07.09.2022 Ausgabe: 6/22

Wenn Gas- und Strompreise explodieren

Was beim Abschluss von Energielieferverträgen in der WEG-Verwaltung zu beachten ist

Solaranlagen für den Balkon, Brennholz und Heizlüfter steigen vor dem Hintergrund poli­tischer Statements der Regierung dieser Tage in der Gunst der Konsumenten. Die verstärk­te Nachfrage hat ihren Grund: Viele Menschen in Deutschland fürchten, dass sie im Winter in ihren Woh­nungen frieren müssen. Die Situation auf dem Energie­markt ist derzeit mehr als angespannt, die Preise gehen durch die Decke, wir befinden uns in einer Gasmangel-lage. Die Angst vor dem winterlichen Super-GAU lässt auch Spitzenpolitiker nicht kalt: Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck prog­nostiziert einen Wirtschaftseinbruch in Deutschland durch Energieknappheit, und der Bayerische Minister­präsident Markus Söder fordert einen Stresstest für die Gasversorgung. Der Betrieb von Kohlekraftwerken und Laufzeitverlängerungen für deutsche Atomkraftwerke stehen wieder zur Diskussion – wobei letztere höchs­tens ein Prozent des Erdgases ersetzen könnten. Der Notfallplan Gas als sicherndes Instrument?

Der Energiemarkt im Wandel

Die Liberalisierung der Energiewirtschaft hat grund­legende Veränderungen nach sich gezogen. Es entwickelte sich ein neuer, transparenter Wettbewerbermarkt. Jeder Ver­sorger konnte plötzlich überall Angebote abge­ben, Vertragslaufzeiten waren frei wählbar und Preisfestschreibungen sowie Mengenflexibili­tät möglich. Zudem ist durch den Handel an der Energiebörse Euro-pean Energy Exchange (EEX) in Leipzig ein höheres Transparenz-Level entstanden. Auf  dieser Basis wurden fortan Verträge geschlossen. Ener­gieeinkauf ohne Knappheit und supersimpel. Dass sich die Anforderungen an den Markt – Stichwort: Ener­giewende – und die Preise über die Jahre nach oben entwickeln sollten, war nicht überraschend und die Dy­namik bekannt. Doch dass die Preise innerhalb kurzer Zeit derart hochschnellen, trotz zwischenzeitlicher Ver­günstigung durch die Coronapandemie, hat die Wirt­schaft sowie ihre Expertinnen und Experten unerwartet getroffen. Eine Verteuerung um mehrere hundert Pro­zent seit 2020 ist Realität. Insbesondere die kurzfristige Erdgasbeschaffung wird durch hohe Risikoaufschläge belastet, Energieversorger und -händler müssen aktuell in sehr viel größerem Ausmaß Ausfallrisiken einkalku­lieren und an den Markt weitergeben. Hierbei wirkt der Ukrainekrieg als Katalysator für den Flächenbrand.

Wir befinden uns seit geraumer Zeit in einer von Kli-maschutzzielen geprägten Energiewende. Das Ziel: fossile Brennstoffe gänzlich abschaffen, regenerative Energieträger ausbauen. Doch die Alternativen zum Erdgas waren bislang unattraktiv, und die Innovations-kraft alternativer Energieträger wurde gehemmt. Ein kleiner Schritt wurde nun aber getan: Der Bundestag beschloss Anfang Juli 2022 ein umfangreiches Geset­zespaket für den schnelleren Ausbau der Ökostromge-winnung aus Wind und Sonne. Bis 2030 soll dadurch der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Gesamtverbrauch auf mindestens 80 Pro­zent steigen. Derzeit liegt er knapp unter 50 Prozent.

Volatilität und unsichere Zeiten

Fakt ist, wir leben gerade in einer angespannten Zwi­schensituation. Vor allem für WEG-Verwaltungen ist es daher wichtig, einen professionellen Partner an ihrer Seite zu wissen, der ihnen und ihren Kunden hilft, die herausfordernde Situation zu meistern. Denn die Volatilität des Marktes ist derzeit so hoch, dass jede Vertragsentscheidung abgesichert und unbedingt begründet werden sollte – schon wegen der zu er­wartenden Mehrkosten. Einfach den schon immer da­gewesenen lokalen Energieanbieter zu beauftragen, reicht nicht mehr aus. Denn was Verwaltungen unter dem Stichwort Energiearmut im Blick behalten sollten, ist nicht nur die aktuell tatsächlich fehlende Energie, sondern auch die Tatsache, dass sich Teile der Be­völkerung eine heiße Dusche de facto bald gar nicht mehr leisten können. Somit sind Aufrufe zum Energie­sparen aus Regierungskreisen für viele Verbraucher im Alltag ohnehin schon längst zur zwingenden Realität geworden. Der Deutsche Mieterbund ist um Millionen Haushalte in ganz Deutschland besorgt: Viele Men­schen, insbesondere Rentner mit wenig Geld, könnten wegen der hohen Preise in finanzielle Not geraten. Dem kann auch keine gut gemeinte Energiepauschale entgegenwirken. Es zeigt sich somit deutlich, dass Ver­walterinnen und Verwalter aktuell noch stärker in der Verantwortung sind, die ihnen anvertrauten Objekte transparent und aktiv zu managen.

Handlungsempfehlung für WEG-Verwaltungen

Unabhängig von der Marktsituation und den Laufzei­ten von Vertragsvereinbarungen sollten Verwaltungen Transparenz schaffen. Dazu gilt es, den Bestand in seiner Struktur zu erfassen und zu analysieren. So ist man jederzeit a) handlungsfähig und b) auskunftsfähig gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern. Das sollte das oberste Ziel sein. Auch mit Blick auf die Zukunft lohnt es sich außerdem, zu prüfen, inwieweit Unter­nehmen auf CO2-neutralen Energiebezug umstellen können. Durch hochwertige CO2-Zertifikate kann die Anforderung zur CO2-Neutralität von Gasheizungen erreicht werden. 

Was beim Versorger-Check im Vorfeld besonders zu berücksichtigen ist: Bonität vor günstigerem Preis. Vie­le Billiganbieter am Energiemarkt sind bereits insolvent. Ein professioneller Dienstleister mit Weitblick wird zuverlässige Anbieter vermitteln, die fundierte Zahlen lie­fern, und zugleich prüfen, welche Laufzeiten individuell zu empfehlen sind. Dabei gilt auch bei aufgeheizter Marktlage: Finger weg von hoch riskanten Modellen mit kurzfristigem Einkauf und flexibler Preisgestaltung! Das Risiko liegt hier allein auf Käuferseite. Ferner ist es sinnvoll, frühzeitige Vertragsverlängerungen ins Auge zu fassen, um Planungssicherheit zu bekommen, die auch das Ergebnis der Arbeit eines externen Dienst-leisters darstellt. Ansonsten gilt: Mengenflexibilität ist weiterhin möglich (zehn Prozent sind realistisch), und Grundgebühren sollten weiterhin vermieden werden.

Auch noch wichtig: Aktuell befinden wir uns in der un­gewöhnlichen und teils auch politisch gewollten Situ­ation, dass die Grundversorgung preisgünstiger ist als das tagesaktuelle Angebot. Dennoch sollte die Grund­versorgung nur kurzfristige Alternative und niemals Dauerlösung sein, da auch sie von künftigen Marktent­wicklungen abhängig ist, sodass langfristige Bindungen früher oder später in eine Sackgasse führen werden. Zu empfehlen ist hier der strategische Wechsel.

Fazit

Bei all dem müssen WEG-Verwaltungen immerzu den gesamten Markt im Blick haben – eine Aufgabe, die nicht unterschätzt werden sollte. Aktives Management lässt sich eben nicht nebenbei stemmen. Do it yourself könnte nach hinten losgehen. Sinnvoll ist es daher, sich Unterstützung zu suchen und diese Prozesse outzu-sourcen, damit es am Ende kein böses Erwachen gibt, weil sich die Anforderungen an das aktive Management beim Energieeinkauf massiv verändert haben. Profes­sionelle Partner können hier die langfristige Sicherung der Energiekonditionen gewährleisten. Tipp: Heute handeln, um den Risiken von morgen aus dem Weg zu gehen.

Henke, Tasssilo

Vertriebsleiter Wohnungs­wirtschaft der Westbridge Advisory GmbH www.westbridge-advisory.com