30.04.2019 Ausgabe: 3/19

Über den Tellerrand - Die Energiewende braucht wirksamere Ansätze als bisher: Immobilien- und ­Energiebranche müssen näher zusammenrücken.

In den Köpfen ist die Energiewende bisher viel zu oft lediglich eine Stromwende. Gerade im Immobiliensektor werden die Potenziale des Wärmemarktes vielfach unterschätzt und vernachlässigt. Und das, obwohl gerade in diesem Bereich die Früchte der Effizienz vergleichsweise niedrig hängen. Der Altersdurchschnitt der Heizanlagen in deutschen Kellern dokumentiert das recht eindrucksvoll: Gut 85 Prozent sind älter als zehn Jahre. Für ihre Modernisierung fehlt es oft an den richtigen Anreizen. Die Mehrheit der Immobilieneigentümer in Deutschland sind Privatleute. Aber die für sie relevante seit Jahrzehnten diskutierte steuerliche Förderung von Maßnahmen zur Steigerung der Gebäude­effizienz bleibt in den Schubladen der ­Ministerien.

Verunsicherung im Regulierungsdickicht

Hinzu kommt: Auch wenn der grundsätzliche Weg der Energiewende hin zu mehr Klimaschutz und Reduzierung des CO2-Ausstoßes klar scheint, damit verbundene Regelungen und Details sind es nicht. Und so erscheint auch die Zukunft regulatorisch immer komplexer. Artikelgesetze mit Änderungslisten, die selbst Bundestagsabgeordnete ohne Unterstützung von Fachleuten nicht mehr nachvollziehen können, dokumentieren diese Entwicklung. Auch Verwalter und Eigentümergemeinschaften müssen wegen steigender rechtlicher Anforderungen die energetische Bewirtschaftung ihrer Objekte teils reorganisieren. Allzu oft geht es dabei um Sachthemen jenseits des eigentlichen Kerngeschäfts, die mit hohem Zeit- und Personalaufwand bearbeitet werden müssen. In solchen Situationen lohnt es sich, einen Experten mit an Bord zu holen, der durch das Dickicht der Vorschriften führt und bestimmte Aufgaben übernehmen kann – bis hin zur Entwicklung ganzheitlicher Versorgungskonzepte wie Contracting. Hinreichende Erfahrung macht sich hier durchaus bezahlt, beispielsweise bei Objekten mit Blockheizkraftwerken oder Mieterstrom. Hier sind die gesetzlichen Vorgaben für Meldungen an das zuständige Hauptzollamt sowie das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle genau einzuhalten. Falsch oder nicht ausgefüllte Meldungen können zu Strafen ­führen oder zum Ausschluss von Zuschüssen und Förderungen – womit so manche in ihrem Grundsatz sinnvolle Anlage sich u. U. nicht mehr rentiert und trotz aller Effizienz ihr wirtschaftliches ­Potenzial nicht ausschöpft.

Lösungen fürs ganze Quartier

Geht es hier vor allem um Detailfragen, liegt es in anderen Bereichen nahe, dass Immobilien- und Energiebranche näher zusammenrücken und gemeinsam größer denken: Warum bei Mieterstrom und BHKW nicht gleich das ganze Quartier mit einbeziehen? Für die GETEC ist der richtige Quartiersansatz DAS Zukunftsthema beider Branchen. Zum einen birgt es enorme zusätzliche Potenziale, etwa durch die gemeinsame Bilanzierung von CO2-Einsparungen in Bestands- und Neubauten, zum anderen erscheint es als ideale Plattform, um den Megatrend Sektorkopplung ganzheitlich im Quartier umzusetzen.

Megatrend Sektorkopplung

In verschiedenen Projekten treibt die GETEC derzeit die automatisierte Sektorkopplung im Bereich der Quartiersversorgung voran und strebt dabei die Bündelung aller Interessen innerhalb des gesamten Wertschöpfungsnetzes an. Die intelligente Kopplung der Sektoren Elektrizität, Wärme/Kälte sowie Mobilität, die den Bedarf der Quartiersbewohner decken, eröffnen neue Möglichkeiten, bisherige Einzellösungen ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu einer skalierbaren Systemlösung zu verknüpfen.
Ob der aktuell in der politischen Diskussion befindliche Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes, das teils widersprüchliche Regelungen der bisherigen EnEV, des EnEG und des Wärme-EEG auflösen und in einer Regelung zusammenführen soll, diese Entwicklung unterstützen wird, bleibt noch abzuwarten. Vielversprechend erscheint hier die sogenannte Innovationsklausel, nach der die Anforderungen des Gesetzes sich nicht auf den Primärenergiebedarf, sondern auf die Treibhausgasemissionen im Quartier beziehen.

So wünschenswert die richtigen regulatorischen Anreize natürlich sind, sie sind nicht allein ausschlaggebend für den Erfolg ganzheitlicher Quartiersansätze. Aktuelle GETEC-Projekte und Kooperationen zeigen, dass Immobilienwirtschaft und Energiebranche durch Effizienzpartnerschaften in größeren Portfolioansätzen bereits gemeinsam den Weg in die Zukunft beschreiten – zum ökonomischen und ökologischen Vorteil beider Partner.

Praxisbeispiel Quartierslösung

Die UNESCO-Welterbe-Siedlung „Weiße Stadt“ in Berlin-Reinickendorf ist ein gelungenes Beispiel für eine Symbiose aus der Bewahrung kulturellen Erbes und moderner Quartiersentwicklung. Für den Kooperationspartner Deutsche Wohnen stattete GETEC das Quartier Schritt für Schritt mit zukunftsweisender und effizienter Energieversorgung aus und entwickelte das intelligente Wohnen weiter. Schon bei der ersten Begehung des Quartiers und des zentralen Heizhauses zeigte sich viel ungenutztes Potenzial für eine effizientere Energieversorgung durch Fernwärme für Raumheizung und Warmwasser. Das ehemalige Kohlekraftwerk und das seinerzeit mit Heizöl betriebene Heizhaus wurden zunächst auf Erdgas umgestellt. Nach der folgenden technischen Sanierung des Heizhauses wurde es mit dem in der privaten Wohnungswirtschaft Berlins damals größten Blockheizkraftwerk ausgestattet. Die Umstellung auf Biomethan als Primärenergieträger für das BHKW war in Folge der gestiegenen Anforderungen an eine umweltschonende und effiziente Energieerzeugung nur folgerichtig. Um tatsächlich eine ganzheitliche Quartierslösung zu realisieren, wurden weitere Bereiche mit einbezogen: Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und Photovoltaikanlagen. Im Zuge der technischen Neuausrichtung wurden auch wesentliche Teile des dortigen Fernwärmenetzes saniert sowie eine wärmeverlustarme Betriebsweise mit modulierenden Fernwärmetemperaturen, Volumenströmen und Drücken realisiert – alles unter Beachtung des Denkmalschutzes.

Das attraktive Wohnensemble Weiße Stadt hat sich so zu einer den heutigen Ansprüchen genügenden, modernen und jungen Wohnsiedlung entwickelt. Die Kooperation zweier Akteure der Immobilien- und der Energie­branche hat sich hier bewährt.

Foto: © Twin Design / Shutterstock.com


Bosch, Ronald

Prokurist/Head of Sales smmove Deutschland GmbH www.smmove.de