22.04.2022 Ausgabe: 3/22

Wege finden - Ist die Wohnungswirtschaft bei der angestrebten Klimaneutralität im Gebäudebestand der Elefant im Raum?

Der Klimawandel und die daraus resultierende Zer­störung der Umwelt ist eine der größten Bedrohungen für den Menschen. Um dieser Bedrohung zu begegnen, hat die Europäi­sche Union den „Green Deal“ ins Leben gerufen. Im Fokus steht der Übergang zu einer modernen, res-sourceneffizienten und wettbe­werbsfähigen Wirtschaft. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Netto-Treibhausgasemissionen im Ver­gleich zum Stand von 1990 um mindestens 55 Prozent zu redu­zieren. Bis 2050 strebt die EU es an, Europa zum ersten CO2-neutralen Kontinent zu entwi­ckeln. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum soll dabei von der Art und Weise der Ressourcennut-zung abgekoppelt werden. Um die ambitionierten Vorgaben des Green Deal zu erreichen, kön­nen und müssen unterschiedli­che Hebel angesetzt werden – ob in der Landwirtschaft, in der Industrie, im Finanzwesen, in Verkehrs- und Mobilitätsfragen oder im Immobilien- und Ener­giesektor. Dabei ist es vor allem letzterer, in dem ein riesiges Einspar- und Optimierungspotenzial schlummert.

Viele Wege führen nach Rom, der schnellste führt über die Wohnimmobilienwirtschaft.
Neben der Gewährleistung einer sicheren, auf regenerativen Quel­len beruhenden Energieversor­gung zu überschaubaren Kosten ist es vor allem die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz aller Gebäude – ob kommerziell oder wohnwirtschaftlich genutzt –, die es zur Erreichung der Kli-maschutzziele anzupacken gilt. Doch während die Gewerbeim-mobilienwirtschaft den Weckruf zur Umsetzung von Dekarbonisierungsmaßnahmen bereits vernommen hat und aktiv wird, scheint die Wohnungswirtschaft noch verhalten zu reagieren. Woher aber rührt deren Zurück­haltung? Was können Wohnbestandshalter, Genossenschaften und Hausverwalter von ihren Kol­legen aus der gewerblichen Real-Estate-Branche lernen? Welche Maßnahmen sind übertragbar? Oft sind es simple erste Schritte, die den Prozess gen Klimaneut­ralität starten: angefangen beim Bezug von „grünem“ Strom und Gas über die Digitalisierung der Zählerstände durch Smart- und Sub-Metering bis hin zur gängi­gen Verbrauchsoptimierung. Ein anschließendes Screening auf Objektebene hilft Eigentümern und/oder Verwaltungen, ökologi­sche Schwachstellen zu identifi­zieren. Dass dabei das Screening in den meisten Fällen auch als Basis zur Einsparung von Kosten dient, ist vielen Entscheidungsträ­gern oft nicht bewusst.

Wann, wenn nicht jetzt? Energiepreise vergleichen und sichern
Die Kurve der Energiepreise kennt in Deutschland seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Sie sind in den letzten beiden Jahren der­artig stark angestiegen, dass in einigen Bevölkerungsschichten mitunter von Energiearmut die Rede ist. Die Abhängigkeit von wenigen Ländern, die als Lieferan­ten dienen, sowie die allgemein erhöhte Nachfrage auf dem Welt­markt werden diese Entwicklung in Zukunft weiter verschärfen. Einen Vorteil aber hat die gegen­wärtige Situation: Die hohen Ener­giekosten sorgen für einen hohen Transparenzgrad beim Energie­einkauf. Aufgrund dieser beiden Faktoren – hohe Preise und hohe Transparenz – ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Energieversorgung für Wohnimmobilien grundle­gend auf den Prüfstand zu stellen. Es lohnt sich beispielsweise, jetzt den Bezug von Energie langfristig abzusichern, um nicht von künf­tigen Preisanstiegen überrascht zu werden und aktiv die nächs­ten Schritte in Richtung nach­haltige Zukunft zu gehen. Wer es versäumt, seine Wohnbestände klimagerecht auszurichten, den wird die politische Regulatorik schneller einholen als ihm lieb ist. Denn das steigende Bedürfnis nach Nachhaltigkeit macht auch vor der Assetklasse Wohnen nicht Halt.

Henke, Tasssilo

Vertriebsleiter Wohnungs­wirtschaft der Westbridge Advisory GmbH www.westbridge-advisory.com