20.10.2022 Ausgabe: 7/22

Neue Regeln

Verordnungen, mit denen die Bundesregierung der Energiekrise trotzen will

Im Zuge der massiven Energiepreissteigerungen sowie der weiterhin bestehenden Unsicherheiten der Gasversorgung in den bevorstehenden Wintermonaten hat die Bundesregierung im Schnellverfahren verschiedene Verordnungen erlassen, die der Sicherung der Energieversorgung dienen soll.

(Ersatz-)Gasbeschaffungsumlage
Bereits am 9. August 2022 ist die Verordnung über eine zeitlich befristete Gasbeschaffungsumlage für eine sichere Wärmeversorgung im Herbst und Winter in Kraft getreten. Seit 1. Oktober 2022 kommen damit auf viele der rund 20 Millionen Haushalte deutlich höhere Gaspreise zu. Die genaue Höhe der befristeten Umlage hat Trading Hub Europe als Marktgebietsverantwortlicher für den deutschen Gasmarkt am 15. August mit 2,419 ct/kWh beziffert.

Ziel der Umlage ist es, etwaige Unternehmensinsolvenzen von Gasimporteuren zu verhindern und damit Lieferausfällen vorzubeugen, somit die Versorgung für Endverbraucher und Wirtschaft zu sichern. An der Umlage wurde jedoch Kritik laut, da der Empfängerkreis dem Verordnungstext zufolge auch Versorgungsunternehmen umfasst, die nicht in existenzieller Not sind. Aufgrund dessen ist vonseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz angekündigt worden, die Verordnung zur Gasbeschaffungsumlage nachzubessern.

Maßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudesektor
Zwei der am 24. August 2022 verabschiedeten Verordnungen beinhalten kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudesektor. Beide Verordnungen basieren auf der Ermächtigungsgrundlage des § 30 Abs. 4 S. 1 Energiesicherungsgesetz (ENSiG). Die sofortige Umsetzbarkeit in die Praxis ist in vielen Punkten allerdings fraglich.

Kurzfristenergiesicherungsverordnung
Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) trat ohne erforderliche Zustimmung des Bundesrates am 1. September 2022 in Kraft und soll mit Ablauf des 28. Februar 2023 bereits wieder auslaufen. Sie beinhaltet für die kommende Heizperiode weitreichende Informationspflichten, die Gebäudeeigentümer und damit Verwaltungsunternehmen erfüllen müssen.

Relevant für Wohngebäude ist § 3 der Verordnung, wonach bestehende vertragliche Vereinbarungen, die Mieter dazu verpflichten, in Wohnräumen eine gewisse Mindesttemperatur vorzuhalten, ausgesetzt werden. 

Zu umfassender Information verpflichtet § 9, und zwar Gas- und Wärmelieferanten sowie Gebäudeeigentümer, die dem bereits bis 30. September bzw. 30. November 2022 nachzukommen haben. Gas- und Wärmelieferanten müssen demnach Energieverbrauch und -kosten der letzten Abrechnungsperiode mitteilen sowie die voraussichtlich anfallenden Kosten für die folgende Abrechnungsperiode sowie das mögliche Einsparpotenzial bei Absenkung der Raumtemperatur um im Mittel ein Grad Celsius.

In zentral geheizten Gebäuden mit eigener Heizungsanlage und mehr als zehn Wohnungen müssen Eigentümer diese Informationen bis 31. Oktober 2022 den Wohnungsnutzern übermitteln. Ferner müssen sie ihnen Kontaktinformationen und Internetadressen von Einrichtungen zur Verfügung stellen, bei denen Informationsmaterial oder Beratung zur Verbesserung der Energieeffizienz eingeholt werden kann.

Eigentümer von Gebäuden mit weniger als zehn Wohneinheiten und leitungsgebundener Gas- oder Wärmeversorgung müssen die Angaben, die sie von ihrem Gas- oder Wärmelieferanten erhalten, unverzüglich an Mieter weiterleiten.

Mittelfristenergiesicherungsverordnung
Die vom Bundeskabinett verabschiedete Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) soll ab 1. Oktober 2022 für zwei Jahre gelten und bedurfte deshalb der Zustimmung des Bundesrates. Sie regelt technische Energieeinsparmaßnahmen in Gebäuden mit Gasheizung. Darunter fallen konkrete verpflichtende Maßnahmen zur Heizungsprüfung und -optimierung. Des Weiteren regelt sie Pflichten wie zum hydraulischem Abgleich und zu anderen Maßnahmen der Heizungsoptimierung bei Gaszentralheizungssystemen. Bis 30. September 2023 sollen Heizungssysteme dieser Art in Nichtwohngebäuden sowie in Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten hydraulisch abgeglichen sein. In Wohngebäuden mit mindestens sechs Wohneinheiten hat dies bis 15. September 2024 zu erfolgen. Keine Pflicht zum hydraulischen Abgleich besteht allerdings, wenn das Heizsystem in der aktuellen Konfiguration bereits hydraulisch abgeglichen wurde oder innerhalb von sechs Monaten nach dem jeweiligen Stichtag ein Heizungstausch oder eine Wärmedämmung von mindestens 50 Prozent der wärmeübertragenden Umfassungsfläche des Gebäudes bevorsteht. Auch ausgenommen sind Gebäude, die innerhalb von sechs Monaten nach dem jeweiligen Stichtag umgenutzt oder stillgelegt werden sollen.

Schließlich verpflichtet die Verordnung auch Unternehmen mit einem Energieverbrauch ab zehn Gigawattstunden dazu, wirtschaftlich vertretbare Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen. Dazu können u. a. kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zählen wie der Austausch konventioneller Beleuchtung gegen LED oder die Optimierung technischer Systeme bzw. Arbeitsabläufe. Darunter fallen aber auch der Austausch ineffizienter Heizungspumpen oder der hydraulische Abgleich.

Vollzug beider Energieeinsparverordnungen
Auch wenn die praktische Umsetzbarkeit in weiten Teilen schwierig werden dürfte, sind die neuen Verpflichtungen bindend. Denn auf Grundlage des § 30 Abs. 4 EnSiG gilt für beide Verordnungen bei Zuwiderhandlung § 15 E nSiG. Demnach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsverordnung (wie die beiden vorliegenden) zuwiderhandelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro oder bei groben wiederholten Zuwiderhandlungen mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Albrecht-Metzger, Babette

Rechtsanwältin, Referentin Recht des VDIV Deutschland