06.05.2019 Ausgabe: DDIV DIGITAL 2019

Ein langer Weg - Wie weit sind wir eigentlich digitalisiert? Wo wollen wir hin, und wo entlang geht es überhaupt?

Die folgende Anekdote spiegelt die Situation in unserer Branche ganz gut wieder: Auf seiner Facebook-Seite teilte ein Kollege seinen Kunden freudig mit, dass er ihnen in diesem Jahr eine eigene App zur Verfügung stellen werde. Kommentar einer Verwalterkollegin: „Nee, nee. So etwas brauchen wir nicht. Ich habe zum größten Teil Mietobjekte. Da lohnt sich eine eigene App nicht.“ Und einige Kommentierungen später war von derselben Kollegin dann Folgendes zu lesen: „Das reden uns die Großen der Branche und unsere Verbände ein. Wir sind ein Betrieb mit gehobener Klientel … Die wird noch von der Chefin persönlich bedient.“

Vielleicht stehen genau deshalb so viele Betriebe unserer Branche noch ganz am Anfang der Digitalisierung. Mit dem Versand von E-Mails fühlen sich viele schon ganz weit vorn. Damit liegt noch ein langer Weg vor uns, und wenn die Branche nicht endlich aufbricht in Richtung Digitalisierung, dann kommt das einem Offenbarungseid gleich. Denn in jeder anderen Branche ist es völlig normal, Abläufe vollständig digital abzubilden: Ticketbuchung, Hotelreservierung, Einkaufen – all das ist ohne Internet gar nicht mehr denkbar. Und Immobilienverwaltung …? Immerhin scheint langsam Bewegung in den Markt zu kommen, die Transformation beginnt. Und das ist auch genau richtig so: Erst einmal anfangen, um in kleinen Schritten vorwärts zu kommen, denn frei nach Henry Ford: „Der größte Feind der Qualität ist die Eile.“

Fünf Teilgebiete der Immobilienverwaltung sind wesentlich für die Digitalisierung. Jedes bietet genug Potenzial, um den Anfang zu machen, den die jeweils erzielten Vorteile spornen dazu an:

Die digitale Archivierung

Alle Dokumente sollten digital archiviert sein. So sind sie jederzeit und von überall einsehbar – vom Sachbearbeiter im Büro wie vor Ort im Objekt, vom Mitarbeiter im Home Office oder auch für eine Vertretung. Diese Archivierung ist sicherlich nicht während des Tagesgeschäfts zu machen. Also empfiehlt sich das Outsourcing an professionelle Dienstleister wie z. B. letterscan. Natürlich verursacht das Kosten. Die übernimmt aber vielleicht die WEG, die es begrüßt, ihre Dokumente in digitaler Form zu bekommen – und deshalb einem entsprechenden Beschluss zustimmt.

Wenn es nun noch gelingt, die Tageseingangspost zu digitalisieren, kann jeder Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz dort einrichten, wo er sich gerade befindet.

Buchhaltung und Abrechnung

Online-Banking wird in Deutschland seit 1993 angeboten. Seitdem sahen die ersten Hausverwaltungsprogramme auch schon die elektronische Verbuchung von Kontoauszügen vor. Man muss sich also fragen, warum in diesen 26 Jahren elek­tr­onische Buchhaltung noch immer nicht selbstverständlich geworden ist. Lassen sich doch gerade in diesem Bereich Personaleinsatz und -kosten enorm reduzieren. In Zeiten des Fachkräftemangels eigentlich Ansporn genug. Aber es gibt noch einen Nebeneffekt: Weil so alle Buchungsbelege digital erfasst sind, kann man Beiräten und Hauseigentümern die Unterlagen einfach unterjährig zur Verfügung stellen. Die Belegprüfung durch den Beirat kann online erfolgen – schon das mit deutlicher Zeitersparnis.

Kommunikation

Wie oben schon erwähnt: Eine E-Mail macht noch keine Digitalisierung. In absehbarer Zukunft schon wird die eigene Kunden-App der Hausverwaltung sicherlich zur Selbstverständlichkeit. Über sie können Eigentümer und Bewohner mit ihrer Verwaltung kommunizieren: Schadensmeldungen gleich mit Fotos und Beschreibung aufgeben, Schlüssel bestellen, Termine vereinbaren. Auch in Buchhaltungsfragen ermöglicht sie die Einsichtnahme, um strittige Sachverhalte direkt zu klären. Und darüber hinaus kann man über ein vollständiges Archiv auch Unterlagen hinterlegen, die so jederzeit zur Verfügung stehen. Dies führt uns gleich zum nächsten Punkt der Digitalisierung:

Ticketsystem

Möglich ist es, für per App eingehende Schadensmeldungen auch gleich einen internen Vorgang auszulösen: Der benötigte Handwerker wird auf elektronischem Weg informiert und direkt mit der Reparatur oder zunächst mit der Abgabe eines Angebots beauftragt. Selbst die Meldung, dass der Schaden behoben ist, und die Rechnung liegen elektronisch vor und sind so jederzeit nachvollziehbar.

Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Im Unternehmen können Mitarbeiter jederzeit den Bearbeitungsstatus all ihrer Projekte und Vorgänge einsehen, selbst Vertretungen sind so stets auf dem Laufenden und können übernehmen. Der Kreis lässt sich extern erweitern, sodass auch Eigentümer und Wohnungsnutzer Einsicht in Vorgänge bekommen, oder Beiräte auf diesem Weg die Abarbeitung gefasster Beschlüsse verfolgen können – was allen Beteiligten ebenfalls eine Menge Zeit erspart. Der digitalen Abbildung solcher Vorgänge haben sich beispielsweise die DDIV-Kooperationspartner casavi und etg24 bereits angenommen.

Controlling

Die Digitalisierung hat den positiven Nebeneffekt, dass sich die Rentabilität von Prozessen und Objekten leichter auswerten lässt. Schließlich wurde ja alles bereits elektronisch erfasst, sodass sich auch der Zeitaufwand ermitteln lässt. Indem man zum Beispiel über eine TAPI-Schnittstelle die Telefonanlage mit der Hausverwaltungssoftware verbindet, lässt sich jedes Gespräch einem Prozess und damit einem Objekt sowie einem Mitarbeiter zuordnen. Wenn die Zeiterfassung dann noch über die Buchhaltung die Prozesse und Vor-Ort-Einsätze umfasst, lässt sich daraus für jedes Objekt eine komplette Rentabilitätsberechnung erstellen. Und die erlaubt es wiederum, bei Vertragsverlängerungen die tatsächlichen Aufwendungen nachzuweisen und die Vergütung entsprechend anzupassen.

Machen wir gemeinsam den Anfang

Wie gesagt, auch einen langen Weg geht man am besten Schritt für Schritt – und vor allem gemeinsam. Wichtig ist, endlich den Anfang zu machen. Ausgesprochenen Gegnern der Digitalisierung sei dies mit auf den Weg gegeben: Die Digitalisierung verschiedener Prozesse ist Gesetz. Am 24.12.2018 trat die neue Energieeffizienz-Richtlinie (EED) in Kraft. Sie verpflichtet Gebäudeinhaber dazu, Bewohnern ihre Verbrauchswerte ab 2022 – sofern möglich – unterjährig zur Verfügung zu stellen. Damit müssen Wasseruhren, Heizkostenverteiler und Wärmemengenzähler, die ein Funkmodul besitzen, unterjährig ausgelesen und die Daten an die Nutzer übermittelt werden. Die Übergangsfrist läuft am 31.12.2028 ab. So müssen schon heute alle Wärmemengenzähler, die auf zehn Jahre geeicht sind, mit einem Funksystem ausgerüstet werden. Sonst sind sie zum 1.1.2029 – vor Ablauf der Eichfrist – auszutauschen bzw. umzubauen. Verwalter sollten darauf hinweisen, wenn WEG-Beschlüsse zu Neuausrüstungen anstehen. So schützen sie sich vor eventuellen Schadensersatzansprüchen. Und die unterjährig ermittelten Verbrauchsdaten? Die verschicken wir dann über die Kunden-App, denn, ja, genau so geht Digitalisierung!

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Michels, Ralf

Der Geschäftsführer der A.S. Hausverwaltungs- & Projektentwicklungs-GmbH ist Präsidiumsmitglied des VDIV Deutschland.