11.12.2020 Ausgabe: 7/20

Der Wegweiser in die Zukunft - Instandhaltungs- und Sanierungsfahrpläne können den Aufwand und die Kosten für notwendige Maßnahmen deutlich mindern.

Die coronabedingten Beschränkungen der vergangenen Monate haben den Blick auf die eigene Wohnung verändert und zum spürbaren Umdenken bei der Beurteilung und Wertschätzung von Wohnqualität geführt. Kaum eine Privatwohnung ist auf einen erhöhten Lüftungsbedarf ausgelegt, wie er in Büroräumen gefordert wird. Viele Standards, die dem Schutz und Erhalt der Gesundheit im professionellen Arbeitsumfeld dienen, gelten im Wohnbereich nicht – von ergonomischen Aspekten über die Versorgung mit Tageslicht bis hin zu Heizungssteuerung, Oberflächentemperaturen und Behaglichkeit. Damit rückt unweigerlich die Frage in den Mittelpunkt, wie Räume genutzt werden und welche Anforderungen sie zukünftig erfüllen müssen. Viele Eigentümer erkennen den Handlungsbedarf in Bezug auf ihre Immobilien selbst, oder sie werden als Vermieter auf fällige Verbesserungen hingewiesen.

Strukturiertes Vorgehen
Seit vielen Jahren unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Wohnungseigentümer mit einer geförderten Energieberatung. Mit der Änderung der Richtlinie im entsprechenden Förderprogramm im Januar 2020 wurden die Fördersummen deutlich angepasst. Herzstück der Energieberatung für Wohngebäude ist die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans. Eigentümer haben dabei die Wahl zwischen einem standardisierten Verfahren (iSFP) und einem personalisierten Beratungsbericht. Der Hauptunterschied besteht in der Vorgehensweise einer Sanierung: Sie kann als Gesamtmaßnahme zur Erreichung eines Effizienzhaus-Standards erfolgen oder als Kombination mehrerer aufeinander abgestimmter Einzelmaßnahmen. Bei diesen Einzelmaßnahmen werden unter Einbeziehung des Zeitpunktes ihrer Ausführung sowohl individuelle Nutzervorstellungen, beispielsweise Generationenwechsel, Ende des Mietvertrages, Umbau von Bädern etc., berücksichtigt als auch sowieso anstehende Instandhaltungsarbeiten, etwa eine notwendige Erneuerung der Wasserleitungen, Dachdeckungsarbeiten, Fenster- und Fassadenanstriche. Für Eigentümergemeinschaften ist dies insofern interessant, als dabei Maßnahmen am Sondereigentum mit solchen am Gemeinschaftseigentum kombiniert werden können. Der VDIV Deutschland hat bereits bei Einführung des individuellen Sanierungsfahrplanes ein Kompendium zur energetischen Sanierung erstellt, das wertvolle Hinweise und Kompetenzen für Eigentümergemeinschaften bündelt.

Synergieeffekte nutzen
Sanierungsfahrpläne mit Einzelmaßnahmen lassen sich sehr gut in die notwendigen Instandhaltungszy­klen integrieren und mit Modernisierungsmaßnahmen verbinden. So entfalten sie erhebliches Synergiepotenzial, insbesondere auch für die deutliche Senkung der Kosten für die Umsetzung von Maßnahmen. Der Einbau eines zusätzlichen Aufzugs beispielsweise kann nicht nur zur Barrierereduzierung beitragen, zeitgleich können auch Fassadenarbeiten oder Maßnahmen für den Brandschutz durchgeführt werden. Je nach Gebäudesituation lässt sich bei dieser Gelegenheit auch gleich der Einbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien realisieren.

Zunächst aber stehen Planungs- und Abstimmungsprozesse an, die letztlich auf eine Investitionsentscheidung hinauslaufen und von allen Eigentümern getragen werden müssen. Dafür bilden Sanierungs- und Instandhaltungsfahrpläne eine solide Basis, und sie verhindern auch, dass Eigentümer (finanziell) überfordert werden. Wo sie vorrangig also dazu dienen, Investitionen für Eigentümer planbar zu machen, sind sie auch für potenzielle Käufer von Interesse: Der zusätzlich zum Kaufpreis erforderliche Investitionsbedarf lässt sich so wesentlich besser abschätzen und mit der benötigten Finanzierung absichern. Den Energieausweis einer Immobilie ergänzend gibt der Sanierungsfahrplan einen Überblick für die kommenden Jahre.

Darauf sollte man als Verwalter Eigentümer durchaus hinweisen, um die Erstellung von Instandhaltungs- und Sanierungsfahrplänen zu forcieren, eine langfristige Planung zu ermöglichen und insbesondere um zu verhindern, dass Bausubstanz im Sanierungsstau geschädigt oder im Wert gemindert wird. Insofern gilt es, immer auch einen verbindlichen Zeitplan anzulegen, damit Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnqualität, zur Schadensprävention oder zur Vermeidung von Wertverlust tatsächlich umgesetzt werden.

Klimabilanz im Fokus
Spätestens mit der CO2-Bepreisung ab 2021 werden sich die Kriterien für die Immobilienbewertung verändern, denn damit rücken Klimabilanz und Energieverbrauch in den Fokus. Dem damit einhergehenden steigenden Handlungsbedarf sollte frühzeitig mit Analysen des Gebäudebestandes, z. B. im Rahmen der geförderten Energieberatung für Wohngebäude, begegnet werden. Es gibt bereits Überlegungen, bei der Förderung von Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden die Erstellung eines Sanierungsfahrplans künftig zu belohnen. Vorausschauende Planung würde sich damit ­doppelt lohnen.
Sanierungsfahrpläne erlauben die konkrete Einbindung öffentlicher Fördermittel. Gerade bei langfristig angesetzten Maßnahmen und Planungszeiträumen sollte zuerst die technisch und wirtschaftlich optimale Lösung betrachtet werden, nicht die rein monetäre Unterstützung durch Fördermittel, die sich ggf. zum Zeitpunkt der Umsetzung bereits geändert haben kann.

Berater finden
Für die Energieberatung zu empfehlen ist Verwaltungen wie Eigentümern die Zusammenarbeit mit unabhängigen und qualifizierten Sachverständigen, die möglichst auf Eigentümergemeinschaften spezialisiert sind. Zu finden sind sie beispielsweise über die Energieberatersuche des Deutschen Energieberater-Netzwerkes DEN e. V. oder die bundesweite Liste der Energie-Effizienz-Experten (EEE-Liste). Im Rahmen der Förderung, die u. a. das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für Energieberatung anbietet, können auch die Kosten für die Präsentation der Ergebnisberichte vor den Eigentümern übernommen werden.

Wenn Sanierungsmaßnahmen planbar sind und in vordefinierten Zeiträumen umgesetzt werden, werden Wohnungsnutzer und Mieter weniger belastet, Aufwand und Kosten können reduziert werden. Verzichtet man hingegen auf Instandhaltungs- und Sanierungsfahrpläne, führt das in der Praxis dazu, dass immer erst dann gehandelt wird, wenn bereits ein Schaden oder ein technischer Defekt vorliegt. Unter Zeitdruck muss dann schleunigst repariert werden, meist zu erhöhten Kosten, mit suboptimalem Ergebnis und ohne Fördermittel nutzen zu können, weil diese beantragt werden müssen, bevor Arbeiten in Auftrag gegeben werden – vom Ärger mit Bewohnern ganz zu schweigen. Das alles ist vermeidbar, wenn Eigentümergemeinschaften sich zur Erstellung von Instandhaltungs- und Sanierungsfahrplänen entschließen und ein entsprechendes Umsetzungsmanagement damit verbinden.

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Klempnow, Maritia

Die Diplom-Ingenieurin ist als beratende Energieeffizienzexpertin tätig und Vorstand des DEN e. V.