14.10.2020 Ausgabe: 6/20

Stecker rein, und gut? Wie sich das Laden von Elektrofahrzeugen auf die Strom- und Spannungsqualität im Niederspannungsnetz auswirkt.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Elektromobilität und des zügig fortschreitenden Ausbaus der Lade­infrastruktur ist es notwendig, auch deren mögliche Auswirkungen auf die Strom- und Spannungsqualität in den Niederspannungsnetzen zu bewerten. Zahlreiche Messungen und Simulationen mit Schwerpunkt auf der verteilten Ladung von Elektrofahrzeugen an Hausanschlüssen haben gezeigt, dass es vor allem einen Einfluss auf die Unsymmetrie sowie auf die Verzerrung im Frequenzbereich kleiner zwei kHz (Harmonische) und größer zwei kHz (Supraharmonische) gibt.

Wofür die Qualität entscheidend ist
Eine angemessene Strom- und Spannungsqualität ist eine wichtige Voraussetzung für den störungsfreien Betrieb aller mit dem elektrischen Netz verbundenen Anlagen und Geräte. Beste Qualität bedeutet dabei, dass Strom und Spannung einen sinusförmigen Verlauf haben, der in allen drei Phasenleitern des Netzes gleich aussieht, also symmetrisch ist (Bild 1). Jedes Gerät, das an das elektrische Netz angeschlossen ist, beeinflusst die Strom- und Spannungsqualität und führt zu einer Veränderung der idealen Form sowie zu Unterschieden im Verlauf zwischen den drei Phasenleitern. Zu typischen Geräten im Niederspannungsnetz zählen u.  a. Haushaltsgeräte wie Fernseher, Computer etc., Solarwechselrichter oder Ladegeräte für Elektrofahrzeuge. In Folge der Ziele der Bundesregierung ist zukünftig mit einer deutlichen Erhöhung des Anteils von Elektrofahrzeugen zu rechnen, deren Ladegeräte die Strom- und Spannungsqualität signifikant beeinflussen können. Neben der Schnellladung an zentralen Ladesäulen wird auch die langsame Ladung am Hausanschluss weiterhin einen hohen Stellenwert besitzen. Um auch zukünftig die Verträglichkeit zwischen allen angeschlossen Geräten und dem Netz sicherzustellen, sind Untersuchungen zum möglichen Einfluss der Ladegeräte auf die Strom- und Spannungsqualität im Niederspannungsnetz wichtig.

Was Verzerrungen bewirken können
Derzeit verfügbare Elektrofahrzeuge sind häufig mit einem integrierten einphasigen Ladegleichrichter ausgestattet. Das bedeutet, dass selbst bei einem dreiphasigen Anschluss mittels gebräuchlicher Stecker nur einer der drei Phasenleiter verwendet wird. Ohne geeignete Maßnahmen führt dies zu einer unsymmetrischen Belastung der drei Phasenleiter und damit zu einem Anstieg der Unsymmetrie im Netz (Bild 2). Die Folge sind z. B. zusätzliche Netzverluste und damit eine weniger effiziente Nutzung des Drehstromnetzes sowie Fehlfunktionen bzw. eine schnellere Alterung von direkt angeschlossenen Motoren oder Generatoren.

Die Umwandlung der Wechselspannung des Netzes in die zur Ladung der Fahrzeugbatterie erforderliche Gleichspannung (Gleichrichtung) erfolgt mithilfe von Leistungselektronik. Die Funktionsweise dieser Ladegleichrichter führt zu einer Verzerrung des im Idealfall sinusförmigen Verlaufes von Strom und Spannung. Dabei wird zwischen Verzerrungen bei niedrigen Frequenzen (Harmonische) und Verzerrungen bei höheren Frequenzen (Supraharmonische) unterschieden (Bild 3).

Aus Gründen der Energieeffizienz und um die Auswirkungen auf die Kurvenform zu minimieren, wird in den meisten Ladegleichrichtern eine aktive Leistungsfaktorkorrektur eingesetzt. Diese Technik basiert auf einer höherfrequenten Taktung, welche zwar die Harmonischen reduziert, jedoch zu einem deutlichen Anstieg der Supraharmonischen im Frequenzbereich zwischen 2 und 150 kHz führt, für welchen bis heute noch keine normativen Emissionsgrenzwerte existieren. Der Einfluss auf die Verzerrung unterscheidet sich erheblich zwischen verschiedenen Typen von Elektrofahrzeugen und kann u.  a. zu Funktionsstörungen bzw. Ausfällen von elektronischen Geräten sowie zu deren zusätzlicher Erwärmung und damit Verkürzung ihrer Lebensdauer führen. Außerdem wird auch das Netz dadurch zusätzlich belastet, was neben erhöhten Verlusten auch eine erhöhte Erwärmung, u. a. von Transformatoren, verursachen kann. Während Harmonische sich üblicherweise im Netz ausbreiten und auch entferntere Geräte und Anlagen beeinflussen können, wirken sich Supraharmonische in der Regel auf Geräte in der unmittelbaren Nachbarschaft aus. Sind Ladegleichrichter jedoch nahe am Ortsnetztransformator angeschlossen, so ist auch eine weitere Ausbreitung und damit eine Beeinflussung weiter entfernter Geräte im Niederspannungsnetz möglich.
Schließlich sei noch erwähnt, dass eine verminderte Strom- und Spannungsqualität auch zu Fehlfunktionen an Ladegeräten von Elektrofahrzeugen selbst führen kann. In diesem Zusammenhang wurde u.  a. bereits über störende Geräusche sowie die ungewollte Abschaltung von Ladevorgängen berichtet.

Wie man Wechselwirkungen vermeidet
Eine zunehmende Durchdringung mit Elektrofahrzeugen kann zu einer deutlich erkennbaren Verminderung der Strom- und Spannungsqualität führen. Daher ist es wichtig, in allen aktuellen und zukünftigen Diskussionen zur Netzintegration von Elektrofahrzeugen sowie zu möglichen netzdienlichen Eigenschaften (z.  B. beim Lademanagement) auch die Netzverträglichkeit bzw. den Einfluss auf die Strom- und Spannungsqualität nicht zu vergessen. Die einfache Übernahme von Vorgaben für Haushaltsgeräte scheint dabei nicht zielführend, da sich Elektrofahrzeuge hinsichtlich der Ladedauer und ihrer höheren Leistungsaufnahme von „normalen“ Haushaltsgeräten deutlich unterscheiden.

Zur Reduzierung der Auswirkungen auf die Unsymmetrie sollten bevorzugt dreiphasige Ladegeräte verwendet werden. Bei einphasiger Ladung bietet sich neben einer Begrenzung des (einphasigen) Ladestroms (z.  B. durch die Steuerung der Ladesäule) auch die sorgfältige symmetrische Aufteilung der Ladepunkte auf die drei Außenleiter entweder im Rahmen der Planung (z.  B. zyklische Tauschung der Phasenleiter in dreiphasigen Ladesteckdosen) oder im Betrieb (z.  B. durch automatische Phasenwähler) an. Die zyklische Tauschung der Phasenleiter empfiehlt sich insbesondere für Ladein­frastrukturen mit mehreren Ladepunkten (z.  B. in Tiefgaragen), ist jedoch aufgrund des zufälligen Nutzerverhaltens in der verbessernden Wirkung begrenzt.

Die geeignete Begrenzung der Auswirkungen auf die Verzerrung (Harmonische, Supraharmonische) erfordert weitere Aktivitäten im Bereich der Normung sowie die konsequente Berücksichtigung netzverträglicher Designs für die Ladegleichrichter seitens der Hersteller. Um die Wechselwirkungen insbesondere im Bereich der Supraharmonischen besser zu verstehen und sachgerechte Vorschläge hinsichtlich von Grenzwerten und Ladegerätedesign zu erarbeiten, sind weitere Forschungsaktivitäten notwendig. Bereits beobachtete unerwünschte Störbeeinflussungen durch Supraharmonische (z. B. ungewollte Abschaltung der Ladung eines Elektrofahrzeuges beim Anschluss eines anderen Elektrofahrzeuges) können erfahrungsgemäß durch eine Erhöhung der elektrischen Entfernung (z.  B. durch Anschluss an weiter voneinander entfernte Ladepunkte) vermieden werden.

Schließlich sei noch erwähnt, dass bei allen Vorzügen zusätzlicher Regelungs- und Steuerungstechnik zur Reduktion der Netzrückwirkungen oder netzdienlicher Eigenschaften darauf zu achten ist, dass auch im Falle möglicher Fehlfunktion noch eine angemessene Netzverträglichkeit gewährleistet sein muss.

1. Ideale Spannung im Drehstromnetz

2. Unsymmetrische Belastung der Phasenleiter in einem Netzgebiet mit zehn Haushalten und neun einphasig ladenden Elektrofahrzeugen bei gleichmäßiger Verteilung der Ladepunkte auf die Phasenleiter


3. Beispiele für verzerrte Netzspannungen bei niederen Frequenzen (oben) und verzerrten Netzstrom bei höheren Frequenzen (unten), gemessen an verschiedenen Punkten mit angeschlossenen Elektrofahrzeugen.

Quelle dieses Beitrags ist der Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „ElmoNetQ“ (1280/2017/EVPQ1101): „Auswirkungen einer zunehmenden Durchdringung von Elektrofahrzeugen auf die Elektroenergiequalität in öffentlichen Niederspannungsnetzen“, 06/2017

Abbildungen: © TU Dresden IEEH
Foto/Abbildungen: © Martin Capek / Shutterstock.com; TU Dresden IEEH


Meyer, Dr. Jan

Leiter der Arbeitsgruppe „Power Quality“ der TU Dresden