18.05.2020 Ausgabe: vdivDIGITAL 2020

Zukunftstraum oder bald schon Realität? - Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz könnte in der Immobilienbranche ­­­ interne Prozesse automatisieren und alltägliche Abläufe für kleine und ­mittelständische Hausverwaltungen deutlich effizienter gestalten

Digitalisierung auf dem Vormarsch! Kontaktierten Kunden unsere Hausverwaltung vor einigen Jahren noch per Telefon oder E-Mail, verläuft dieser Prozess heute schnell und effizient: Nachrichten oder Anrufe werden nicht mehr zeitaufwändig an die zuständige Abteilung im Haus weitergeleitet, sondern landen direkt in unserem CRM-System und durchlaufen transparent alle Bearbeitungsebenen. Kommunizierten wir früher per Brief und Anruf, interagieren wir mit Kunden heute über unsere Verwalter-App oder das Kundenportal. Dank unserer Online-Verwaltung haben Eigentümer rund um die Uhr Zugriff auf wichtige Informationen zu ihrer Immobilie – ohne mit meinem Team überhaupt in Kontakt zu treten.

Der Einsatz digitaler Technologien optimiert Arbeitsabläufe und Strukturen, sorgt für Effizienz und Transparenz. Doch die Anforderungen an uns Immobilienverwalter werden durch ständig neue Gesetze und Verordnungen nicht geringer, das Problem des Fachkräftemangels ist für uns allgegenwärtig. Eine Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Zukunft oft stelle: Kann unsere Branche von der Digitalisierung weiter profitieren, oder stößt selbst der digitale Fortschritt irgendwann an seine Grenzen?

Meine Vision: Prozess­optimierung dank Künstlicher Intelligenz
Siri, Cortana oder Alexa assistieren uns im Alltag bereits in der Freizeit oder im privaten Umfeld. Doch welche neuen digitalen Möglichkeiten stehen einem mittelständischen Unternehmen zur Verfügung? Der Einsatz Künstlicher Intelligenz birgt aus meiner Sicht für uns Hausverwalter erhebliches Potenzial. Eine Antwort auf die steigenden Anforderungen an eine Branche im Wandel sollte deshalb die Automatisierung und Optimierung von Prozessen sein. Intelligente Computersysteme, die dank ihrer Programmierung die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachahmen, Vorgänge erkennen, Informationen verarbeiten und Prozesse erledigen, haben Mitarbeiter in vielen Produktionsbereichen bereits ersetzt. Große Firmen, etwa Paketdienstleister, nutzen heute beispielsweise sogenannte Chatbots, die Kunden ohne realen Chat-Partner automatisiert Fragen über den Sendungsstatus von Paketen beantworten. Andere Konzerne setzen Fertigungsprozesse völlig automatisiert und nahezu ohne Fachpersonal um.

Dieses Arbeiten mithilfe von Künstlicher Intelligenz sollte zukünftig auch für den Alltag kleiner und mittelständischer Immobilienverwaltungen ein Thema sein. Schon heute sind unsere Standardprogramme, das CRM-System von Officeware sowie das Kundenportal und die Service-App von casavi, per Schnittstelle digital verknüpft. Bei Service-Anfragen erstellt das System für jedes Anliegen ein Ticket und erfasst den Vorgang für die weitere Bearbeitung meines Teams. Wieso sollte dann nicht künftig etwa die einfache Änderung einer Adresse oder die Kontaktaufnahme mit dem Hausmeister samt Problemschilderung mittels Künstlicher Intelligenz vollautomatisiert erledigt werden können?

Der theoretische Ablauf: Unser Kunde kontaktiert uns einfach wie gewohnt per App oder Kundenportal, die Nachricht landet direkt im CRM-System. Hier erkennt das Programm aufgrund der Vorgenerierung die Thematik, rechnet es einem Projekt, einem Namen oder einer Wohneinheit zu und führt den Vorgang – am Beispiel der Adressänderung wäre dies die Anpassung der betreffenden Stammdaten – im System eigenständig aus. Anschließend erhält der Kunde eine maschinell erstellte Nachricht über die Erledigung – völlig automatisch ohne die Bindung von Fachpersonal. Hintergedanke meiner Vision ist nicht die Einsparung von Arbeitsplätzen, im Gegenteil: Die computergesteuerte Optimierung und Automatisierung einfacher Arbeitsabläufe setzt Ressourcen frei, die Fachkräfte während ihrer Arbeitszeit für anspruchsvollere Aufgaben nutzen können. Mit Künstlicher Intelligenz könnten so auch erste Vorarbeiten eines Prozesses in Gang gesetzt beziehungsweise ausgeführt und erst im folgenden Schritt an einen „realen“ Mitarbeiter zur weiteren Bearbeitung „übergeben“ werden, z. B. der Reparatur-Service des Hausmeisters.

Das Plus: mehr Effizienz und steigendes Wachstum trotz Fachkräftemangels
Die Vorteile eines vollautomatisierten Verfahrens dank maschinellen Lernens liegen auf der Hand: Durch die eigenständig durchlaufenden Standardprozesse werden zuvor arbeitsintensive Vorgänge beschleunigt. Das Fachpersonal ist nicht mehr in zeitraubenden bürokratischen Vorgängen gebunden, sondern hätte mehr Zeit für die direkte Kundenbetreuung oder Neu­kundenakquise.

Mit Künstlicher Intelligenz besteht künftig trotz Fachkräftemangels auch für kleine und mittelständische Unternehmen eine Zukunftsperspektive. Sie haben aufgrund der optimierten internen Unternehmens- und Arbeitsstruktur auch mit weniger Personal die Chance, neues Wachstum zu generieren. Schöner Nebeneffekt: Ein strukturierter Arbeitsalltag mit Blick auf die wesentlichen Aufgaben wird zur gesunden Work-Live-Balance der Mitarbeiter beitragen, die Zufriedenheit im Team wird steigen und ebenso die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber.

Auch Kunden profitieren von einer Automatisierung der internen Prozesse: Junge Eigenheimbesitzer erwarten von ihrer Immobilienverwaltung Innovationskraft und moderne Kommunikationstechnologien, die sie aus ihren privaten Lebensbereichen gewohnt sind. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz greift diese Erwartung auf. Prozesse werden im Interesse der Immobilieneigentümer schnell und transparent umgesetzt. So erhöht sich die Attraktivität des Unternehmens auch im Vergleich zu den – der Digitalisierung etwas weniger aufgeschlossenen – Mitbewerbern am Markt.

Der Ausblick: Digitalisierung zwischen Gegenwart und Zukunft
Künstliche Intelligenz ist meiner Ansicht nach DER digitale Innovationsschub der Zukunft. Mir ist bewusst, dass die Etablierung dieser Technologie unserer Branche einiges abverlangen wird: Manpower, Kapital und natürlich jede Menge Erfahrung in der Erstellung „intelligenter” Computersysteme. Wir sollten dieser Vision trotz möglicher Hürden im Bereich der Immobilienwirtschaft jedoch deutlich mehr Aufmerksamkeit und größeres Interesse schenken. Großkonzerne zeigen uns die Potenziale bereits in der Praxis, während unsere Branche sich bei diesem Thema aktuell noch etwas in theoretischen Ansätzen verläuft.

Freuen würde ich mich über Feedback und die Kontaktaufnahme von Branchenkollegen, die in Künstlicher Intelligenz eine ähnliche Chance für unseren Verwalteralltag sehen. Vielleicht lässt sich diese Thematik in und mit einem Netzwerk „Künstliche Intelligenz in der Immobilienbranche“ gemeinsam zukunftsfähig machen. Ich bin davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz aus unserer Branche irgendwann nicht mehr wegzudenken sein wird – die entscheidende Frage lautet nur: Wann wird dieser Zukunftstraum zur Realität?

Foto: © Willyam Bradberry / Shutterstock.com


Herrmann, Markus

Geschäftsführer der Apropos-Service GmbH, die mit fünf Mitarbeitern rund 2 400 Wohneinheiten verwaltet und Mitglied im VDIV Rheinland-Pfalz-­Saarland e.V. ist