30.04.2019 Ausgabe: 3/19

Was tun? - Die Verkehrswende kommt, aber wie? Und worauf soll sich die Immobilienbranche einstellen?

So viel ist sicher: Es muss sich etwas tun auf unseren Straßen. Insbesondere in den Städten wird die Luft immer dicker – gerade dort aber hat die E-Mobilität es besonders schwer, sich durchzusetzen: Denn wo soll ich mein Fahrzeug aufladen? Ladestationen fehlen vor allem an privaten Dauerstellplätzen. Die Wohnungswirtschaft sieht sich deshalb zumindest mit dem Ausbau privater Ladeinfrastruktur konfrontiert. Aber ist es denn richtig, alles auf eine Karte zu setzen? Das kann man sich selbst fragen, besser aber jemanden, der wirklich etwas davon versteht. Letztlich ist ja die Autoindustrie selbst ein nicht unmaßgeblicher Faktor für die Verbreitung der E-Mobilität. Wo stehen wir, was kommt: Axel Kaltwasser, Referent für Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei der BMW Group, im Interview:

Herr Kaltwasser, wo steht Deutschland im internationalen Vergleich beim Umstieg von konventioneller auf die Elektromobilität?

Im internationalen Vergleich führt China den Markt für Elektromobilität an. Gemessen an den absoluten Zulassungszahlen belegt Europa derzeit nach den USA den dritten Rang. Von den circa 42 Millionen Neuzulassungen im Europa der 28 im Jahr 2018 entfielen im Durchschnitt circa zwei Prozent auf elek­trifizierte Fahrzeuge. Darunter verstanden werden vollelektrische Fahrzeuge, kurz: BEV für Battery Electric Vehicle, und teilelektrische Fahrzeuge, kurz: PHEV für Plug-In-Hybrid Electric Vehicle.

In Deutschland lagen die Neuzulassungen von BEV und PHEV zusammen 2018 ebenfalls bei circa zwei Prozent der Gesamtzulassungen. In absoluten Zahlen waren in Deutschland per Dezember 2018 circa 155 000 elektrifizierte Fahrzeuge auf den Straßen.

Wie hat sich die Nachfrage nach BMW eDrive Modellen in den letzten Jahren entwickelt?

BMW ist bereits seit drei Jahren Marktführer bei ­elektrifizierten Fahrzeugen in Deutschland und Europa. Die Nachfrage entwickelt sich weiter positiv, und wir haben im Vergleich zum Wettbewerb mit aktuell neun Modellen über alle Fahrzeugklassen hinweg das breiteste Produktangebot. Bis 2025 erwarten wir, dass dann bis zu 25 Prozent unserer weltweit ­verkauften ­Fahrzeuge elektrisch sind.

Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen, liegt bekanntlich in weiter Ferne. Woran liegt das aus Ihrer Sicht: Sind die Pläne zu ehrgeizig, oder muss sich hierzulande etwas ändern?

Die Erfahrung der breiten Bevölkerung mit Elek­trofahrzeugen ist noch sehr gering. Gleichzeitig hat Elektromobilität Besonderheiten, zum Beispiel das Laden statt Tanken und die gegenüber klassischen Benzin- oder Dieselfahrzeugen geringere Reichweite. Beide Themen sind stark mit Vorurteilen aus der Anfangszeit der Elektromobilität behaftet. Die enormen Verbesserungen der letzten Jahre sind vielen Menschen noch nicht präsent. Auch die Erkenntnis, dass Elektrofahrzeuge heute in vielen Fällen in der Summe aus Anschaffung, Unterhalt und Wiederverkaufswert bereits günstiger als vergleichbare, traditionelle Fahr­zeugen sind, hat sich noch nicht durchgesetzt.


Vielfach unbekannt ist auch, dass gerade für Ein-Auto-Haushalte die immer zahlreicheren Plug-In-Hybride ideal sind, also Fahrzeuge mit einem Elektromotor für das Fahren in der Stadt oder den Weg zur Arbeit und einem zusätzlichem Verbrennungsmotor für weite Strecken.


Wir brauchen also verstärkt aufklärende ­Kommunikation, die Fortführung von Kauf­anreizen und einen weiteren, massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur, der sich an der steigenden Zahl der E-Fahrzeuge orientieren muss, vor allem dort, wo sie gerne geparkt werden.

Insbesondere in den Städten gestaltet es sich schwierig, potenzielle Käufer für E-Automobile zu begeistern. Es fehlt an privaten Ladestationen, und die öffentlichen erweisen sich als wenig praktikabel. Wie sähe ein Ausweg aus diesem Dilemma aus?

Gerade in den Städten und dort im Bereich der Mehrfamilienhäuser, ob nun Eigentum oder Miete, fehlt es noch an gesetzlichen ­Rahmenbedingungen für die einfache Installation von Ladestationen. Aber nur so können wir von denjenigen, die nicht über eine eigene Lademöglichkeit an ihrem Eigenheim oder der Arbeitsstätte verfügen, eine Entscheidung für die Elektromobilität erwarten. Die hierzu auf Bundesebene aktuell geführten Abstimmungen müssen schnell wirksam ­werden.

Auch im Bereich der Immobilienwirtschaft sehen wir Handlungsbedarf. Aus unserer Sicht ist das Beratungspotenzial zum Einbau von Ladeinfrastruktur noch nicht ausgeschöpft. Denken Sie an intel­ligente Mehrplatz-Ladesysteme, die helfen, die Gesamtkosten für pro Immobilie für die erforderlichen Netzanschlüsse gering zu halten. ­Hierfür sind wir mit unserem neuen Geschäftsfeld „Digital Energy Solutions“ auch selbst aktiv ­geworden.

Im Bereich der öffentlichen Ladeinfrastruktur ist aus unserer Sicht eine bessere Zusammenarbeit zwischen lokalen Betreibern von Ladeinfrastruktur und übergreifenden Ladeservice-Anbietern sinnvoll. Nur wenn Kunden einfachen Zugang zu Ladepunkten haben und die Ladevorgänge kundenbezogen abgerechnet werden können, wird Laden als so einfach wie Tanken ­wahrgenommen werden.

Ist die E-Mobilität vor diesem Hintergrund wirklich eine probate Lösung für die Herbeiführung der Verkehrswende – oder vielleicht doch eine Übergangstechnologie?

Wir brauchen die Elektromobilität zur Erfüllung der Klimaziele in Bezug auf den CO2-Ausstoß. Aus Sicht der BMW Group sind im Bereich der Personenkraftwagen BEV und PHEV dafür am besten geeignet. In anderen Mobilitätssektoren, zum Beispiel im Schwerlast- oder Fernbusverkehr oder auch in der Schifffahrt, können auch Brennstoffzellenantriebe ihren Beitrag leisten. Welches das am besten geeignete Antriebskonzept ist, entscheidet individuell der jeweilige Mobilitätsbedarf.
Wir sehen die Elektromobilität daher als wesentlichen Bestandteil der Verkehrswende. Aber nicht nur das – aus unserer Sicht müssen Energie- und Verkehrswende ganzheitlich gedacht werden, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu können. Die Elektromobilität bietet viele Chancen, gerade auch in Kombination mit erneuerbaren Energien. Sie ist damit Teil der Lösung.

Wie nachhaltig ist E-Mobilität wirklich? Lässt sich zur Öko-Bilanz der heute gängigen Batteriespeicher etwas sagen?

Inzwischen mehren sich die Studien, die Elektromobilen einen Vorteil gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen attestieren, auch wenn die Batteriespeicher in der Produktion zunächst eine höhere CO2-Emission mit sich bringen und nicht alle Fahrzeuge immer mit Grünstrom betrieben werden. Unabhängig davon müssen BMW Elektrofahrzeuge immer erst unternehmensintern unter Beweis stellen, dass sie in der Summe aus Rohstoffbeschaffung, Produktion, Nutzungsphase und Recycling eine substantiell bessere CO2-Bilanz aufweisen als vergleichbare konventionelle Modelle. Darüber hinaus verbessern wir die schon gute Bilanz weiter, indem unsere Fahrzeugbatterien nach dem Einsatz im Auto noch für viele weitere Jahre als Stationärspeicher eingesetzt werden können.

Welche Argumente sprechen für die E-Mobilität, und welche Perspektiven sehen Sie für alternative Antriebe durch Solarenergie, synthetische Kraftstoffe, Hybride etc.?

Elektromobilität ist ein wesentlicher Teil der Lösung unserer CO2-bezogenen Klimaziele. Hinzu kommen die lokalen Vorteile des emissionsfreien Fahrens: Insbesondere auf den städtischen Straßen wird der Verkehr sauberer und leiser. Dort steigt die Lebensqualität. Dennoch sollten wir technologieoffen bleiben. Für jeden Sektor, also Straße, Wasser, Luft, und für jeden Mobilitätsbedarf, ob öffentlich, Individual- oder Gütertransport, gibt es eigene optimale Antriebstechnologien, und diese sollten dann auch für den jeweiligen Zweck eingesetzt werden. Wir glauben nicht, dass es die eine Universallösung für alles geben wird.

Derzeit konkurrieren eine Reihe unterschiedlichster Lade- und Abrechnungssysteme auf dem Markt. Ihre Einschätzung: Wird sich der Markt in absehbarer Zeit bereinigen?

Aus unserer Sicht muss Elektromobilität für Kunden möglichst einfach werden. Was die Kreditkarte fürs Shopping ist, taugt gut als Benchmark für den Ladevorgang. Mit unserem eigenen Angebot „ChargeNow“, dem weltweit größten Zusammenschluss von öffentlich zugänglichen Ladepunkten mit nur einer Kundenkarte, sind wir dem schon sehr nahe.

Und woran orientiere ich mich, wenn ich heute mit dem Gedanken spiele, den Parkplatz/die Tiefgarage eines Mehrparteienhauses mit Ladestationen auszurüsten, wofür in der Regel die gesamte Elektrik grundlegend erneuert werden muss?

Die Kollegen von „Digital Energy Solutions“, einem Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Viessmann, freuen sich auf Ihren Anruf. Die haben schon viele Neu- und Bestandsbauten für das Zeitalter der Elektromobilität fit gemacht.

Foto: © Elektronik-Zeit / Shutterstock.com


Kaltwasser, Axel

In der Konzernkommunikation der BMW Group zuständig für die Steuerung der Bereiche Politik und Außenbeziehungen sowie Nach­haltigkeit.