14.04.2021 Ausgabe: 2/21

Über den Tellerrand hinaus - Die Sanierung von Wasser- und Feuchteschäden erfordert eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Ein Appell an alle Beteiligten, für mehr Nachhaltigkeit besser zu kooperieren.

Das statistische Bundesamt weist zum Jahresende 2019 einen bundesweiten Bestand von über 42,5 Mio. Wohnungen mit einer Eigentümerquote von 46,5 Prozent aus. Insbesondere bei den als Geldanlage erworbenen Immobilien spielt Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Manchmal wird am falschen Ende gespart. Aber selbst eine mit Umsicht gepflegte Immobilie ist nicht gefeit vor unerwartetem Wasser- oder Feuchteeintritt. Im Hochbau gehen die so verursachten Schäden alljährlich in die Milliarden, Tendenz steigend und mit oft Existenz bedrohenden Folgen für die Eigentümer. Die Versicherungswirtschaft beschäftigen Leitungswasserschäden seit nunmehr zwanzig Jahren wie kaum eine andere der Composit-Sparten. Die Combined Ratio der verbundenen Gebäudeversicherung zeigt in diesem Bereich wenig Besserung, obwohl nun schon seit Jahren intensiv gegengesteuert wird. Schadenquoten von über 100 Prozent sind für manche Versicherer immer noch die Regel und für Eigentümer bzw. ihre Verwaltung verbunden mit dem bösen Erwachen, wenn die Versicherung nach erfolgter Schadenregulierung für künftige Schäden eine hohe Selbstbeteiligung fordert, die Versicherungsprämie erhöht oder gar die Gebäudeversicherungs-Police kündigt.

Unabhängig vom Versicherungsschutz führen Wasser und Feuchtigkeit in der Gebäudekonstruktion nicht nur zu baulichen Schäden, sondern können auch die Gesundheit beeinträchtigen. Die Bildung sogenannter Schimmel- und holzzerstörender Pilze führt eindrucksvoll vor Augen, dass bei Wasser- und Feuchteschäden schnell und professionell gehandelt werden muss, um der Schadenminderungspflicht gerecht zu werden und um Folgeschäden zu vermeiden. Viel zu tun u. a. für die Fachfirmen der Brand-, Wasser-, Schadstoff- und Schimmelpilzschadensanierung, die im Fachverband Sanierung und Umwelt e. V. (FSU) organisiert sind. Die durch den Klimawandel bedingten Kumulschäden tun ihr Übriges dazu – und erfordern mitunter jederzeitige Einsatzbereitschaft der Spezialisten und Experten. Als Problemlöser stehen sie nicht nur Eigentümern und Verwaltungen zur Seite, sondern haben zugleich auch die Sicherheit ihres eigenen Personals zu gewährleisten, die Umwelt und Ressourcen zu schonen, Gesetze, Verordnungen und Richtlinien zu beachten und umzusetzen und darüber hinaus unter Einhaltung der Kostenvorgaben der Versicherungswirtschaft Schäden unter Zeitdruck bestmöglich zu beheben.

Ein diffiziles Beziehungsgeflecht
Wie geht es nun weiter mit diesem ebenso diffizilen wie von unterschiedlichen Interessen geprägten Beziehungsgeflecht von Eigentümern, Versicherungen und Sanierern? Alle Akteure werden künftig in möglichst standardisierte Abläufe eingebunden, um die erforderlichen Prozesse zu straffen. Den Weg zum digitalen Schadenmanagement haben viele Gebäudeversicherer bereits eingeschlagen. Zudem wird es im Schadenfall künftig auch um eine kooperierende Herangehensweise aller Beteiligten und eine ganzheitliche Betrachtung von Schadenfällen gehen müssen, um ein möglichst Kosten und Aufwand minimierendes Schadenmanagement zu gewährleisten. Dazu gilt es, aus der Masse der Schäden systematisch Lehren für den Einzelschaden zu ziehen: Ursachenanalysen, Bewertung von Baumaterialien, Präventionsmaßnahmen – reichlich Stoff für neue Denkansätze. Die politische Forderung nach mehr Nachhaltigkeit in der Immobilienbewirtschaftung und die steigende Zahl von Regelungen zu Schadstoffen in Gebäuden, Abdichtungsnormen etc. legen einen Paradigmenwechsel nahe. Anstelle der auf Eigenoptimierung ausgerichteten Einzelziele muss ein gemeinsames Konzept aller Beteiligter treten: Das VMS-Prinzip als Paradigma für ein modernes ganzheitliches Schadenmanagement erscheint hier als erstrebenswerter und gangbarer Ansatz. Was hat es damit auf sich?

Wasserschäden vermeiden
V steht fürs Vermeiden von Wasserschäden, das eine Vielzahl von Einzelaspekten umfasst: Schon die Standortwahl eines Gebäudes sollte Hochwassergefahren, Staunässe und Grundwasserspiegel berücksichtigen. Bei der Gebäudeplanung sollten potenzielle Schwachpunkte präventiv betrachtet werden, z. B. innenliegende Dachentwässerungen, Dachterrassen, Ausführung der Gebäudehülle, Massiv- oder Fertigbau, Warmwasser- und Heizungsanlagen im Dachgeschoss, fensterlose Bäder etc. Auch mangelnde Qualität der Materialien und der Ausführung von Bauten kann die Schadenquote erhöhen, ebenso die sich in der verbreiteten Schimmelproblematik zeigende Unkenntnis vieler Wohnungsnutzer über den sachgemäßen Umgang mit der Immobilie, verbunden mit geringem Verantwortungsbewusstsein. Bedarf es tatsächlich einer Art „Mietwohnungsführerscheins“?

In Bezug auf die Eigentümer ist vor allem die Bereitschaft zur Instandhaltung ihrer Immobilie gefordert. Eine systematische Instandhaltungsplanung beugt unnötigen Schäden vor. Für Eigentümer gibt es eindeutige Verpflichtungen und Berechnungsmodelle, die auf der Betrachtung der Nutzungsdauer von Baustoffen und Bauteilen basieren. In Bezug auf versicherte Leitungswasserschäden sind unter diesem Aspekt folgende Forderungen abzuleiten: Gebäude müssen deutlich professioneller nach ihrem Risikopotenzial bewertet werden, und entsprechend muss die Tarifierung detaillierter erfolgen, z. B. bezogen auf die Zahl und Art der Wasserentnahmestellen, die Qualität vorhandener Installationen und den Nachweis eines Instandhaltungsplans.


Schäden möglichst gering halten
M steht für Minimierung des Schadenausmaßes. Hierbei geht es darum, die Kosten und den Aufwand der Wiederherstellung möglichst gering zu halten und damit auch die Beeinträchtigung der Gebäudenutzung. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, heißt es so schön, und regelmäßige, sorgfältige Objektbegehungen helfen dabei. Unerlässlich ist der prüfende Blick nach Einzelereignissen wie Sturm oder Starkregen auf Dach oder andere exponierte bzw. schwer zugängliche Gebäudeteile. Smart Home-Konzepte bieten bereits Lösungen zur Früherkennung von Feuchteschäden. So lassen sich Flachdächer sensorisch auf Undichtigkeiten überwachen, ebenso kommunale Leitungssysteme, sodass abnorme Wasserverbräuche in nicht genutzten Gebäuden erkannt werden. Feuchtesensoren lösen Alarm aus, wenn sie eine Leckage erkennen, und unterbrechen die Wasserzufuhr, und auch Drucküberwachungen melden, wenn vornehmlich in Trinkwassersystemen Wasser unkontrolliert läuft.

Je weniger Wasser und je kürzer die Einwirkzeit, desto geringer der Schaden und der Aufwand der Wiederherstellung. Bauherrn wie Eigentümer sind gut beraten, sich bei der Schadenbewertung sowie der Planung und Durchführung des erforderlichen Instandsetzungsprozesses professioneller Unterstützung zu bedienen. Dabei sollte immer auch eine ganzheitliche Betrachtung der Schadensituation erfolgen: Was sind die notwendigsten Arbeiten? Sollen andere Arbeiten gleich mit einbezogen werden? Steht ohnehin ein Modernisierungsprozess an? Sollten wegen der Schimmelproblematik bisherige Baustoffe gegen besser geeignete ausgetauscht werden? Mit Blick auf versicherte Leitungswasserschäden lassen sich auch hier folgende Forderungen ableiten: Das Schadenmanagement sollte wesentlich aktiver ausgestaltet werden. Die Wiederherstellungsleistung sollte stärker auf die vorliegende Gesamtsituation eingehen und auf eine möglichst nachhaltige Sanierung abzielen. Das beinhaltet auch sinnvolle Aspekte eines proaktiven Schadenmanagements. Die Einbindung professioneller Kräfte zu marktüblichen Konditionen fördert die Qualität der erbrachten Leistungen hinsichtlich Ausführungs- und Materialqualität.

Den Sanierungserfolg verstetigen
S steht für Sicherstellung des Sanierungserfolges. Für Bauherrn respektive Eigentümer steht hier die detaillierte Überwachung und Überprüfung der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen im Fokus. Schwächen in der Ausführungsqualität lassen sich so am besten erkennen. Zeigen sich auch Nutzungsfehler, sollten entsprechende Unterweisungen oder Schulungen diese nachhaltig abstellen. Der verantwortungsvolle Umgang mit Gebäuden und Inventar trägt zur Nachhaltigkeit einer Sanierung bei. Ein sanierter Schaden sollte mit allen erbrachten Arbeiten in die kontinuierliche Instandhaltungsplanung aufgenommen werden, ggf. den Anfang einer solchen Planung machen. Und mit Blick auf versicherte Leitungswasserschäden leiten sich auch hier wieder Forderungen ab: Die Sanierung sollte nicht allein dem Dogma der Kostenminimierung unterstehen, sondern vielmehr nachhaltige Aspekte der Arbeits- und Materialqualität berücksichtigen. Konsequenterweise sollte die Schadens- und Sanierungshistorie in die kontinuierliche (pro-) aktive Bewertung der versicherten Immobilien einfließen. Der Dialog mit Versicherten über Erkenntnisse der systematischen Schadenursachenanalysen muss intensiviert werden. Auf besonders schadenträchtige Installationen sollte explizit hingewiesen werden. Bauherrn wie Eigentümer sollten bei all dem aktiv unterstützt und begleitet werden, wobei der Erstellung von „Notfallplänen“ deutlich mehr Augenmerk gelten sollte, um Schwachstellenanalysen zu fördern und die Reaktion im Schadenfall zu optimieren.

FAZIT
Es geht um den systemorientierten Ansatz und die Bereitschaft zum gemeinsamen Erkennen der Zusammenhänge und zum ganzheitlichen Denken. Wenn alle Akteure besser miteinander ins Gespräch kommen, lassen sich Schadenursachen besser erforschen und künftig vermeiden. Hier sind die größeren Marktteilnehmer der Immobilienverwaltungen, Versicherungen und der Sanierungsunternehmen bzw. ihre Verbände gefordert, entsprechende Strukturen zu schaffen.


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Baumann, Dr. Ernst J.

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