20.01.2023 Ausgabe: 1/23

Einfach laden?

Über die Pläne für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Wohnungseigentümergemeinschaften sprach der VDIV Deutschland mit Johannes Pallasch.

Die von der Bundesregierung gesteckten Klimaziele erfordern die schnelle Elektrifizierung des Straßenverkehrs und die wiederum eine flächendeckende, bedarfsgerechte und nutzerfreundliche Ladeinfrastruktur. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der bundeseigenen NOW GmbH hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) u. a. bei der Erarbeitung des Masterplans Ladeinfrastruktur II unterstützt. Der wur- de am 19. Oktober 2022 beschlossen, ohne allerdings Förderprogramme für Wohnungseigentümergemeinschaften bzw. Wohnungseigentümer zu enthalten. Die konkreten Pläne erklärt Johannes Pallasch, Sprecher im Leitungsteam der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, im Interview.

Herr Pallasch, ist ein eigens auf Wohnungs­ eigentümergemeinschaften zugeschnittenes Förderprogramm denkbar?

Wir werden im Rahmen des Masterplans II die Errich- tung von Ladeinfrastruktur in Mehrparteienhäusern gezielt weiter unterstützen. Die Leitstelle erarbeitet dazu unter Beteiligung der Immobilienwirtschaft einen Leitfaden für Wohnungseigentümergemeinschaften, in dem Lösungsansätze für den Umgang mit verschiedenen rechtlichen und lebenswirklichen Konstellationen beim Einbau von Lademöglichkeiten adressiert werden. Außerdem wird geprüft, wie die Er- tüchtigung des Hausanschlusses vereinfacht und die elektrische und digitale Infrastruktur insbesondere von Mehrparteienhäusern unterstützt werden kann, zudem, ob eine Förderung gebraucht wird und wie diese auszugestalten wäre.

Das beendete KfW­Förderprogramm 440 sah einen Zuschuss in Höhe von 900 Euro pro Ladepunkt vor. Uns liegen Informationen vor, dass es nahezu gänzlich an Wohnungseigentümergemeinschaften vorbeiging – wohl aufgrund fehlender Beschlüsse während der Corona­Phase. Können Sie das bestätigen?

Mit dem Wallbox-Programm haben wir ausdrücklich nicht nur Eigenheimbewohner in den Blick genommen. Auch Wohnungseigentümergemeinschaften, Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und Bauträger waren antragsberechtigt und haben von dieser Möglichkeit auch reichlich Gebrauch gemacht. Durch das Förderpro- gramm KfW 440 sind mehr als 125.000 Ladepunkte an Mehrparteienhäusern und mehr als 94.000 an Doppel- oder Reihenhäusern bereits entstanden.

Wie sehen Sie die Rolle privater Wohnimmobilien im Kontext der Elektrifizierung des Straßenverkehrs?

Um das Ziel einer flächendeckenden, bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur zu erreichen, müssen wir alle Anwendungsfälle anschauen und das Gesamtsystem im Blick haben. Laden muss grundsätzlich überall ohne Umwege und längere Wartezeiten möglich sein – im Alltag wie auch auf der Fernstrecke. Damit nimmt die Errichtung von Ladeinfrastruktur an privaten Wohnimmobilien eine bedeutende Rolle ein.

Um den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland zu unterstützen, muss der Ausbau der öffentlichen sowie privaten Ladeinfrastruktur vorauslaufend erfolgen. Eine Lademöglichkeit am eigenen Wohnhaus macht die E-Mobilität attraktiv, denn das Laden zu Hause ist besonders einfach, komfortabel und günstig. Aktuelle Prognosen der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur gehen davon aus, dass der Anteil privater Ladevor- gänge in den nächsten Jahren zwischen 63 und 81 Prozent betragen wird.

Erhalten Sie aktuell viele Anfragen von Wohnungseigentümern, die Informationen suchen, weil sie den Bau eines Ladepunktes planen, oder bemerken Sie einen Rückgang des Interesses – z. B. wegen der langen Wartezeiten bei Bauteilen und Handwer­ kern oder inflationsbedingt?

Das Interesse am Ausbau der Ladeinfrastruktur ist zum Glück ungebrochen. Ich würde sogar sagen: Es ist so groß wie nie. Mittlerweile sind knapp zwei Millionen Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs. Die Leute merken, dass Elektromobilität immer alltäglicher wird, und stellen sich auf die Zukunft ein.

Die aktuellen Krisen führen einerseits zu einer gewissen Unsicherheit, andererseits aber auch dazu, dass sich die Menschen Gedanken über Alternativen zu althergebrachten  Lösungen machen. Das gilt für Elektromobilität und Ladeinfrastruktur genauso wie für andere Technologien, etwa die Wärmepumpe.

Das neue Jahressteuergesetz erleichtert das Errichten und den Betrieb von Photovoltaik(PV)­Anlagen auf Mehr­familienhäusern. Halten Sie die Nutzung des Solarstroms vom eigenen Dach zum Laden von Fahrzeugen für ein praktikables Modell der Zukunft?

Elektromobilität ist eine Antwort für den Klimaschutz im Verkehr. Deswegen ist es seit jeher eine Bedingung für die Förderung durch den Bund, dass geförderte Ladeinfrastruktur auch vollständig mit Strom aus erneuerbarer Quelle versorgt wird. Am elegantesten ist es, wenn der Weg zwischen Erzeugung und Verbrauch des erneuerbaren Stroms möglichst kurz ist. Die Verbindung von einer PV-Anlage auf dem Dach und der Wallbox in der Tiefgarage gehört deshalb zu den besten Lösungen und verringert außerdem den notwendigen Netzausbau.

Was muss geschehen, damit sie verbreitet eingesetzt wird?

Im Masterplan Ladeinfrastruktur II haben sich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgenommen, die Nutzung selbst erzeugten Stroms für private Ladeinfrastruktur wirksamer zu gestalten. Gerade an der Schnittstelle zwischen Verkehrs- und Energiesektor brauchen wir eine ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die gibt es jetzt.

Obwohl es wohl genügend Anbieter für die Planung und Umsetzung von Ladepunkten gibt, dauert die Realisierung oft lange. Wie lässt sich das Verfahren beschleunigen?

Die Errichtung von Ladeinfrastruktur hat mittlerweile in fast allen erdenklichen Konstellationen bereits stattgefun- den. Um Ladeinfrastruktur schnell planen und umsetzen zu können, ist es entscheidend, dass sich die gefundenen Produkte, Lösungen und Umsetzungsprozesse im Markt etablieren. Nehmen wir das Beispiel Wallbox. War dies vor wenigen Jahren selbst für Elektroinstallateure noch ein Fremdwort, weiß heute jeder Fachmann und jede Fachfrau, was bei der Errichtung zu beachten ist. Genau zu dieser Routine müssen wir auch bei der Umsetzung
größerer Projekte kommen.

Neben der technischen Umsetzung müssen wir aber auch das Thema Netzanschluss und kommunale Genehmigungsverfahren in den Blick nehmen. In Deutschland gibt es rund 900 Verteilnetzbetreiber und 11.000 Kommunen. Die Maßnahmen aus dem Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung haben nicht ohne Grund hier ihren Schwerpunkt. So haben wir als Leitstelle im Rahmen des Masterplans II das LadeLernTOOL gestartet, eine kostenlose und frei zu- gängliche E-Learning-Plattform, die vor allem kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem nötigen Wissen für einen beschleunigten Aufbau von Ladeinfrastruktur vor Ort versorgen soll. Wir brauchen eine einheitliche Grundlage an Kenntnis und Verfahrensschritten – damit beschleunigen wir die Umsetzung jedes einzelnen Vor- habens. Die nächsten Jahre stehen deshalb für mich unter dem Motto „Skalierung“.

Pallasch, Johannes

Sprecher Leitungsteam
Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur
www.nationale-leitstelle.de