Mietrecht

Kompromiss zu Schönheitsreparaturen bei unrenoviert überlassener Wohnung

Ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, kann vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Zustandes der Wohnung bei Mietbeginn führt.

Dies hat nun der unter anderem für Wohnraummietrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH in zwei Verfahren mit Urteilen vom 8. Juli 2020 entschieden.

Die Fälle

In dem ersten Fall verklagten die Mieter einer im Jahr 2002 in unrenoviertem Zustand angemieteten Wohnung ihren Vermieter nach vierzehnjähriger Mietzeit auf notwendige Tapezier- und Anstricharbeiten. Sie argumentierten, der Dekorationszustand der Wohnung habe sich zwischenzeitlich erheblich verschlechtert, und legten einen Kostenvoranschlag in Höhe von rund 7.300 Euro vor. Die auf Zahlung des Vorschusses gerichtete Klage hatte in den beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Ansicht der Berufungsinstanz bestehe kein Anspruch aus § 536a Absatz 2 Nummer 1 BGB, da die Wohnung aufgrund ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft geworden sei. Zwar hätte sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach den vielen Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert, die Mieter hätten jedoch diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert. Ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten scheide demnach von vornherein aus, zumal nach Durchführung sämtlicher geforderter Arbeiten eine deutliche Verbesserung des Zustandes der Wohnung erzielt werden würde. Dies sei vom Vermieter jedoch nicht geschuldet. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters könne nur dann bestehen, wenn die Wohnung zwischenzeitlich „verkommen″ sei und „Substanzschäden″ aufweise. Dafür bestünden aber keine Anhaltspunkte in diesem Fall.

Im zweiten dem BGH vorgelegten Fall verlangte der Mieter im Rahmen einer Widerklage von seiner Vermieterin die Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Auch hier war die Wohnung bei Mietbeginn im Jahr 1992 in einem unrenovierten Zustand, der vertraglich vereinbart war, an den Mieter übergeben worden. Der Mieter forderte seine Vermieterin vergeblich im Dezember 2015 auf, die erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Zur Begründung führte das Landgericht als Berufungsinstanz aus, dass die Vermieterin aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung zwar lediglich verpflichtet sei, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu verschaffen, die deutlich besser sei als zu Mietbeginn. Davon sei im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Der Vermieter müsse sich ebenfalls an dem im Mietvertrag enthaltenen – jedoch unwirksamen – Renovierungsplan spiegelbildlich orientieren, wonach bei wirksamer Vereinbarung normalerweise der Mieter von Zeit zu Zeit Schönheitsreparaturen auszuführen hätte.

Die Entscheidungen des BGH

In beiden Fällen hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die jeweilige Vorinstanz zurückverweisen. Der BGH stellt klar, dass in beiden Fällen noch zutreffend davon ausgegangen wurde, dass die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag unwirksam ist, weil den Mietern jeweils eine unrenovierte Wohnung übergeben und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt wurde. Damit bestätigt der BGH seine ständige Rechtsprechung, wonach in solchen Fällen an die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturen die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 536 Absatz 1 Satz 2 BGB tritt (vergleiche Az. VIII ZR 185/14 und VIII ZR 277/16).

Der Bundesgerichtshof argumentiert vorliegend weiter, dass maßgebend für die den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter ist. In beiden Fällen ist das der unrenovierte Zustand, in dem sie die Wohnung anmieteten, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden. Dies führt aber entgegen der Ansicht der Berufungsinstanz im ersten Fall nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig vom weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein ausscheiden würden. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat, was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 und 25 Jahre) naheliegt.

Allerdings ist die Wiederherstellung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Anfangszustandes in der Regel schwer praktikabel oder wirtschaftlich nicht sinnvoll. Es ist vielmehr sach- und interessensgerecht, dass der Vermieter im Rahmen seiner ihn treffenden Durchführungspflicht von Schönheitsreparaturen die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, sind die jeweiligen Interessen der Vertragspartner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

Der Bundesgerichtshof hält es daher für sachgerecht, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine „frische″ Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit keine Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.

Verlangt der Mieter, wie im ersten Fall, von dem Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses, führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten. Sofern der Mieter, wie im zweiten Fall, die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter begehrt, kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden.

BGH, Urteile vom 8. Juli 2020

Az. VIII ZR 163/18

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin, Urteil vom 2. Mai 2018, Az. 18 S 392/16

Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 30. November 2016, Az. 216 C 294/16

und

Az. VIII ZR 270/18

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin: Urteil vom 24. Juli 2018, Az. 63 S 283/17

Amtsgericht Schöneberg: Urteil vom 11. August 2017, Az. 19 C 408/15