18.04.2023 Ausgabe: 3/23

Zwischenruf

Der hydraulische Abgleich: zwischen Resignation und Aufbruch

Die seit Oktober geltende Verordnung zu mittelfristigen Energieeinsparmaßnahmen (EnSimiMaV) sorgt für Gesprächsstoff. Während einige schulterzuckend bemerken, dass die Frist an der Praxis vorbeiläuft, gibt es andere, die gewillt sind, die Verordnung umzusetzen. Die schweigende Mehrheit der Verwaltungen hofft hingegen, dass der Kelch irgendwie an ihnen vorübergehen wird, sie weder handeln müssen noch Sanktionen zu befürchten haben. Wie ist die Lage?

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b EnSimiMaV sind Gaszentralheizungssysteme in Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten bis 30. September 2023 hydraulisch abzugleichen (mit sechs Wohneinheiten bis 15. September 2024). Im Vergleich zu den in § 2 EnSimiMaV geregelten Maßnahmen zur Heizungsoptimierung handelt es sich dabei um einen sehr kostenaufwendigen technischen Vorgang, bei dem die Einspareffekte überschaubar sein dürften. Es verbleiben knapp sechs Monate Zeit zur Umsetzung.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Auch wenn ein hydraulischer Abgleich gerade bei überdimensionierten Heizungsanlagen sinnvoll sein mag, bedarf es einer differenzierteren Herangehensweise, etwa den Abgleich nur bei vor 2007 verbauten Heizanlagen vorzunehmen, die mit voreinstellbaren Thermostatventilen ausgestattet sind. Ein pauschaler anlassloser Abgleich für alle Anlagen bindet unnötig Ressourcen in vielfacher Hinsicht Aber was spricht nun aus Sicht der Verwaltung gegen eine fristgerechte Umsetzung? Aufgrund der kostenintensiven Maßnahme – mehrere Hundert Euro pro Wohneinheit/Eigentümer – wird die Verwaltung zumindest bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften einen rechtswirksamen Beschluss einholen. Zwar gibt auch das Wohnungseigentumsgesetz Verwaltungen die Möglichkeit zur Umsetzung, aber in der Praxis würde auch ich mir einen Beschluss holen, um mir tagelange Blockaden meines E-Mail-Postfaches oder der Telefonanlage durch Eigentümer zu ersparen, von Anfechtungsklagen ganz zu schweigen.

Kommt es zur Beauftragung eines Fachunternehmens, wobei Verwaltung und Auftragnehmer über einen sich ausweitenden Personalmangel klagen, ist natürlich zu erwähnen, dass die Versammlungssaison regelhaft erst im zweiten und dritten Quartal beginnt. Der Zeitraum kürzt sich weiter ein, wenn Präsenzversammlungen immer noch vielfach in den Abendstunden stattfinden und in den Sommer- bzw. Schulferien seltener vorkommen. Zudem muss das Betreten jeder Wohnung in einem begrenzten Zeitraum durch Planungsingenieure und geschulte Heizungsmonteure sichergestellt werden.

Aufbruch in die Zukunft: Umlaufbeschluss und reine Online-Versammlung

Der Gesetzgeber hat es versäumt, bei der letzten Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) den Umlaufbeschluss auf eine einfache Mehrheit abzusenken, denn es erscheint töricht anzunehmen, dass beim vorliegenden Beispiel alle Eigentümer zustimmen würden. Derart kurze Umsetzungsfristen für Maßnahmen in Wohngebäuden werden aber zunehmen. Helfen könnten auch reine Online-Eigentümerversammlungen. Mit diesem unterjährig einsetzbaren Abstimmungs-Tool, zusätzlich zur Präsenzversammlung, wären wir handlungsfähiger. Beide Abstimmungsinstrumente mit einfacher oder Dreiviertel-Mehrheit als Quorum im WEG festzulegen, würde eine echte Zukunftsperspektive für unseren Berufsstand bedeuten und dem Gesetzgeber die Sicherheit geben, dass Vorgaben umgesetzt werden.

Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland