14.10.2019 Ausgabe: 5/19

Zentral statt dezentral - In Wertheim wird ein ganzes Wohnquartier von dezentralen Gasthermen auf neue zentrale Wärmeversorgung umgerüstet. Ein Projektbericht.

Viele Altbauten mit mehreren Wohneinheiten sind heute noch mit Gasetagenheizung ausgestattet. Die Alternative ist eine zentrale Heizungsanlage. Sie spart Platz in den Wohnungen, ist wartungsarm und einfacher zu automatisieren. Zwar haben dezentrale Gasetagenheizungen den Vorteil, dass sie individueller konfigurierbar sind, dafür ist die Wartung recht aufwendig. Außerdem ist die Anschaffung einer Zentralheizung vergleichsweise günstig, weil nicht für alle Etagen ein Gerät gekauft werden muss. Betrieb und Unterhalt verursachen im Vergleich zur Etagenheizung geringere Kosten.

Modulares Gesamtkonzept für die Umrüstung

Doch wie soll die Umstellung von einer dezentralen auf eine zentrale Versorgung in bewohnten Gebäuden funktionieren, und wie kann ein Umbau mit möglichst wenig Aufwand und einer minimalen Beeinträchtigung der Mieter vonstattengehen? Vor dieser Frage stand auch die Deco Grundbesitz AG als Verwalter und Projektentwickler eines 14 Gebäudekomplexe umfassenden Wohn- und Gewerbeareals. Sie ließ sich für ihre Objekte vom Energiedienstleister Lava Energy eine passende Lösung entwickeln. Spezialisiert auf das Energieeffizienzmanagement von Versorgungsanlagen in der Wohn- und Gewerbeimmobilienwirtschaft wurde mit Blick auf das große Ganze ein Gesamtkonzept für das Wohnquartier entwickelt, das modular aufgebaut ist und weitestgehend die bestehende Infrastruktur in den Wohnungen nutzt. Dieses Konzept funktioniert im Grunde für alle Mehrfamilienhäuser und Wohnanlagen, in denen dezentrale Gasthermen im Wohnbereich installiert sind. Gerade bei solch komplexen Projekten ist es sinnvoll, einen ganzheitlich agierenden Dienstleister einzubeziehen, der im Vorfeld berät, plant und die gesamte Umrüstung beaufsichtigt, im späteren Betrieb aber auch die Betreuung als Wärmelieferant und Energieeffizienzmanager übernimmt.

Modernisierung bei laufendem Betrieb

Die Deco Grundbesitz AG hat Lava Energy im Namen des Eigentümers, der Wertheim Verwaltungs GmbH, mit der Planung und Modernisierung der Heizungsanlagen beauftragt. 382 Wohn- und 15 Gewerbeeinheiten mit einer Fläche von insgesamt 18 400 qm sollen erneuert und von der bisher dezentralen, veralteten und störungsanfälligen Wärmeversorgung auf eine zentrale Versorgung umgestellt werden. Die Gasthermen, welche die Wohnungen bisher mit Wärme und Warmwasser versorgten, stammen aus den 90er Jahren und entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik. Zudem ist gemäß TRGI, den Technischen Regeln für Gasinstallationen, alle zwölf Jahre eine Überprüfung der Gasleitungen fällig. Das Ziel der Auftraggeber ist eine Umrüstung „im laufenden Betrieb“, also im bewohnten Zustand, und zwar parallel zu den Arbeiten an der Gebäudehülle: Zeitgleich lässt die Deco Grundbesitz AG alle Fassaden, Treppenhäuser und Allgemeinräume der Gebäude sanieren, renovieren und die Schaufenster der Gewerbeeinheiten erneuern. Am Standort Baden-Württemberg ist zudem das Erneuerbare Wärme Gesetz (EWärmeG) zu beachten. Es verpflichtet seit dem 1. Januar 2010 Eigentümer bestehender Wohngebäude zum Einsatz erneuerbarer Energien, wenn der Austausch einer Heizungsanlage ansteht. Um diese Anforderungen zu erfüllen, stattet der Eigentümer die Dächer der Gebäude mit Photovoltaik-Anlagen aus. Mit einer Gesamtleistung von rund 369 kWp liefern sie pro Jahr ca. 350 000 Wattstunden Strom – ideal für ein Mieterstrommodell oder auch die Elektromobilität.

Gas-Brennwertkessel in jedem Gebäude

Die 14 Gebäude wurden in fünf Bauabschnitte eingeteilt, die nun bis 2020 nacheinander abgearbeitet werden. Ende 2017 hat das Projekt begonnen, sodass die Beteiligten bereits ein erstes positives Fazit ziehen können. Die Lösung für jedes einzelne Gebäude lautet: Ein zentraler Gas-Brennwertkessel übernimmt die zentrale Wärmeversorgung, unterstützt von einem Pufferspeicher und allen erforderlichen Baugruppen und Systemen. Für jeden Gaskessel wird ein rund acht Quadratmeter großer Heizraum eingerichtet und vom bisherigen Keller baulich abgetrennt. Für den Einbau der Steigstränge zu den Wohnungen lassen sich vorhandene Kamine nutzen. Die Wärmeverteilung in den Wohnungen, aber auch die Warmwasserbereitung erfolgt weiterhin dezentral. Dafür werden die Gasthermen durch moderne Wohnungsstationen ersetzt. Besonders effizient wird die neue Heizungsanlage durch das Energiemonitoring: Jeder zentrale Heizkessel wird mit der sogenannten Lava-Box ausgestattet, inklusive Wärmemengenzähler für Heizung, Trinkwarmwasser und Aufschaltung des neuen zentralen Gaszählers. So kann die gesamte Anlage dann aus der Ferne überwacht und optimiert werden. Da die Wohnungen in der Anlage übereinander liegen, kann das neue Verteilsystem zügig installiert und die Beeinträchtigung der Mieter so gering wie möglich gehalten werden: In den Wohnungen sind jeweils lediglich zwei Tage Arbeit vorgesehen.

Optimierung im Betrieb

Die Umrüstung von dezentral auf zentral ist nur ein Teil des gesamten Leistungspaketes. Der ausführende Energiedienstleister ist im Rahmen eines Contracting-Modells sowohl Betreiber als auch Wärmelieferant der Heizungsanlagen. Sie werden auf die Lava-Leitzentrale aufgeschaltet und in Hinblick auf Betriebsstörungen und den energieeffizienten Betrieb permanent überwacht. So ist für eine effiziente und professionelle Betriebsführung gesorgt, und rund um die Uhr steht ein Störmeldemanagement mit Hotline bereit. 


Foto: © Andrey_Popov / Shutterstock.com


Lehmann, Marcus

Der ehemalige Geschäftsführer und heutige Gesellschafter von Minol ist Gründer und Geschäftsführer der LAVA GmbH & Co. KG. Das auf Energieeffizienzmanagement von Versorgungsanlagen spezialisierte Unternehmen entwickelt intelligente und maßgeschneiderte Lösungen für jede energetische Situation.
www.lavaenergy.de