nicht erschließt: Die Beschlusssammlung wird ­fortgeführt.
Unverständlich bleibt, warum die Beschlusssammlung entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf nun doch wieder aufgenommen wurde. Verbände hatten diese Forderung nicht erhoben. Die Praxis zeigte nämlich in den vergangenen Jahren, dass dieses Instrument mit enormem Aufwand verbunden ist und wenig Nutzen bietet. Das Bereithalten einer Niederschrift der Eigentümerversammlung unter expliziter Hervorhebung der Beschlüsse als Legitimations- und Beweisfunktion im digitalen Format wäre für Verwalter und Wohnungseigentümer sowie Zweiterwerber sinnvoller und effizienter gewesen.

Ladungsfrist und Umlaufbeschluss: Forderungen weitgehend erfüllt
Nicht wie geplant allerdings von zwei auf vier, sondern nun auf drei Wochen wurde die Ladungsfrist zur Eigentümerversammlung verlängert – der VDIV hatte hier interveniert. Auch sieht das Gesetz nun die vom VDIV Deutschland geforderte weitere Erleichterung bei Umlaufbeschlüssen vor. Hier wurde nicht nur die Textform (die auch E-Mails umfasst) eingeführt, Wohnungseigentümer können künftig zudem beschließen, dass für einen einzelnen Beschlussgegenstand auch im Umlaufverfahren die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht. Bislang waren Beschlussfassungen im schriftlichen Umlaufverfahren nahezu ausgeschlossen, da sie die 100-prozentige Zustimmung einer Gemeinschaft erforderten. Nun wird dieses Verfahren deutlich öfter zum Einsatz kommen, denn es erleichtert schnelle Entscheidungen und spart Zeit und Geld der Eigentümer.

Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft ab sofort gestärkt wird, zeigt auch die Aufwertung der Eigentümerversammlung als Willensbildungsorgan. Demnach ist jede Versammlung beschlussfähig. Ferner wird auch die Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen sowie die Willensbildung im Wege elektronischer Kommunikation ermöglicht, was die Flexibilität für Eigentümer erhöht, an der Versammlung teilzunehmen. Wünschenswert wäre es jedoch gewesen, der reinen Online-Eigentümerversammlung einen festen gesetzlichen Rahmen zu geben. Es ist daher empfehlenswert, die digitale Versammlung als Alternativinstrument zukünftig in die Teilungserklärung aufzunehmen.

Vom Verbraucherschutzgedanken geprägt ist auch die Erstellung eines jährlichen Vermögensberichts durch den Verwalter. So erhalten Eigentümer künftig notwendige Informationen über die wirtschaftliche Lage der Wohnungseigentümergemeinschaft. Darin muss die Aufstellung des wesentlichen (sonstigen) Gemeinschaftsvermögens sowie der Stand aller Rücklagen enthalten sein.

Abberufung des Verwalters: ­Vergütung hochsetzen!
Kritisch sieht der VDIV Deutschland die neue Regelung, wonach der Verwalter jederzeit von seinem geschlossenen Vertrag entbunden werden kann. Bisher konnte die Abberufung nur aus wichtigem Grund erfolgen. Zwar dürften in langjährigen Vertrauensverhältnissen zwischen Eigentümergemeinschaft und Verwalter daraus keine Probleme entstehen, ein neu bestellter Verwalter ist aber gut beraten, sich das Risiko der täglichen Kündbarkeit deutlich höher honorieren zu lassen. Der Aufwand der Übernahme einer neuen Gemeinschaft ist enorm. Allein die Einbindung in die Prozessstrukturen der Verwaltung sowie die Bereitstellung neuer digitaler Kommunikationstools ist für Verwaltungen mit Kosten verbunden. Andererseits könnten es Gemeinschaften zukünftig schwerer haben, einen professionellen Verwalter zu finden, wenn sich herumspricht, dass Vorverwaltungen aus einer Laune der Eigentümer heraus gekündigt wurden. Die Branche wird hier Mechanismen finden, wie damit umgegangen werden kann. Vorstellbar sind kürzere Laufzeiten mit höherer Dotierung oder lange Laufzeiten mit abnehmender Vergütung je näher das Vertragsende rückt. Kein Trostpflaster hingegen ist, dass nach einer Kündigung aus nicht wichtigem Grund (fehlendes Vertrauen) noch maximal sechs Monate lang die Vergütung ausgereicht wird. Man stelle sich einmal vor, man erteilt einem Bundestagsabgeordneten ein Mandat für vier Jahre, und nach einem Jahr setzt man eine Neuwahl an – wie würde dieser wohl reagieren?

Das Gesetz soll nach Befassung im Deutschen Bundesrat am 1. Dezember 2020 in Kraft treten. vdivaktuell wird die wesentlichen Änderungen am Wohnungseigentumsgesetz und ihre Auswirkungen auf die Praxis in den nächsten Monaten näher beleuchten.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland