03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Contra geben - Wie man sich gegen geschäftsschädigende Kritik auf Bewertungsportalen zur Wehr setzen kann

Bewertungsportale sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Bewertet wer­den Waren und Dienstleistungen aller Art – auch Immobilienverwal­tungen. Ein Blick in Google, Facebook, www.hausverwalterscout. de und www.kennstdueinen.de genügt. Was für Verbraucher zählt, ist die Aktualität, dass sie kos­tenlos und Bewertungen jeder­zeit abrufbar sind. Bewertungen von anderen Verbrauchern, die eine Leistung bereits in Anspruch genommen haben, erscheinen glaubwürdiger als jede Eigenwer­bung, und eine Vielzahl subjektiver Einzelbewertungen scheint für sie irgendwie ein objektives Gesamt­bild abzugeben. Unbestritten die­nen Portale der Information der Verbraucher und erhöhen damit die Markttransparenz.

Für Verwaltungen sind diese Por­tale gleichermaßen Fluch und Segen: Wer von Kunden gut bewer­tet wird, profitiert von unerwarte­ter Gratiswerbung. Wer schlecht bewertet wird, wird mit weni­ger Neukunden und Umsatz­rückgängen rechnen müssen. Wie die Bewertungen zustande kommen, ob sie inhaltlich rich­tig oder vonseiten des Kritikers oder des Bewerteten selbst bzw. eines Strohmanns frei erfunden sind, können und werden Verbrau­cher nicht hinterfragen. Für Ver­waltungen aber stellt sich schnell die Frage, wann und wie gegen geschäftsschädigende Kritik vorzu­gehen ist.

Kein Anspruch auf vollständige Löschung
Zu den gefestigten Grundlagen des Medienrechts gehört, dass derje­nige, der seine Leistungen öffent­lich anbietet, sich der öffentlichen Kritik an seiner Leistung stellen muss. Auch betrifft Gewerbekri­tik nur die berufliche Tätigkeit des Bewerteten und damit die am wenigsten geschützte Sozial­sphäre. Daher besteht grundsätz­lich kein Anspruch auf Löschung sämtlicher Bewertungen; die unge­fragte „Zwangsmitgliedschaft“ in einem Bewertungsportal wird von der Rechtsprechung akzeptiert. Eine Ausnahme gilt nur für sog. „Fake“-Bewertungen: Diese sind immer und insgesamt unzuläs­sig. Wer sie selbst verfasst oder in Auftrag gibt, handelt unlauter und kann nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Anspruch genommen werden.

 

Anspruch auf Unterlassung konkreter Äußerungen
Hat der Kritiker dagegen die Leis­tung in Anspruch genommen und bewertet, kommen für eine schlecht bewertete Verwaltung allenfalls Ansprüche auf Unter­lassung konkreter Äußerungen in Betracht. Eindeutig ist die Rechts­lage bei Tatsachenbehauptungen (z. B. konkrete Öffnungszeiten oder Anzahl der Mitarbeiter): Diese müssen stets wahr sein. Kritik in Bewertungsportalen ist dagegen regelmäßig als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Da das Grundge­setz die freie Meinungsäußerung schützt, ist diese nur unzulässig, wenn es sich um Beleidigungen und Schmähkritik (Diffamierung) handelt. Nach einer rechtlichen Prüfung werden im Ergebnis die meisten Bewertungen eine zuläs­sige Meinungsäußerung darstel­len, insbesondere auch bei Vergabe von Schulnoten, Durchschnitts­noten oder Sternchen.

Das Problem der Anonymität
Bei der Anspruchsdurchsetzung stehen Verwaltungen vor dem Pro­blem, dass Kritiker ihre Äußerun­gen in der Regel anonym abgeben und, weil Namen und Adressen nicht bekannt sind, auch nicht in Anspruch genommen werden kön­nen. Nach der Rechtsprechung steht dem Bewerteten kein Aus­kunftsanspruch gegen den Por­talbetreiber zu, weil dieser ohne Einwilligung des Kritikers zur Her­ausgabe von dessen Anmeldeda­ten nicht befugt ist. Die anonyme Meinung wird wie die offene Mei­nung geschützt.

Verwaltungen bleibt daher nur übrig, den Portalbetreiber in Anspruch zu nehmen. In dieser Konstellation stehen sie vor dem Problem, dass der Portalbetrei­ber keine eigenen Behauptungen aufstellt und sich fremde Kritik grundsätzlich auch nicht zu eigen macht. Das wäre nur dann anders, wenn er seine Rolle als neutra­ler Vermittler verlässt und eine aktive Rolle einnimmt, indem er die fremden Äußerungen inhalt­lich-redaktionell aufbereitet, ihren Wahrheitsgehalt überprüft oder gar eigenmächtig und ohne Rück­sprache mit dem Kritiker Ände­rungen vornimmt.

Den Portalbetreiber miteinbeziehen
Der Portalbetreiber kann als mittelbarer Störer in Anspruch genommen werden, weil er die technischen Möglichkeiten für die Verbreitung einer rechtsverlet­zenden Kritik schafft. Hier hat die Rechtsprechung ein qualifiziertes „Notice-and-action“-Verfahren ent­wickelt. Ausgangspunkt ist, dass der Portalbetreiber nicht verpflich­tet ist, die von Kritikern eingestell­ten Beiträge vor Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzun­gen zu überprüfen. Das kann er auch gar nicht. Tätig werden muss er erst dann, wenn er vom Bewer­teten über eine Rechtsverletzung informiert wird. In diesem Fall ist der Portalbetreiber verpflichtet, die Beanstandung an den Kriti­ker weiterzuleiten und diesen zu einer Stellungnahme innerhalb angemessener Frist aufzufordern. Bleibt diese aus, ist der beanstan­dete Eintrag zu löschen.

Bestreitet der Kritiker substanti­iert die Berechtigung der Bean­standung, ist der Portalbetreiber grundsätzlich gehalten, dem Bewerteten dies – anonymisiert – mitzuteilen und ggf. Nach­weise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Nunmehr ist wieder der Bewertete gefordert: Bleibt seine Stellungnahme aus, oder legt er die vom Portalbetreiber geforderten Nachweise nicht vor, ist eine wei­tere Prüfung nicht veranlasst; der Eintrag bleibt bestehen. Ergibt sich dagegen aus der Stellungnahme des Bewerteten oder den vorgeleg­ten Nachweisen unter Berücksich­tigung einer etwaigen Äußerung des Kritikers eine Rechtsverletzung, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Der Portalbetreiber agiert in diesem „Ping-Pong-Spiel“ wie ein neutraler Schiedsrichter zwischen den widerstreitenden Positionen.

Wichtig ist es, zu wissen, dass die meisten Kritiker nach Zulei­tung einer Beanstandung nicht mehr reagieren, sodass die Kritik i. d. R. gelöscht wird, auch wenn sie inhaltlich berechtigt war bzw. einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätte. Es empfiehlt sich daher immer, die digitale Repräsentation und Bewertungen in Portalen regelmäßig zu überwa­chen und das dargestellte Verfah­ren selbst oder über einen Anwalt einzuleiten.