01.04.2023 Ausgabe: vdivDIGITAL 2023/1

Künstliche Intelligenz: Chance oder Risiko?

Wie sich neueste Entwicklungen auf die Immobilienverwaltung auswirken könnten

Haben Sie ChatGPT auch schon mal ausprobiert? Was halten Sie von der neuesten Entwicklung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI)? Überwiegt die Faszination oder sind Ihnen die Fähigkeiten des smarten Chatbots unheimlich? Sehen Sie in ChatGPT eher eine Chance oder ein Risiko? Über Fragen wie diese haben wir mit dem Wirtschaftsinformatiker Univ.-Prof. Dr. Andreas Eckhardt von der Universität Innsbruck gesprochen.

Prof. Dr. Eckhardt, das Thema KI ist dank ChatGPT aktuell ja in aller Munde. Was halten Sie als Experte für Wirtschaftsinformatik und Digitale Transformation vom Hype um die Fähigkeiten des Chatbots?

Meiner Meinung nach ist ChatGPT seit langem die erste technologische Entwicklung mit dem Potenzial für einen echten Paradigmenwechsel. Obwohl ich als Wirtschaftsinformatiker die Mechanismen hinter dem Chatbot vielleicht etwas besser verstehe als so manch andere, die ChatGPT ausprobiert haben, bin auch ich sehr beeindruckt. Beim Chatten hat man das Gefühl, sich mit einem menschlichen Gegenüber auszutauschen. Und genau dafür wurde der dialogbasierte Chatbot entwickelt: menschliche Konversationen nachzuahmen. Umso wichtiger ist es, sich immer wieder klar zu machen, dass es sich bei ChatGPT nicht um einen „Er“ oder eine „Sie“ handelt, sondern um ein Programm. So klug durchdacht und eloquent die Antworten auf den ersten Blick auch scheinen mögen: ChatGPT denkt nicht in dem Sinne, in dem Sie oder ich denken, das Programm arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten, welche Wörter und Satzbausteine zusammengehören, und bildet daraus einen zusammenhängenden Text. Diese Antworten hören sich im ersten Moment zwar plausibel an, haben aber aktuell sicher keinen hundertprozentigen Wahrheitsgehalt. Jedes Mal, wenn das erlernte Wissen des Chatbots an Grenzen stößt, fabuliert sich ChatGPT die Antworten gewissermaßen zusammen, und das Programm „halluziniert“. Hinzu kommt, dass der Pool an Informationen, mit denen der Chatbot trainiert wurde, nur bis 2021 reicht. Ereignisse wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine oder der Tod von Queen Elisabeth II. sind ChatGPT noch nicht bekannt.

Problematisch ist auch das Thema Regulierung. Wer hat eigentlich das Copyright, wenn ChatGPT beispielsweise einen Song, ein Gedicht oder einen wissenschaftlichen Artikel verfasst – der User bzw. die Userin, die Urheberinnen und Urheber, aus deren Werken ChatGPT seine Informationen zieht oder das Unternehmen OpenAI LT, das den Chatbot entwickelt hat? Darüber hinaus besteht natürlich die Gefahr, dass ChatGPT zur Generierung und Verbreitung von Fake News oder Spam verwendet werden kann. Dass die Nutzung aktuell noch kostenlos ist, liegt u. a. daran, dass sich der Chatbot durch das andauernde Lernen stetig verbessert, wenn ChatGPT von möglichst vielen Userinnen und Usern trainiert wird. In Zukunft könnte es aber kostenpflichtig werden, den Chatbot zu nutzen oder in eigene Anwendungen zu integrieren. Microsoft bietet ein Update der BingSuche mit ChatGPT-Technik sowie eine Integration des KI-Tools in Microsoft Edge bereits zum Ausprobieren an. Und einen verbesserten Nachfolger von ChatGPT gibt es auch schon: GPT-4.

Kann ein Chatbot die in der Immobilienverwaltung eingesetzten Softwarelösungen, wie z. B. ERP-Systeme, noch nutzerfreundlicher und effizienter machen oder gibt es auch Risiken?

KI-Komponenten wie ChatGPT in ERP-Systeme zu integrieren, macht durchaus Sinn. In der Immobilienverwaltung kann die GPT-Technik etwa bei der Bearbeitung von Standardanfragen oder der Auswertung von Daten eingesetzt werden und allgemein dabei helfen, Prozesse effizienter zu gestalten. Der Immobilienverwalter wird dadurch entlastet und kann seine Kapazitäten für wichtigere Aufgaben, wie die Entwicklung von Konzepten oder die persönliche Kundenbetreuung vor Ort, einsetzen.

Aktuell wird ja auch viel darüber spekuliert, welche Berufe in absehbarer Zeit von KI ersetzt werden könnten. Was ist Ihre Meinung dazu?

In der Kundenbetreuung werden Chatbots ja bereits eingesetzt, um FAQs zu beantworten. Erst wenn die KI nicht mehr weiterweiß, kommt ein menschlicher Kundenbetreuer oder eine menschliche Kundenbetreuerin zum Einsatz. Man könnte auch sagen, je einfacher eine Anfrage zu beantworten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese künftig komplett von einem Chatbot übernommen wird. Das heißt aber nicht, dass wir übermorgen alle von einer KI ersetzt werden. Sie wird aber sukzessive mehr und mehr Routineaufgaben übernehmen. Der Mensch wird sozusagen zum i-Tüpfelchen im gesamten Arbeitsprozess und kann sich auf genuin menschliche Skills wie Kreativität, reflektiertes Denken und Empathie fokussieren. Ich finde schon, dass dies die Art und Weise, wie wir arbeiten, bereichern kann.

Wesentlich kritischer sehe ich den Einsatz von KI im Bildungskontext. Nicht, weil Hausaufgaben und Hausarbeiten dadurch überflüssig werden könnten. Sondern weil die Gefahr besteht, dass unser Nachwuchs, von klein auf an die Kommunikation mit Chatbots gewöhnt, weniger dazu in der Lage sein könnte, kritisch und selbstreflexiv zu denken. Dieses Worst-Case-Szenario abzuwenden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nicht allein den Entwicklern von KI überlassen dürfen. Es ist die Verantwortung von uns allen, diese Technik und ihren Einsatz so zu gestalten, dass sie uns nützt, und nicht schadet.

Eckhardt, Univ.-Prof. Dr. Andreas