10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Die Klimaschutz-Pläne der EU für Eigentümer

Die Europäische Kommission schlägt zur Beschleunigung des Klimaschutzes bei Gebäuden die Einführung von Mindesteffizienzstandards vor. Betroffen wären davon europaweit mehr als 15 Prozent der Altbauten. Neubauten müssten ab 2030 komplett klimaneutral sein, d. h. keine Treibhausgase mehr ausstoßen.

Im Dezember vergangenen Jahres hat die Europäische Kommission eine überarbeitete EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD = energy performance of buildings directive) vorgelegt. Laut Entwurf sollen öffentliche und nicht bewohnte Gebäude ab 2027 die Effizienzklasse F und ab 2030 die Effizienzklasse E erfüllen. Für Wohngebäude gilt diese Anforderung um drei Jahre versetzt. Zur Einordnung: Klasse G entspricht den energetisch schlechtesten Gebäuden, A den besten.

Bis zu 150 Milliarden Euro möchte die EU für dieses ambitionierte Projekt bereitstellen. Die EU ist der Auffassung, dass die Gebäude für zirka 40 Prozent des Energieverbrauchs und für rund ein Drittel der CO2 -Emissonen im Euroraum verantwortlich sind. Die jährliche Sanierungsquote in den Mitgliedstaaten stagniert seit Jahren und liegt derzeit etwa zwischen 0,4 und 1,2 Prozent. Laut EU-Kommission ist mindestens eine Verdoppelung dieser Quote notwendig, damit die Energieeffizienz- und Klimaziele der EU erreicht werden können.


Paradigmenwechsel
Dass bis spätestens 2033 kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse G angehören darf, ist ganz klar ein Paradigmenwechsel für Immobilienbesitzer und das erste Mal, dass EU-Bürger und Unternehmen direkt zur Sanierung ihrer Altbauten verpflichtet werden. Geschätzt wird, dass etwa drei Millionen Gebäude in Deutschland davon betroffen wären, europaweit mindestens 40 Millionen.

Angesichts knapper Handwerkerkapazitäten, von Materialmangel und -verteuerung erscheint die Sanierungsoffensive äußerst ambitioniert, anders formuliert: völlig unrealistisch. Sie würde die Immobilienbranche und vor allem Privatpersonen an ihre Grenzen bringen und eine europaweite Großbaustelle provozieren. Unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes ist die vorgeschlagene Einführung verbindlicher Mindeststandards für energetisch ineffiziente Gebäude zu begrüßen, allerdings sollte bei der Ausgestaltung der Zielerreichung mit mehr Augenmaß vorgegangen werden. So haben zum Beispiel Hotels, Krankenhäuser oder Einfamilienhäuser unterschiedliche Energiebedarfe und müssten demzufolge auch unterschiedliche Auflagen erfüllen. Ebenso sollten die technischen und personellen Voraussetzungen für eine Sanierung im Vorfeld geklärt sein, und es wird ferner auch völlig außer Acht gelassen, dass Quartierskonzepte, wie bereits im Koalitionsvertrag verankert, zur Erreichung der Klimaziele kostengünstiger und schneller umzusetzen wären. Im vorgelegten Entwurf werden Einzelgebäude in den Fokus gerückt, Wohnquartiere hingegen nicht.

Zudem besteht in Deutschland nach wie vor keine rechtssichere Möglichkeit, für Online-Eigentümerversammlungen. Sollte der Gesetzgeber dies nicht zeitnah ändern, können die ambitionierten Ziele im Klimaschutz in Deutschland jetzt schon abgeschrieben werden, da sich aufgrund der Coronapandemie ein enormer Sanierungsstau bei den Eigentümergemeinschaften gebildet hat. Sofern es hier keine schnelle und eindeutige Regelung gibt, setzt die Bundesregierung sehenden Auges Millionen von Wohnungsbesitzern einem enormen Preisanstieg für Sanierungen in den nächsten Jahren aus. Zugleich wird nach der Neufassung der EU-Richtlinie die Erfüllung der klimapolitischen Vorgaben aus Brüssel deutlich erschwert. Die sich anknüpfenden Strafverletzungsverfahren könnten im Ergebnis für jeden deutlich teurer werden.

Die EPBD ist neben der Energieeffizienzrichtlinie eines der wichtigsten Rechtsinstrumente der Europäischen Union zur Förderung der Verbesserung der Gesamt energieeffizienz von Gebäuden in der Gemeinschaft. Die Neufassung der Richtlinie wurde am 15. Dezember 2021 vorgelegt und voraussichtlich im Februar 2022 werden die Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Rat, Europäischem Parlament und der Kommission beginnen. Die EU-Kommission beabsichtigt, den Gesetzgebungsprozess bis zum Sommer 2022 abzuschließen, eine Nationale Umsetzungsfrist ist noch nicht bekannt.

DIE EPBD IM ÜBERBLICK
Öffentliche und nicht bewohnte Gebäude müssen bis 2027 mindestens Energieeffizienzklasse F und bis 2030 Energieeffizienzklasse E erreichen. Wohngebäude müssen bis 2030 mindestens Energieeffizienzklasse F und bis 2033 Energieeffizienzklasse E erreichen. Voraussetzung dafür ist eine EU-weite Angleichung der Energieeffizienzklassen. Bis 2025 sollen alle Ausweise auf einer harmonisierten Skala von A bis G beruhen. Generell gilt: Je weiter hinten im Alphabet die Effizienzklasse eines Hauses eingeordnet ist, desto schlechter ist der energetische Zustand.
 

Fuchs, Nadine

Referentin der Geschäftsführung des VDIV Deutschland