25.04.2019 Ausgabe: 2/19

Möglichkeiten ausloten

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den weitergehenden Reformbedarf des Wohnungseigentumsgesetzes erkannt und denkt über eine Harmonisierung mit dem Mietrecht nach.
Im Koalitionsvertrag ist die dringend erforderliche Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) verankert. Im Sommer wurde eigens eine offene Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet, um den gesamten Reformbedarf festzustellen. Unbestritten dürfte sein, dass dieser weit über die vorliegenden Diskussionsentwürfe aus dem Bundesjustizministerium und aus Bayern hinausgeht. Das zeigen nicht zuletzt jährlich knapp 260 000 Gerichtsverfahren zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht, die auf veraltete Regelungen und in vielen Bereichen herrschende Rechtsunsicherheiten zurückzuführen sind. Bereits im Frühjahr 2018 appellierten auf Initiative des DDIV bemerkenswerterweise BFW, Bundesnotarkammer, Deutscher Anwaltverein und Deutscher Mieterbund gemeinsam mit dem DDIV an die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Katarina Barley, die WEG-Reform über die Bereiche E-Mobilität und Barrierefreiheit hinaus zu betreiben, um ein zukunftsfähiges und Rechtssicherheit bietendes Gesetz zu schaffen. Lässt sich der Verbraucherschutz im Zuge einer WEG-Reform tatsächlich verbessern, und wie ist in diesem Zusammenhang die Einführung eines Sachkundenachweises für Wohnimmobilienverwalter zu beurteilen:

Staatssekretär Gerd Billen im Interview:

Herr Billen, wir freuen uns, dass Bund und Länder den über die vorliegenden Diskussionsentwürfe hinausgehenden Reformbedarf erkannt und den DDIV aufgefordert haben, weitere zu ändernde Aspekte aufzuzeigen. Auch Sie haben gegenüber dem DDIV mehrfach Ihre Bereitschaft für eine umfassende Reform geäußert. Welche Inhalte sind aus Ihrer Sicht neben E-Mobilität und baulichen Veränderungen noch reformbedürftig?
Für uns war es zunächst wichtig, unseren Blick auf das Thema zu vervollständigen. Deshalb haben wir auch Landesjustizverwaltungen, Verbände und Wissenschaft sowie die Fachkollegen aus dem Ressortkreis um ihre Einschätzung gebeten, wo sie Bedarf und Chancen einer solchen Reform sehen. Diese Rückmeldungen waren für uns ausgesprochen wertvoll.
Neben den Themen E-Mobilität und bauliche Veränderungen werden wir uns etwa die Regelungen zu Eigentümerversammlung, Verwaltungsbeirat und Verwalter sowie das spezifische Verfahrensrecht anschauen. Darüber hinaus wollen wir Möglichkeiten für eine Harmonisierung von Miet- und Wohnungseigentumsrecht ausloten und grundbuchbezogene Fragen beraten. Schließlich werden auch die Regelungserfordernisse für die Begründung der Wohnungseigentümergemeinschaft geprüft. Sie sehen also, wir haben uns ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm ­vorgenommen!

Im Zuge der WEG-Reform hat sich im Sommer 2018 eine offene Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet, die den über die Diskussionsentwürfe hinausgehenden Reformbedarf ermittelt. Wann ist hier aus Ihrer Sicht mit Ergebnissen zu rechnen?
Die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern hat im November ihre Tätigkeit aufgenommen und wird sich nun mit den genannten Themen befassen. Sie hat sich das durchaus ambitionierte Ziel gesetzt, im Spätsommer dieses Jahres ihre Ergebnisse vorzulegen. Diese Ergebnisse sollen dann die Grundlage für einen zu erarbeitenden Gesetzentwurf bilden.

Der Mieterbund führt jährlich über eine Million Rechtsberatungen durch. Denn das nicht mehr zeitgemäße und für den Verbraucher nur schwer nachzuvollziehende WEG weist zahlreiche problematische Berührungspunkte mit dem Mietrecht auf, was neben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (­BT-Drs. 18/8084) kürzlich auch die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker gegenüber DDIVaktuell (Heft 1/19) thematisierte und großes Verständnis für die vom DDIV geforderte Harmonisierung beider Gesetze zeigte. Welche Relevanz misst das BMJV diesem Schritt im Reformprozess bei?
Es ist richtig, dass zum Beispiel das Verhältnis zwischen dem Mieter und den anderen Wohnungseigentümern nicht speziell geregelt ist. Darüber hinaus bestimmten sich die Rechtsbeziehungen zwischen Mieter und Vermieter nach dem Mietrecht und die zwischen den Wohnungseigentümern nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Arbeitsgruppe wird deshalb prüfen, inwieweit es hier zu praktischen Schwierigkeiten kommt und welche Lösungsansätze in Betracht kommen.

Die Bundesregierung will mit Baukindergeld und anderen Fördermaßnahmen wie Bankbürgschaften etc. die Wohneigentumsquote erhöhen. Besteht aus Sicht des Verbraucherschutzministeriums hier hinreichender Schutz für den Verbraucher, bspw. in der Frage des „werdenden Eigentümers“?
Das Wohnungseigentumsgesetz wurde 1951 eingeführt und kann durchaus als Erfolgsgeschichte gelten. Es regelt heute die rechtlichen Grundlagen von rund neun Millionen Wohnungen in Deutschland. Mit dem jetzigen Reformprozess wollen wir es auf den aktuellen Stand bringen.
Das Rechtsinstitut des „werdenden Eigentümers“ ist schon in den 1950er-Jahren von den Gerichten entwickelt worden, um eine frühzeitige Verwaltung der Eigentümergemeinschaft zu ermöglichen. Vielleicht bietet es sich an, die werdende Gemeinschaft im Gesetz zu verankern.

Im Interview mit DDIVaktuell äußerte Elisa­beth Winkelmeier-Becker zudem, dass das Gesetz zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für Wohnimmobilienverwalter aus ihrer Sicht nicht ausreicht, um der großen Verantwortung dieses Berufsstandes gerecht zu werden. Wie beurteilt dies das BMJV?
Das Gesetz zur Einführung einer Erlaubnispflicht für die Wohnimmobilienverwalter ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber natürlich hätten wir uns hier auch mehr vorstellen können. Die freiwillige Selbstverpflichtung des DDIV, die eine Weiterbildung der Verwalter von 15 Stunden pro Jahr vorsieht, verdient daher ­Anerkennung.

Im Rahmen der Diskussion um die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei verschiedenen Gewerken sprach sich der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Sören Bartol im Sommer gegenüber dem DDIV für den Sachkundenachweis für Wohn­immobilienverwalter aus. Wie stehen Sie vor dem Hintergrund von jährlichen Schäden im dreistelligen Millionenbereich durch fehlerhafte Verwaltung zum „Gesellenbrief“ für die Verwalterbranche?
Wir haben immer wieder auf die hohen und zunehmenden Anforderungen aufmerksam gemacht, die an die Verwalter gestellt werden. Das Erfordernis eines Sachkundenachweises für Verwalter von Wohnimmobilien wäre eine Möglichkeit, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, das Thema in der laufenden Legislaturperiode erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

Fotos: © gualtiero boffi / Shutterstock.com; BMJV, Frank Nürnberger


Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland