26.04.2019 Ausgabe: 2/19

… und wir machen es trotzdem! Die virtuelle Eigentümerversammlung: wegen des scheinbar unüberwindbaren Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit eigentlich ein Unding.

Für so manchen Verwalter taugt es zum Unwort des Jahrzehnts: „Digitalisierung“, mit deren Vor- und Nachteilen wir uns alle beschäftigen, während sich die Aussteller einschlägiger Fachmessen mit Angeboten überschlagen, die uns das digitale Zeitalter schmackhaft machen sollen – vom Dokumentenarchiv bis zum virtuellen Concierge.
Im Wohnungseigentumsgesetz ist dafür allerdings wenig Raum. Das zeigten unter anderem auch die Ausführungen der juristisch gelehrten Anwesenden beim 44. Fachgespräch WEG 2018 in Fischen, wo unterschiedliche Aspekte einer WEG-Reform betrachtet und diskutiert wurden. Unüberwindbar erscheint der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung, wenn es um die Frage der Ordnungsmäßigkeit einer Online-Eigentümerversammlung geht.
So viel zur Theorie, nun zur Praxis: Ende des Jahres 2018 erhielten wir die Information, dass sich die Kosten einer Position im Wirtschaftsplan einer von uns betreuten WEG kurzfristig deutlich erhöhen. Dies zwang uns, kurz vor Weihnachten noch schnell eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen, um die nötige Liquidität ab Januar 2019 sicherzustellen. Wegen der überschaubaren Größe der WEG lag es nahe, in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat hier den ersten Versuch einer Online-Eigentümerversammlung zu starten.

Kurzfristig und möglichst bequem

Letztlich ging es darum, die kurze Versammlung für alle Beteiligten möglichst bequem zu gestalten. Mithilfe von Doodle.com haben wir zunächst ein Meinungsbild erstellt, ob alle Eigentümer mit dem „Experiment“ einverstanden sind. Es wurde ausschließlich befürwortet, sodass wir das Projekt angehen konnten: Als geeignetes Tool wurde GoToMeeting ausgewählt, da hier sowohl von einer guten Video- als auch Sprachqualität auszugehen war. Um juristisch auf der sicheren Seite zu sein, zogen wir den Berliner Rechtsanwalt Volker Grundmann zurate. An der Einladung für diese Form der Eigentümerversammlung gab es wenig zu ändern – eingefügt wurde ein Hinweis auf mögliche Anfechtungsrisiken. Zur Sicherheit haben wir allerdings von vornherein um die Überlassung einer Stimmrechtsvollmacht gebeten, um die Stimmabgabe formal richtig gestalten zu können. Im Zweifel hätte die Online-Zuschaltung nur der Willensbildung gedient.
Zwei Tage vor dem eigentlichen Termin haben wir interessierte Eigentümer zur Generalprobe eingeladen, auch um die Akzeptanz dieses Vorgehens für die Zukunft zu erhöhen. Und doch war Tag X dann etwas aufregender als normalerweise – umso größer aber auch die Erleichterung, als tatsächlich alle Teilnehmer auf dem großen Fernsehbildschirm in unserem Besprechungsraum sicht- und hörbar erschienen, nachdem sie sich über ihre Rechner eingewählt hatten. Ohne Weiteres kam es zum Meinungsaustausch über die Plattform: Das Sachthema ließ sich inhaltlich in Ruhe erörtern, selbst Unterlagen, Angebote, Zahlen und Diagramme, die jedem Eigentümer auf dem eigenen Rechner vorlagen, wurden via Übertragungsbildschirm für alle sichtbar.

Eindeutiges Ergebnis, keine Anfechtung

Die Abstimmung erfolgte einheitlich, und alle Eigentümer waren froh, das Thema auf diese Weise so schnell erledigt zu haben – übrigens ohne eine einzige Anfechtung, dafür aber mit deutlicher Bereitschaft, sich für kurze Versammlungen zukünftig wieder online einzufinden. Dafür gibt es sicherlich noch das ein oder andere zu bedenken. Wir aber sind stolz, den ersten Schritt gemacht zu haben – wir haben es einfach probiert!

Foto: Tatiana Shepeleva / Shutterstock.com, Nr. 638342005


Schneider, J. Bernd

Der Geschäftsführer der Stadt-Art Hausverwaltungsgesellschaft mbH ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VDIV Berlin-Brandenburg.