03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Wohnimmobilienverwaltung 2.0 - Zur Transformation eines Berufs

Die Anforderungen an die Verwaltung von Wohnimmobilien verändern sich. Die gesellschaftlich relevanten Megatrends Digitalisierung, Klimawandel (Energieeffizienz, Klimaanpassung) und demografischer Wandel haben Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft und die Tätigkeitsbereiche der Wohnimmobilienverwaltung. Sie werden den Immobilienmarkt in den kommenden fünf bis zehn Jahren maßgeblich prägen. Der Green Deal mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität im Gebäudebestand zu erreichen, schärft das Klimabewusstsein der Branche und bedingt die Notwendigkeit stärkerer Einsparungen von CO2 -Emissionen. Baumaßnahmen, die der Werterhaltung des Gebäudebestands dienen, sind daher heute immer auch Energieeffizienzmaßnahmen.


Nachhaltige Entscheidungen in Eigentümergemeinschaften ermöglichen
In 83 Prozent der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) übernehmen Immobilienverwaltungsunternehmen im Auftrag der Gemeinschaft die Bewirtschaftung und Erhaltung des Gebäudes. Entscheidungen über die Durchführung von Baumaßnahmen jeglicher Art trifft die WEG im Rahmen von Eigentümerversammlungen. Verwaltungen haben dabei nicht nur Kenntnisse zu vermitteln und Aufklärung zu leisten, um Informationsasymmetrien abzubauen, sondern sie müssen die Willensbildung auch professionell moderieren.

Die Qualität der Zusammenarbeit zwischen WEG, professionell agierender Wohnimmobilienverwaltung und qualifizierten Sachverständigen entscheidet maßgebend über den Erfolg und die Nachhaltigkeit von Sanierungsprozessen. Um den Anforderungen und Ansprüchen der Eigentümergemeinschaften wie auch der Stakeholder in Politik und Wirtschaft gerecht werden zu können, brauchen in der Immobilienverwaltung Tätige grundlegende Fachkenntnisse und das Schnittstellenwissen in Bau- undAnlagentechnik, Recht und Finanzierung  sowie Kompetenzen für Moderation und Prozessbegleitung.


Berufsbildungsabschlüsse: Rahmenlehrpläne sind nicht mehr zeitgemäß.
Die Rahmenlehrpläne der immobilienwirtschaftlichen Berufsbildungsabschlüsse in Deutschland aus dem Jahr 2006 (Immobilienkaufmann/-frau) bzw. 2008 (Immobilienfachwirt/in) wurden seither nicht angepasst. Somit sind die gesellschaftlichen wie technischen Entwicklungen und die damit einhergehenden Bedarfe der letzten Jahre nicht enthalten. Digitalisierung, Demografie, Gebäude- und Anlagentechnik sowie Klimaschutz fehlen als integrale Bildungsbausteine. Insbesondere im Bereich „Green Building“ etablierte Standards, die sich mit Nachhaltigkeit über den vollständigen Lebenszyklus von Gebäuden hinweg beschäftigen und für die Erreichung der Zielsetzung eines klimaneutralen Gebäudebestands grundlegend sind, werden zu´wenig berücksichtigt. Zudem ist im Rahmenlehrplan für die dreijährige Ausbildung zum/zur Immobilienkaufmann/-frau der Themenkomplex „WEG-Verwaltung“ mit 80 Unterrichtsstunden im Verhältnis zum Gesamtumfang von 880 Stunden unterrepräsentiert. Eine Reform der Ausbildung, die den skizzierten dynamischen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, der fortschreitenden Dienstleistungsorientierung und dem Klimawandel Rechnung trägt, scheint zwingend geboten, um den Bezug zur Berufspraxis zu gewährleisten.


Ausblick: Ausbildungsberuf für die Verwaltung von Wohnimmobilien
Auch im Hinblick auf die klimapolitisch gesteckten Ziele und die damit einhergehende wachsende Bedeutung neuer Ansätze, etwa Quartierskonzepte, Nutzungsmischung von Gebäuden oder Wohnen im Alter, ist der Mehrwert eines eigenständigen anerkannten Ausbildungsberufs für die Verwaltung von Wohnimmobilien zu reflektieren. Wohnimmobilienverwalter und -verwalterinnen sind Schlüsselakteure im Transformationsprozess zum klimaneutralen Wohngebäudebestand. Um das gesellschaftspolitische Ziel zu erreichen, bedarf es des Aufbaus von Kapazitäten durch adäquate Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen, die sich an der ökosozialen Verantwortung von Berufsgruppen und Unternehmen orientieren.
 

Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland