22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Woran liegt’s? - Eine Green Home-Befragung von Eigentümergemeinschaften und Verwaltungen ermittelt Hürden für energetische Sanierungen.

Das Ziel eines kli­maneutralen Gebäudebestands bis 2045 ist ambitioniert und nicht ohne Wohnungseigentümergemeinschaften zu schaffen. Die Sanierungsquote der Mehr­familienhäuser im Eigentum von Gemeinschaften liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und mit Blick auf die Überarbei­tung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) ist mit einer Verschärfung der Energieeffizienzanforderungen durch den Gesetzgeber sowie einem steigenden Handlungsdruck auf Wohnungseigentümergemeinschaf-ten zu rechnen.

Im April und Mai dieses Jahres führte das EU-finanzierte Projekt Green Home – Energieeffizienz für Wohnungseigentümergemein-schaften eine bundesweite Befra­gung von WEG-Verwaltungen und Eigentümergemeinschaften zur Klimaneutralität im Gebäudebe­stand, der Ausgangslage und ihrem Unterstützungsbedarf durch. 78 Immobilienverwaltungen und 63 Eigentümergemeinschaften nah­men teil.

Handlungsdruck, Bewusstsein und Investitionsbereitschaft
Über 90 Prozent der Teilnehmen­den beider Zielgruppen sehen in den kommenden Jahren strenge gesetzliche Sanierungsauflagen auf sich zukommen. Die Mehrheit der Eigentümerinnen und Eigentü­mer (> 90 Prozent) setzt sich aktiv dafür ein, dass anstatt einfacher Instandsetzungsarbeiten energe­tisch saniert wird, wenn dies wirt­schaftlich darstellbar ist. Vor allem der Anstieg der Energiepreise moti­viert zu umfassenden Maßnahmen. Über 90 Prozent der Eigentüme­rinnen und Eigentümer sind bereit, mehr in energetische Sanierungen zu investieren. Lediglich zehn Pro­zent möchten dies nicht tun. Knapp 60 Prozent der befragten Woh­nungseigner sind überdies bereit, für eine umfassende Sanierung einen Kredit über zehn bis 15 Jahre aufzu­nehmen, wenn sich dessen Kos­ten durch die Energieeinsparung amortisieren. Unschlüssig sind 20 Prozent, während 20 Prozent eine Kreditaufnahme ablehnen.
 

Woran es Eigentümergemein­schaften mangelt
Alle Befragten wurden aufgefordert, die fünf größten Hürden für ener­getische Sanierungen zu nennen. Über 66 Prozent der Eigentüme­rinnen und Eigentümer gaben an, dass ihnen Informationen über den Sanierungsbedarf und die gesetz­lichen Vorgaben fehlten, zudem erfolge eine langfristige Sanierungs-und Werterhaltungsplanung in Eigentümergemeinschaften nur in Ausnahmefällen, so die Mehrheits­meinung (52 Prozent) der Eigen­tümerinnen und Eigentümer. Des Weiteren sei die Wirtschaftlich­keit umfänglicher Sanierungsmaß­nahmen über einen Zeitraum von zehn Jahren kaum darstellbar (49 Prozent), die Finanzierungslaufzei­ten seien zu kurz bemessen. Damit Eigentümergemeinschaften in die Energieeffizienz ihrer Gebäude investieren, brauchen sie Planungs­sicherheit. Mit Blick auf die Förder­konditionen oder die kommunale Wärmeplanung ist dies der Befra­gung zufolge aktuell noch nicht im gewünschten Maße gegeben.


Das sagen die Verwaltungen
Die größte Hürde für umfängliche Sanierungsmaßnahmen besteht für über 68 Prozent der Immo­bilienverwaltungen in der wirt­schaftlichen Darstellbarkeit der Maßnahmen innerhalb von zehn Jahren. Es zeigt sich, dass hier mehr Aufklärung zur Sensibilisierung für das Thema vonnöten ist: Knapp 65 Prozent der Befragten zweifeln den Sinn energetischer Maßnah­men an. 61 Prozent gaben an, die zu geringen Erhaltungsrücklagen in Eigentümergemeinschaften verei­telten Sanierungspläne. Hingegen monierten 42 Prozent der Eigen­tümergemeinschaften, ihre Ver­waltung würde Investitionen in die Energieeffizienz bei ohnehin not­wendigen Sanierungen nicht hinrei­chend thematisieren. Als Gründe für eine fehlende langfristige Planung des Werterhalts und von Sanierun­gen wurden von den Verwaltungen die folgenden genannt: hoher Vor­bereitungsaufwand (61 Prozent), mangelndes Interesse der Eigentü­merschaft (78 Prozent), geringe per­sonelle Kapazitäten (50 Prozent), zu niedrige Vergütung (50 Prozent).
 

Der individuelle Sanierungsfahrplan
Individuelle Sanierungsfahrpläne (iSFP) schaffen Transparenz und ermöglichen Eigentümergemein­schaften die Umsetzung einzelner aufeinander abgestimmter Teilsa­nierungen (93 Prozent). Für Immo­bilienverwaltungen sind sie ein nützliches Instrument für die Mode­ration von Entscheidungsprozessen und um Gemeinschaften sinnvolle Sanierungsvorschläge zu unterbrei­ten (95 Prozent). Dabei kommt es auf die ganzheitliche Planung an, die auch die Elektrik, alle Bauteile, die Anlagentechnik etc. berück­sichtigt, so die Mehrheitsmeinung der Eigentümergemeinschaften (93 Prozent). Sanierungsfahrpläne unterstützen die Finanzierungs­planung der Eigentümergemein­schaften und erweisen sich als hilfreich bei deren Investitionsent­scheidungen, so die überwiegende Meinung der Immobilienverwal­tungen (93 Prozent) und Eigentü­mer (95 Prozent). 99 Prozent der Befragten aus Immobilienverwal­tungen und 92 Prozent aus Eigen­tümergemeinschaften stimmen der Aussage zu, dass der iSFP gute Argumente bietet, wenn es darum geht, Eigentümer davon zu über­zeugen, angemessene Erhaltungs­rücklagen zu bilden. Entscheidend allerdings ist, dass Verwaltun­gen das Thema rechtzeitig in der Eigentümerversammlung plat­zieren, denn nach Angabe von 87 Prozent der Eigentümer werden umfassende Sanierungen dort erst dann thematisiert, wenn akuter Handlungsbedarf besteht und die Zeit für eine langfristige ganzheit­liche Betrachtung nicht mehr aus­reicht. Das Potenzial der iSFP hat auch die Bundesregierung erkannt. Laut Koalitionsvertrag sollen sie systematisch genutzt, vor allem aber für Eigentümergemeinschaf­ten kostenlos erstellt werden.


Klimaneutralität kann nur gemeinsam gelingen
Immobilienverwaltungen haben eine Schlüsselrolle, wenn sie Eigentümergemeinschaften über Sanierungsbedarf zur Werterhal­tung ihres Gemeinschaftseigen­tums aufklären. Deshalb wissen sie auch, woran es fehlt und wo Bedarf besteht: Erarbeitung von Finanzierungskonzepten (51 Pro­zent), Ausweitung des Angebots von Unternehmen mit „Lösun­gen aus einer Hand“ (94 Prozent), deren Leistungsspektrum den gesamten Prozess von der Ange­botserstellung über Förderung und Finanzierung, Projektplanung und -durchführung bis zur Nachbetreu­ung umfasst. Beratungsangebote (91 Prozent) und Informations­plattformen (88 Prozent) erhiel­ten gemeinsam mit regionalen Auskunftstellen (90 Prozent) die höchsten Zustimmungswerte bei Immobilienverwaltungen. Regi­onale Anlaufstellen, die als One-Stop-Shops fungieren, können für Verwaltungen und Eigentü­mergemeinschaften energetische Sanierungen „aus einer Hand“ anbieten, d. h. sie unterstützen bei der Beratung, Auswahl von Ange­botsoptionen und geeigneten Finanzierungsinstrumenten sowie der Projektumsetzung.

 

Das ist Green Home
Das EU-finanzierte Kooperationsprojekt für Energieeffizienz in Wohnungseigentümer-gemeinschaften unter Leitung des VDIV Deutschland zielt dar­auf ab, Klimaschutz und Energieeffizienz in Planungs- und Ent­scheidungsprozesse für Sanierungsvorhaben systematisch zu integ­rieren, geeignete Finan­zierungsinstrumente für Wohnungseigentümergemeinschaften zu entwickeln und alle Akteure zusamenzubringen. www.green-home.org

Eisfeld, Kristina

Referentin Green-Home-Projekt, VDIV Deutschland