22.04.2022 Ausgabe: 3/22

Grüner Strom vom heimischen Dach

Weg von Atomener­gie und fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien: Die Energiewende ist das dominie­rende Thema bei der Strom- und Wärmeversorgung. Bausteine, die maßgeblich zum Erreichen der Klimaziele beitragen, sind Photovoltaik (PV) und Mieterstrom. Als Mieterstrom wird u. a. Strom bezeichnet, der von Solaranlagen auf dem Dach eines Wohngebäu­des erzeugt und von dort direkt an die Bewohner des Gebäudes oder des Quartiers geliefert und von ihnen verbraucht wird.

Das Potenzial für Mieterstrom ist groß. Das Bundeswirtschaftsminis­terium ermittelte zuletzt 3,8 Milli­onen Wohnungen in Deutschland, die mit Mieterstrom versorgt wer­den könnten. Sowohl Eigentümer als auch Mieter profitieren davon. Letztere dadurch, dass die Strom­preise durchschnittlich um min­destens zehn Prozent niedriger sind als die des örtlichen Grund­versorgers, weil Netzentgelte, Abga­ben und die Stromsteuer entfallen. Wer Solarstrom vom eigenen Dach nutzt – auch für das Laden seines Elektrofahrzeugs – spart CO2 und beteiligt sich aktiv an der Ener­giewende. Durch die eingesetzte Smart-Meter-Technologie in Ver­bindung mit einer modernen Ener­giedaten-Software können Mieter zudem jederzeit ihren aktuellen Stromverbrauch, die damit verbun­denen Kosten, die Solarquote, die CO2-Einsparung und weitere Echt-zeit-Analysen einsehen – bequem per App auf dem Smartphone. Bei hohem Verbrauch können sie also unmittelbar gegensteuern.

Eigentümern verspricht Mieter­strom zusätzliche Einnahmen. Mit dem richtigen Partner für die Umsetzung und den Betrieb las­sen sich bei einer entsprechen­den Zahl teilnehmender Mieter Gewinne erzielen. Je höher die Teilnehmerquote ist, desto wirt­schaftlicher wird das Mieterstromprojekt. Gerade für große Immobiliengesellschaften lohnt sich ein flächendeckender PV-Mieterstrom-Roll-out über einen Großteil des Gebäudeportfolios, weil die Wirtschaftlichkeit mit jeder zusätzlichen Anlage durch Skaleneffekte, standardisierte Pro­zesse und Risikodiversifizierung ansteigt. Staatliche Förderungen unterstützen Eigentümer zudem finanziell.

Das EEG 2021 ebnet den Weg
Das im Dezember 2020 verab­schiedete novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schafft die aktuell geltende rechtliche Grund­lage für Mieterstrom. Im Vergleich zum EEG 2017 wurden mehrere Punkte neu geregelt, um den Aus­bau von Mieterstrom zu fördern und das Modell für Eigentümer attraktiver zu gestalten. Wesentliche Änderungen sind unter anderem:

  • Der räumliche Zusammen­hang zwischen Erzeugung und Verbrauch des Mieter­stroms wurde erweitert. Mieterstrom kann nun auch von Bewohnern des Quar­tiers genutzt werden, nicht nur von Bewohnern des Gebäudes, auf dessen Dach er erzeugt wird.
  • Eigentümer als Anlagenbetreiber können Dritte, beispielsweise Energiedienstleister, damit beauf­tragen, die Stromlieferung an die Mieter zu überneh­men. Diese sogenannten Lieferkettenmodelle sind ebenfalls förderfähig.
  • Der Mieterstromzuschlag als Förderung wurde neu geregelt.

 

Gesetzliche Regelungen auf Landesebene
In Baden-Württemberg, Nord­rhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt ab diesem Jahr eine Solarpflicht. In jedem Bundes­land gibt es dafür unterschiedliche Regelungen. In Baden-Württem­berg und Nordrhein-Westfalen muss seit 1. Januar 2022 über Park­plätzen mit mehr als 35 Stellplät­zen eine PV-Anlage installiert werden. In Baden-Württemberg gilt diese Pflicht seit Jahresbeginn auch für Nicht-Wohngebäude und ab 1. Mai zusätzlich für Wohnge­bäude im Neubau. Bestandsge­bäude sind vom 1. Januar 2023 an bei umfassenden Dachsanierun­gen betroffen. In Schleswig-Hol­stein bezieht sich die Novelle des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes ausschließlich auf Nicht-Wohngebäude und Parkplätze. In weiteren Bundesländern wie Ber­lin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen soll ab 2023 eben­falls eine Solarpflicht eingeführt werden. Die Frage ist also nicht mehr, ob Gebäudeeigentümer ihre Liegenschaften mit PV-Anlagen ausrüsten, sondern wie die erneuerbaren Energien vermarktet werden.

Fördermodelle für Mieterstrom
Um Mieterstrom zu fördern, erhal­ten Anlagenbetreiber zusätzlich zum Verkaufserlös des Stroms einen Mieterstromzuschlag, des­sen Höhe von der Leistungsklasse der Solaranlage abhängt. Gemäß EEG 2021 wird dieser Zuschlag auch dann gewährt, wenn der Betreiber einen Dienstleister mit der Mieterstromlieferung beauf­tragt. Ist die Nachfrage zwischen­zeitlich niedriger als das Angebot, kann der überschüssige Strom ins Netz eingespeist werden. Der Anlagenbetreiber erhält hierfür die gesetzlich geregelte Einspeisevergütung. Häufig wird der Solar­strom heute auch schon für die Versorgung vorhandener E-Lade­säulen genutzt.

Der Staat fördert nicht nur den Betrieb einer Solaranlage mithilfe des Mieterstrom-zuschlags und der Einspeisevergütung. Auch die Installation einer Anlage wird unterstützt, beispielsweise mit Hilfe des KfW-Förderkredits 270 – Erneuerbare Energien. Einige Bundesländer und Kom­munen bieten weitere Förder­möglichkeiten.

Mieter haben die Wahl
Auch wenn Eigentümer Mieter­strom anbieten, haben Mieter wei­terhin die Wahl zwischen einem konventionellen Stromvertrag und einem Mieterstromvertrag mit grünem Strom vom eigenen Dach. Entscheiden sie sich für Mieter­strom, erhalten sie einen entspre­chenden Vertrag, der unabhängig vom Mietvertrag abgeschlos­sen wird und jederzeit kündbar ist. Die Laufzeit ist auf ein Jahr begrenzt und kann stillschwei­gend verlängert werden. Wäh­rend der Vertragslaufzeit ist der Mieterstromanbieter verpflichtet, Reststrom für alle Mieter sicherzu­stellen, falls beispielsweise wegen schlechten Wetters kein selbst erzeugter Strom zur Verfügung steht. Der sogenannte Reststrom wird dem allgemeinen Versor­gungsnetz entnommen.

Für die Vermarktung bzw. Nutzung der erzeugten Energie ist Mieter­strom sowohl wirtschaftlich als auch aus sozialer Sicht lohnens­wert für alle Beteiligten. Ein groß angelegter Roll-out verspricht die höchsten Erträge, weshalb es sich besonders für Wohnungsgesell­schaften lohnt, in großen Dimen­sionen zu denken und am besten auch gleich das Thema E-Mobili­tät in die Planung einzube­ziehen.

Klein, Andreas

Produktmanager Minol www.minol.de/solar