07.09.2022 Ausgabe: 6/22

ErfahrungsWERTE

Woran scheitern Unternehmens(ver-)käufe in der Immobilienwirtschaft, welches sind die Erfolgsfaktoren?

Die Motivationen für Unternehmens-Transaktio­nen sind sehr vielschichtig. Dennoch haben die letzten Jahre gezeigt, dass einige häufiger zu beobachten sind. Die nachfolgenden Situatio­nen sind jene, mit denen wir in der Praxis am häufigsten konfrontiert werden:

Anliegen 1: Aus gesundheitlichen Gründen möchte ein Inhaber möglichst schnell verkaufen.

Anliegen 2: Altersbedingt oder wegen einer Neuorientie­rung soll mittelfristig verkauft werden.

Anliegen 3: Durch gezielte Zukäufe soll das Portfolio passgenau vergrößert werden.

Schnell wird klar, dass erstens die zeitlichen Vorstellun­gen aufgrund von bestimmten (privaten) Umständen sehr unterschiedlich sein können und dass zweitens Inhaber sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite stehen können. Insofern ist bei der Entscheidung für eine Unter­nehmensberatung darauf zu achten, dass Erfahrungen in explizit der individuellen Fallkonstellation bereits bestehen.

In einer frühen Phase des Verkaufs sollte auch ein Bewusstsein dafür geschaffen wer­den, wie im Verkaufsfall der Übergang ge­staltet werden könnte oder sollte: Steht der Unternehmer in der Übergangsphase nach dem Verkauf noch zur Verfügung? Wird das Unternehmen innerhalb der Familie und/ oder extern übergeben? Könnte die künf­tige Tätigkeit des Verkäufers zu Interessen­konflikten führen?

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen (z. B. zu steuerlichen Op­timierungen, Vertragswerk, Konkurrenzklau

seln etc.), die während einer Transaktion wohl bedacht sein wollen. In speziellen Nachfolge-Workshops kann man sich im Vorfeld auf Unvorhersehbares vorbereiten, um derartige Situationen zu vermeiden. Das trägt dazu bei, Transaktionen von Anbeginn in die richtigen Bahnen zu lenken und gesteckte Ziele zu erreichen.

Was den Kaufpreis beeinflusst

Man kann Anbieter eines Unternehmens oder dessen Käufer sein. Insbesondere potenzielle Verkäufer soll­ten sich frühzeitig Gedanken über Trends innerhalb der Branche und die – davon ggf. beeinflusste – Attraktivität ihres Angebots machen.

In den kommenden Jahren wird der demographische Wandel dergestalt wahrnehmbar, dass die Zahl der aus Altersgründen zum Verkauf stehenden Unternehmen deutlich steigt. Das ist auch dem VDIV-Branchenbaro-meter und ähnlichen Publikationen zu entnehmen. Die­se Entwicklung wird dazu führen, dass Kaufinteressenten eine größere Auswahl haben und daher „wählerischer“ sein können.

Welche Unternehmen aber werden dann die „begehrten Objekte“ sein? Verkaufswillige Inhaber werden es nicht gern hören: Die preisgünstigen machen das Rennen. Aber es wird sich eine weitere Gruppe begehrter Unter­nehmen herauskristallisieren, nämlich die mit hohem digitalen Reifegrad. Diese Unternehmen weisen oftmals besser aufgeräumte Prozesse auf, sind schlanker auf­gestellt und lassen sich besser integrieren. Wir sind uns sicher, dass der vereinfachte Bewertungsansatz „x-facher Jahresumsatz entspricht dem Kaufpreis“ schon kurzfristig nicht mehr greifen wird. Selbstverständlich spielen Um­satz, Gewinn etc. eine bedeutende Rolle, aber genau sie werden (künftig) auch durch den digitalen Fortschritt in Unternehmen beeinflusst. Somit wird der Digitalisierungsgrad zum Maßstab für die Attraktivität und eine höhere Zahlungsbereitschaft. Gelegentlich sehen wir das auch schon heute in Preisverhandlungen.

Unternehmer haben gegenwärtig die Möglichkeit, durch Digitalisierungsmaßnahmen das operative Geschäft effizienter zu gestalten und zugleich die Attraktivität und somit den Preis ihrer Verwaltung zu steigern. Die Transformation dagegen aufzuschieben oder ihr auszu­weichen, kann bis hin zur Unverkäuflichkeit eines Unter­nehmens führen, weil die Integrationskosten für Käufer durch die fortschreitende Digitalisierung auch immer höher werden.

Herzblut wird nicht bezahlt

Für Käufer ist es erst nach detaillierter Prüfung möglich, ein seriöses Angebot zu machen. Vorherige Preiskorri­dore dienen als Indikatoren, sind aber u. U. zu berich­tigen. Typische Einflussfaktoren sind die Werthaltigkeit bestehender Verträge und somit der künftige Cash-flow bzw. prognostizierte Umsätze, Rechtsstreitigkeiten, branchentypische Effizienzkennzahlen etc. Letztere, z. B. die Zahl der verwalteten Einheiten pro Mitarbeiter, lassen oft auch Rückschlüsse auf die Qualität des Prozessma­nagements zu – und natürlich auf den Grad der Digi­talisierung.

All diese Faktoren können und sollten in einer detaillier­ten Bewertung bzw. in einem Gutachten zusammenge­tragen werden, um die Verkaufsverhandlungen zu „ver­sachlichen“. Solche Gutachten können für Käufer zudem große Bedeutung für die Sicherung ihrer Finanzierung haben.

Auch wenn’s schwerfällt, Verkäufer müssen sich dessen bewusst sein, dass Herzblut und emotionale Bindung an ein Unternehmen nicht preisrelevant sind. Genau darin liegen häufig die Gründe für das Scheitern von Trans­aktionen: Die subjektive Wahrnehmung eines Unterneh­mens als das eigene Lebenswerk trübt den objektiven Blick auf Zahlen, Daten, Fakten sowie auf den Zustand der Organisation. In diesen Fällen hilft ein Mergers & Acquisitions-Berater, der im Interesse des Verkäufers Fakten und Emotionen voneinander trennt und Erfahrun­gen aus vielen vergleichbaren Preisfindungen einbringen kann. Auf die Besonderheiten und Verfahren der Unter­nehmensbewertung soll hier verzichtet werden, da rein mathematische Näherungen in der Regel durch weiche Faktoren, Branchenentwicklungen etc. ergänzt werden.

Wichtige Einflussfaktoren

Langjährige Erfahrung im Bereich der Unternehmens­verkäufe hat einige Aspekte zutage gebracht, die maß­geblich sind für den Erfolg oder das Scheitern derartiger Transaktionen. Dies sind die wichtigsten:

  • Verschleppungstaktik: Sie kann von beiden Seiten angewandt werden. Verschleppt der potentielle Käufer, stehen oft parallele Prozesse an, die attraktiver erschei­nen. Verschleppt der Verkäufer, kann er sich eventu­ell doch noch nicht trennen oder spekuliert ebenfalls auf eine andere mehr bietende Partei. In einer sol­chen Situation gilt es, die richtigen Anreize zu setzen.
  • Nachforderungen: Sie werden häufiger vonseiten der Verkäufer gestellt; insbesondere wenn ihnen ein­schlägige Erfahrungen fehlen oder ihnen kein Berater zur Seite steht. Werden im späteren Verlauf des Ver­kaufsprozesses plötzlich Geldbeträge für hochwertige Büroausstattung o. Ä. aufgerufen, noch später viel­leicht sogar weitere Posten geltend gemacht, führt das zu Unmut auf Käuferseite. Unwissenheit über einzupreisende Faktoren wird schnell als Inkompe­tenz oder Raffgier ausgelegt.
  • Änderungen des „Pakets“: Häufiger als gedacht modi­fizieren Verkäufer das Portfolio der zu verkaufenden Verträge, z. B. um in bestimmten Bereichen selbst noch tätig zu bleiben. Das wirkt immer unseriös, unab­hängig von möglichen späteren Interessenkonflikten und geltenden Konkurrenzausschlussklauseln. Man stelle sich nur vor, ein Auto zu kaufen, das bei Abho­lung dem bestellten Fahrzeug lediglich ähnlich sieht.
  • Zweite Reihe: Hiermit ist die Führungsstruktur unter der Geschäftsleitung gemeint. Für Käufer in der Regel attraktiv ist es, wenn Teamleiter o. Ä. das Tagesgeschäft selbstständig verantworten und es keine operative Abhängigkeit von der Geschäftsleitung gibt.
  • Zahlungsflüsse neben dem Kaufpreis
    ) Gehalt bei Übergängen: Hier ist die zukünftige Rolle des Verkäufers und dessen Entlohnung zu klären.
    ) Vereinbarung zu Kontoständen/Working Capital: Zum Zeitpunkt der Übergabe befinden sich in der Regel Guthaben auf den Firmenkonten. Zu klären ist daher, wem diese zustehen und welcher Sockel­betrag für Verpflichtungen ggf. im Unternehmen verbleiben soll.
    ) Nicht eingezahltes Eigenkapital wird oft vom Kauf­preis abgezogen oder ist im Rahmen des Übergangs vom Verkäufer einzuzahlen.
  • Earn-out: Der Käufer zahlt den Kaufpreis, insbe­sondere in Erwartung bestimmter Ergebnisse und Umsätze für die nächsten Jahre. Der immer häufi­ger vereinbarte Earn-out sieht vor, dass ein Teil des Kaufpreises (z. B. 30 Prozent) verteilt auf die nächs­ten Jahre bei Erreichen der Unternehmensziele aus­bezahlt wird (z. B. zehn Prozent über drei Jahre). Als Grundlage können Umsatz oder Gewinn dienen. Die Effekte dieser inzwischen gängigen Variante sind im Vorfeld mit Experten gründlich zu analysieren.
Beyer, Dr. Michael

Inhaber der Feingeist GmbH

Kretschmann, Gregor

Geschäftsführer der Feingeist GmbH