18.01.2021 Ausgabe: 8/20

Um Ansprüche von Miteigentümern ging es diesmal vor dem BGH – auf Rückzahlung nachgeforderter Gelder einer angefochtenen Jahresabrechnung und die Herstellung ausreichenden Trittschallschutzes.

ZUM VORRANG DER JAHRESABRECHNUNG
(BGH, Urteil vom 10.7.2020 – Az. V ZR 178/19)

DAS THEMA
Während eines rechtshängigen Beschlussanfechtungsverfahrens bezahlte der Kläger eine angemahnte ausstehende Abrechnungsspitze auf Grundlage der angefochtenen Jahresabrechnung. Nachdem diese hinsichtlich der Kostenverteilung der Position „Dachsanierung“ für ungültig erklärt wurde, forderte der Kläger die bezahlte Summe zurück. Ob der Kläger hierauf einen Anspruch hat, entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH) in vorliegendem Urteil.

DER FALL
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 23. August 2012 wurde ein Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2011 gefasst. Die Einzelabrechnung des Klägers enthält einen Anteil an der Position „Dachsanierung“ von 2.440 Euro und endet mit einer Nachzahlung von 1.434,86 Euro. Bezogen auf die Kostenverteilung der Dachsanierung erhob der Kläger Anfechtungsklage. Während des laufenden Anfechtungsverfahrens mahnte ihn die Gemeinschaft wegen der ausstehenden Zahlung der Abrechnungsspitze, worauf der Kläger zahlte. Danach erklärte das Amtsgericht (AG) im Beschlussanfechtungsverfahren 2014 den Beschluss über die Jahresabrechnung hinsichtlich der Kostenverteilung der Position „Dachsanierung“ in den Einzelabrechnungen für ungültig.

Der Kläger hat von der Beklagten u. a. Rückzahlung der Abrechnungsspitze i. H. v. 1.434,86 Euro verlangt. Das AG München hat die Klage abgewiesen und das Landgericht (LG) ihr stattgegeben.

Die vom LG zugelassene Revision hatte weitgehend Erfolg: Das landgerichtliche Urteil ist insoweit aufgehoben worden, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger u. a. 1.434,86 Euro nebst (bestimmter) Zinsen zu zahlen; im Umfang der Aufhebung ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG München zurückgewiesen worden.

Der BGH stellt fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der Abrechnungsspitze i. H. v. 1.434,86 Euro zusteht. Seine Begründung lautet wie folgt: Es ist ständige Rechtsprechung, dass ein Beschluss mit Wirkung ex tunc (also von Beginn an) als ungültig anzusehen ist, nachdem er rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Auch die Tatsache, dass sich Einzelabrechnungen einer Jahresabrechnung, die in einem Beschlussanfechtungsverfahren für ungültig erklärt werden, zwangsläufig auch auf die in den Einzelabrechnungen ausgewiesenen (positiven oder negativen) Abrechnungsspitzen erstrecken, bejaht der BGH und stellt fest, es komme nicht darauf an, dass dies explizit im Urteilstenor erwähnt wird.

Eine Rückzahlung der bereits gezahlten Abrechnungsspitze im Rahmen eines Bereicherungsausgleichs (Rückerstattung bei Leistung ohne Rechtsgrund) lehnt der BGH jedoch ab und begründet dies mit dem nicht unumstrittenen „Vorrang der Jahresabrechnung“:

Zunächst fließt in die Abrechnungsspitze nicht nur die Einzelposition ein. Da die Jahresabrechnung der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten dient, sind als Einnahmen die mit dem Wirtschaftsplan beschlossenen und weiterhin gemäß § 28 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geschuldeten (Soll-) Vorauszahlungen anzusetzen. Diese werden verrechnet mit den Ausgaben, also der (bislang fehlerhaft verteilten) Einzelposition sowie allen übrigen Positionen, mit denen die tatsächlich entstandenen Lasten und Kosten anteilig auf die einzelnen Wohnungseigentümer umgelegt werden. Hinsichtlich dieser übrigen Ausgabenpositionen wird der gefasste Beschluss im Fall einer Teilanfechtung bestandskräftig.

Nach dem Verhältnis der auf diese Weise ermittelten Einnahmen und Ausgaben bestimmt sich, ob die jeweilige Einzelabrechnung mit einer negativen oder positiven Abrechnungsspitze (Nachzahlung bzw. Guthaben) endet. Hat der Wohnungseigentümer nicht – wie hier – eine Nachzahlung geleistet, sondern eine Erstattung erhalten, weil die nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten Vorauszahlungen zu hoch angesetzt waren, stünde ein Bereicherungsanspruch folglich nicht ihm, sondern der Gemeinschaft zu. Der Bereicherungsausgleich eignet sich daher laut BGH schon deshalb nicht dazu, das von dem Berufungsgericht verfolgte Ziel, dem erfolgreichen Anfechtungskläger einen sofortigen Zahlungsanspruch zu verschaffen, zu erreichen. Dies hinge nämlich von dem eher zufälligen Umstand ab, dass die Abrechnungsspitze negativ ist; darüber hinaus würde der Anteil an der beanstandeten Einzelposition nur teilweise erstattet, wenn die negative Abrechnungsspitze – wie hier – niedriger ausfiel.

Zudem hätte ein solcher Ausgleich nicht nur im Verhältnis zu dem Anfechtungskläger, sondern im Verhältnis zu allen Wohnungseigentümern stattzufinden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft müsste folgerichtig alle negativen Abrechnungsspitzen erstatten und könnte ihrerseits ausgekehrte Guthaben zurückfordern. Folge wäre eine „Fülle von Einzelkondiktionen“ (also einer Fülle einzelner Zahlungsvorgänge, basierend auf dem Bereicherungsausgleich), die aber nichts daran ändern könnte, dass es an der zutreffenden Verteilung der Kosten der für ungültig erklärten Einzelposition fehlt. Behoben werden muss das Problem deshalb da, wo es entstanden ist, nämlich im Weg einer fehlerfreien Abrechnung über die gerichtlich beanstandete Einzelposition.

Die erforderliche Korrektur kann ohne Weiteres über das Abrechnungssystem der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgen. Ausgangspunkt ist hier nicht eine „Rückzahlung“, sondern eine fehlerfreie Abrechnung für das betroffene Abrechnungsjahr.

Die auf die Einzelposition bezogene interne Kostenverteilung lässt sich nur im Weg der ergänzenden Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2011 ändern. Die Kosten für die Einzelposition „Dachsanierung“ müssen fehlerfrei verteilt werden, indem der darauf bezogene unselbstständige Rechnungsposten verändert und die Abrechnungsspitze unter Einbeziehung der (Soll-) Vorauszahlungen sowie der bestandskräftigen Ausgabenpositionen neu errechnet wird. Das Ergebnis muss mit den auf die fehlerhafte Jahresabrechnung 2011 geleisteten Zahlungen bzw. Erstattungen verrechnet werden.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich weitergehend, dass die Jahresabrechnung gemäß § 28 Abs. 3 WEG allgemein Vorrang genießen muss. Wird die Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt, können einzelne Wohnungseigentümer nicht die Rückzahlung der Abrechnungsspitze im Weg eines Bereicherungsausgleichs beanspruchen; vielmehr steht ihnen ein Anspruch gegen den Verwalter auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr zu, und von den übrigen Wohnungseigentümern können sie die Beschlussfassung hierüber verlangen. Dadurch wird der Rechtschutz der einzelnen Wohnungseigentümer gewährleistet.

Verwalter­strategie
Der BGH hat mit diesem Urteil den sog. „Vorrang der Jahresabrechnung“ bestätigt. Wird also die Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt, können einzelne Wohnungseigentümer nicht die Rückzahlung der Abrechnungsspitze im Weg eines Bereicherungsausgleichs beanspruchen. Ihnen steht jedoch ein Anspruch gegen den Verwalter auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr zu, und von den übrigen Wohnungseigentümern können sie die Beschlussfassung hierüber verlangen. Dieser „Vorrang der Jahresabrechnung“ gilt auch dann, wenn zwischen der Zahlung und der erneuten Beschlussfassung ein Eigentumswechsel stattfindet.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.