02.06.2020 Ausgabe: 3/20

Es grünt so grün - Dachbegrünungen vereinen viele positive Wirkungen, insbesondere für nachverdichtete Städte.

Täglich wird in Deutschland die Fläche von etwa 60 Hektar Natur durch Baumaßnahmen versiegelt. Die Hälfte dieser Flächen verschwindet langfristig aus dem natürlichen Wasserkreislauf. Neben dem Flächenverbrauch durch das Wachstum der Städte zwingen uns Klimawandel (Urban Heat Island Effect und Extrem-Regenereignisse), Artenschwund (Insektensterben) und auch der demografische Wandel zum Umdenken und Handeln. Immer mehr Menschen drängen (zurück) in die Städte, die Forderung nach mehr und bezahlbarem Wohnraum wird lauter. Aber woher nehmen? Weitere Naturflächen überbauen? Nachverdichten? Wo bleiben dabei die lebenswichtigen Grünflächen?

Sonneneinstrahlung, dunkle Gebäude und Straßen, versiegelte Oberflächen und das schnelle Abfließen des Regenwassers verursachen urbane Hitzeeffekte. Ohne Pflanzen fehlt die Evapotranspiration, also die Verdunstung aus Flora und Fauna sowie aus Boden- und Wasserflächen, und damit verbunden die Verdunstungskühlung. Die Temperaturen in Städten liegen um ein bis drei Grad über denen im Umland. Grünflächen machen Wohnquartiere attraktiver für Menschen, die sie zum Leben, zur Regeneration, zu Erholung, Sport und Spiel nutzen. Noch mehr und noch dichter zu bauen, heißt nach Lösungen zu suchen, die trotz dichterer Besiedlung ausreichend Grünflächen für Mensch und Tier schaffen. Wegen des begrenzten Raums bieten sich in der Stadt hierfür vorrangig Dach-, Fassaden- und auch Innenraumbegrünungen an.

Nachhaltiges Bauen mit begrünten Gebäuden
Gebäudebegrünungen vereinen eine Vielzahl positiver Wirkungen und sind ein ebenso einfach umzusetzender wie wirkungsvoller und notwendiger Aspekt des nachhaltigen Bauens. Seit vielen Jahren liefern wissenschaftliche Untersuchungen dazu Zahlen, Daten und Fakten: So kann Dachbegrünung demnach beispielsweise vielfältig eingesetzt werden, u. a. als Maßnahme zur Klimaanpassung, zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt, als Baustein der Regenwasserbewirtschaftung oder als Schutz vor Lärm und Feinstaub. Mit jedem Quadratmeter Gründach verbindet sich dabei gleich eine ganze Palette an positiven Wirkungen:

• Schutz der Dachabdichtung und Fassade vor Extremtemperaturen im Sommer und Winter sowie vor Witterungseinflüssen wie Sturm, Hagel, UV-Strahlung etc.: Gegenüber unbegrünten Varianten kann sich die Lebensdauer von Dachabdichtungen bis auf das Doppelte verlängern.

• Wärmedämmung im Winter, Hitzeschild im Sommer: Das spart Heizenergie und so manche Klimaanlage.

• In Kombination mit Photovoltaikanlagen: Die Verdunstungskühlung erhöht den Wirkungsgrad.

• Rückhaltung von – je nach Begrünungsart – 30 bis 99 Prozent des Niederschlags und Minderung der Spitzenabflüsse: Die Kanalisation wird entlastet, woraus sich Einsparpotenziale für die Rohr- und Kanaldimensionierung, für Regenrückhaltebecken und ggf. auch die Abwassergebühren ergeben.

• Anerkennung als ökologischer Teil­ausgleich: Im Zuge der Eingriffs-Ausgleichsregelung können andere Maßnahmen ersetzt werden.

• Verdunstung gespeicherten Wassers: Die Kühlung und Luftbefeuchtung verbessert das Umgebungsklima.

So wird das grüne Dach gefördert
In vielen Großstädten werden Dach- und Fassadenbegrünungen mittlerweile gefördert – „direkt“ durch finanzielle Zuschüsse an den Bauherrn, wenn er bestimmte, von der Stadt festgelegte Kriterien erfüllt, „indirekt“ in Städten mit gesplitteten Abwassersatzungen. Hier gibt es einen Nachlass auf die Niederschlagswassergebühr, wenn das Dach begrünt ist. Eine Art von Förderung liegt auch vor, wenn Dachbegrünungen in Bebauungsplänen, Gründachsatzungen u. Ä. festgelegt und gefordert werden. Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. wird demnächst eine Übersicht der fördernden Städte im „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2019“ veröffentlichen.


Gut zu wissen
Sowohl Flachdächer als auch Schrägdächer sind begrünbar. Unterschieden wird zwischen Extensiv- und Intensivbegrünungen. Extensive Gründächer zeichnen sich durch eine geringe Aufbauhöhe von ca. acht bis 15 cm mit geringem Gewicht von ca. 80 bis 170 kg/qm und eine trockenheitsverträgliche und pflegeleichte Bepflanzung aus. Sie werden nur zur Pflege ein- bis zweimal im Jahr begangen. Intensivbegrünungen dagegen sind z. B. als Dachgärten erweiterte Wohnräume, auf denen ähnliche Pflanzen wachsen wie im ebenerdigen Garten. Entsprechend ist der Gründachaufbau mit mindestens 25 cm höher und mit einem Gewicht ab 300 kg/qm schwerer. Die Pflege gestaltet sich wie in jedem anderen Garten je nach Bepflanzung mehr oder weniger aufwändig. Intensivbegrünung gibt es in der Regel nur auf Flachdächern, wohingegen Extensivbegrünungen auch auf Schrägdächern bis zu einer Neigung von etwa 40 Grad angelegt werden können, ab 15 Grad Dachneigung allerdings nur mit besonderen Maßnahmen zur Rutschsicherung, insbesondere bei Starkregen.

Realisierbar sind Extensivbegrünungen je nach Schichtaufbau und Fläche schon ab etwa 25 bis 30 Euro/qm, begehbare Dachgärten liegen je nach Aufbauhöhe und Ausstattung bei Quadratmeterpreisen ab etwa 60 bis 150 Euro. Die Pflege ist pro Jahr und Quadratmeter mit etwa ein bis drei Euro für extensive und mit drei bis acht Euro für intensive Dachbegrünungen zu kalkulieren.

Auch immobilienwirtschaftlich interessant
Natürlich geht die Herstellung und Pflege begrünter Dächer und Fassaden mit Mehrkosten einher. Der diesen mehr oder weniger hohen zusätzlichen Kosten entgegenstehende Nutzen wiegt das jedoch auf. Denn ohne Gebäudebegrünung werden wir schon bald überhaupt nicht mehr bauen können. Unabhängig von Neubau oder Bestand – in vielen Städten gelten im Zuge der Überflutungsvorsorge bereits Einleitbeschränkungen für Niederschlagswasser. Regenwasser muss damit überwiegend auf dem jeweiligen Grundstück verbleiben und darf nur zu einem Bruchteil in die Kanalisation eingeleitet werden – ohne Dachbegrünung kaum machbar.

Der anhaltende Zuzug auch älterer Menschen in die Städte erfordert es, Grünflächen auch innerstädtisch erreichbar zu machen. Der Garten auf dem Dach ist da nur nahe liegend. Dachflächen, die als Naherholungsflächen für Sport, Spiel und Urban Farming genutzt werden können, werden Wohnquartiere attraktiver gestalten und beleben.

Klimawandel, Flächenversiegelung und die zunehmende Verstädterung führen zur Überhitzung der Großstädte – mit allen unangenehmen Folgen wie der Entstehung von Hitzeinseln, häufigeren Extremsommertagen und Hochwasserkatastrophen. Dach- und Fassadenbegrünungen spielen hier präventiv eine wichtige Rolle, und sie lassen sich bei vorausschauender Planung ohne größeren Mehraufwand umsetzen.

Weltkongress Gebäudegrün
Vom 16. bis 18. Juni 2020 findet in Berlin der Weltkongress Gebäudegrün statt. Bei der Veranstaltung geht es neben dem Wissenstransfer und dem Aufzeigen von Best-Practice-Beispielen durch Spezialisten aus dem In- und Ausland um den Erfahrungsaustausch und das Netzwerken zwischen den Teilnehmern aus Planung, Politik, Städten, Siedlungswasserwirtschaft, Industrie, Immobilienbranche und Verbänden. Veranstalter des Kongresses ist der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG), flankiert von den Welt- und Europa-Verbänden und unter der Schirmherrschaft von Bundesinnenminister Horst Seehofer, Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher.
www.bugg-congress2020.com

Foto: Ökosiedlung im Düsseldorfer Stadtteil Unterbach mit extensiver Dachbegrünung
© BuGG


Mann, Dr. Gunter

Der Diplom-Biologe ist Präsident des Bundesverbandes GebäudeGrün e. V. (BuGG) und Mitglied der FLL-Regelwerksausschüsse „Dachbegrünung“ und „­Fassadenbegrünung“.
www.gebaeudegruen.info