07.05.2019 Ausgabe: DDIV DIGITAL 2019

Die digitale Zukunft braucht Standards - Die allumfassende Branchenlösung erfordert einheitliche Arbeitsabläufe und die Kooperationsbereitschaft der ERP-Systemhersteller.

Mittelständische Verwalter stehen vor der Aufgabe, Abläufe und Prozesse zu digitalisieren. Nur so sichern sie ihre unternehmerische Überlebensfähigkeit im immer härteren Verdrängungswettbewerb. Dafür brauchen sie dringend Unterstützung von den Software-Herstellern. Denn die sind aufgrund ihrer Rolle und ihrer Größe dazu prädestiniert, Standards zu setzen und Verwaltern auf dem Weg in die digitale Zukunft ein gutes Stück Arbeit abzunehmen. Dafür braucht es allerdings ein neues Rollenverständnis der ERP-Systemhäuser: Branchenweite Lösungen für digitale Prozesse kann es nur durch gemeinsam entwickelte verbindliche Standards geben, die offen sind für die Anbindung von Spezial­lösungen.

Im Wettbewerb um Kunden und qualifizierte Mitarbeiter führt für mittelständische Verwaltungen kein Weg an der Strukturierung und Digitalisierung interner Abläufe vorbei. Je schneller, desto besser. Denn nur mit transparenten Angeboten für Kunden, effizienten internen Abläufen für Mitarbeiter und erstklassigem Online- und Mobil-Service für alle Beteiligten können sie ihre eigene Zukunft sichern und junge Kunden gewinnen, die ja die nächste Generation ausmachen.

Aufruf an die ­Software-Hersteller

Diese Mammutaufgabe alleine den Verwaltungen überlassen zu wollen, wäre zu kurz gesprungen. Denn sie brauchen die Unterstützung der erfahrenen ERP-Systemhäuser. Aktuell sind nämlich nahezu alle Software-Lösungen für Verwalter modular aufgebaut. Mehr oder weniger autarke Programm-Module für die Buchhaltung, Stammdatenpflege oder Eigentümerversammlungen ermöglichen mit Blick auf den aktuellen Bedarf zwar effizientes Arbeiten. Mit Blick auf die Zukunft aber wird eine noch stärkere Vernetzung aller Module erforderlich sein – als Grundvoraussetzung, um Verwalter durch komplexe und modulübergreifende Prozesse wie eine digitale Wohnungsübergabe oder -abnahme zu leiten. Denn hier sind in den aktuellen Software-Lösungen mehrere Module gleichzeitig betroffen. Sachbearbeiter in den ­Verwaltungen müssen daher selbst genau wissen und stets richtig entscheiden, welche Aufgaben (noch) zu erledigen sind. Sonst wird die Arbeit schnell ineffizient, langsam und fehleranfällig. Eine intelligente – weil vernetzte – Software könnte hier sinnvolle Hilfestellungen leisten: Beispielsweise indem sie bei einer Wohnungsübergabe automatisch darauf hinweist, dass noch Angaben zum neuen Mieter fehlen, der Schimmel im Bad noch entfernt und auch der Handwerker zur Reparatur des Laminatbodens vom Mieter beauftragt werden muss, die Kaution daher noch nicht ­freigegeben werden kann.

Auch bei Krankheitsvertretungen böte vernetzte Software deutlich mehr Unterstützung als bisher: Die einspringende Vertretung könnte in allen Bereichen jederzeit den aktuellen Bearbeitungsstatus einsehen und dank einer modulübergreifenden „To-do-Liste” Aufgaben nahtlos übernehmen – ob Buchhaltung oder Handwerker-Beauftragung. Transparenz nach innen und außen ist einer der Schlüssel zum künftigen Erfolg einer Verwaltung.

Von der Digitalwirtschaft lernen

Bei anderen digitalen Anwendungen ist dieser Ansatz bereits Standard: In Online-Netzwerken wie Xing oder Facebook leitet das Programm Neukunden durch die Registrierung. Es teilt kontinuierlich mit, wie vollständig ein gerade angelegtes Profil bereits ist und gibt stetig Empfehlungen ab, welche Schritte noch erforderlich sind, um es zu 100 Prozent zu vervollständigen. So muss auch eine Software für Immobilienverwaltungen in Zukunft funktionieren, wenn sie digital arbeitende Verwalter sinnvoll unterstützen soll.

Der Schlüssel: gemeinsam ­entwickelte Standards

Eine der Herausforderungen für Software-Hersteller besteht darin, dass nahezu jeder Anwender Standardprozesse wie Wohnungsübergaben anders bearbeitet, manchmal unterscheiden sich die Vorgehensweisen sogar unternehmensintern. Nun ist es eine Sache, die Arbeitsabläufe einer Verwaltung zu ordnen und digital abzubilden – dies für eine ganze Branche zu tun, eine andere. Um eine digitale Branchenlösung zu schaffen, müssen aber alle Prozesse branchenweit standardisiert werden – auch Software-übergreifend. Denn ohne Standardisierung gibt es keine effiziente Digitalisierung. Für die Entwicklung dieser branchenweiten Standards brauchen ERP-Systemhäuser den operativen Blick der Verwalter, das Know-how und die Kooperationsbereitschaft der Software-Hersteller sowie die Kompetenz der Verbände der deutschen Immobilienwirtschaft. Denn nur gemeinsam lassen sich Standards definieren, die für alle Seiten sinnvoll sind. Und nur sinnvolle Prozesse werden sich im Markt durchsetzen können.

Partnerschaft für den ­Wissenstransfer

Erste Ansätze dafür gibt es bereits: In der vom DDIV initiierten Arbeitsgemeinschaft Innovation & Digitalisierung haben sich Systemhäuser wie Aareon AG und DOMUS Software AG zusammengefunden, um über solche Standards zu sprechen. Zusätzlich müssen Verwalter und Verbandsmitglieder ihr Know-how aus dem operativen Geschäft einbringen und so die Systemhäuser in die richtige Richtung leiten. Software-Anbieter müssen den bisherigen Wettbewerbsgedanken weiterentwickeln zu einer Partnerschaft für den Wissenstransfer. In vielen Bereichen der Digitalwirtschaft sehen wir den Trend zur Vereinheitlichung durch Standard setzende Unternehmen wie Google, Amazon und Apple. Nur so kann es übergreifende und effiziente digitale Prozesse geben. So entstehen letztlich auch Freiräume für veränderte Geschäftsmodelle.

Öffnung für Speziallösungen von PropTechs

In Deutschland herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb, und das Wachstum durch neue Kunden ist begrenzt. In den Systemhäusern selbst wird man sich die Frage stellen müssen, wie die Zukunft aussehen soll. Der Schlüssel liegt klar in der Kooperation. Sie wird es auch ermöglichen, Dritthersteller wie die zahlreichen PropTechs standardisiert in die digitalen Prozesse einzubinden und an integrierte Softwarelösungen anzudocken. Junge Start-ups bringen „von unten” Bewegung in die Immobilienbranche, indem sie sich Spezialthemen widmen, für die es derzeit noch keine (ausreichende) Unterstützung durch Systemhäuser gibt. Als Beispiel sei hier Lift Guardian genannt: eine Sensor-Box, die in jedem Aufzug nachgerüstet werden kann, um wertvolle Daten über Auslastung und Abnutzung von Aufzügen zu erhalten, und die Personeneinschlüsse erkennen kann. Diese und ähnliche Daten von immer mehr smarten Geräten wie Heizkörpern, Garagentoren oder Stromzählern werden in Zukunft stark zunehmen und müssen sinnvoll in eine Verwaltungssoftware integriert ­werden.

Verwalter haben die Wahl

Und hier kommen die Verwalter wieder ins Spiel: Sie sind es, die durch ihre Nachfrage entscheiden, welche Software-Anbieter sie unterstützen. Mit Blick auf ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und somit ihre Zukunft sollten sie Anbieter wählen, die die Entwicklung branchenweiter Standards fördern und die Standardisierung von Prozessen in ihren Produkten aktiv vorantreiben.

Foto: © pumpyvector / Shutterstock.com


Rings, Holger

freier Redakteur, Hamburg