Mietrecht

Rechtsprechung zu Vertragsanpassungen im Gewerbemietrecht während der Pandemie

Mittlerweile mehren sich im Gewerbemietrecht die Entscheidungen auch der Instanzgerichte zu der Frage, ob und inwiefern unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls die coronabedingten Beschränkungen im Einzelhandel sowie im Hotelbetrieb einen zur Minderung berechtigten Mangel der Mietsache darstellen bzw. zu einer Störung der Geschäftsgrundlage mit einem Anspruch auf Vertragsanpassung führen. Zumeist bedarf es bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Höhe der zu zahlenden Miete im Rahmen der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB herabzusetzen ist, eines Rückgriffs auf allgemeine Wertungen zur Risikoverteilung. Ergänzend ist immer auch eine konkrete Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Zu berücksichtigen ist dabei die seit dem 01.01.2021 geltende Neuregelung des Art. 240 § 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), die eine gesetzliche Klarstellung enthält, dass sich die Grundlagen des Gewerbemietvertrages durch Corona schwerwiegend verändert haben (vgl. Urteil des LG München I vom 25. Januar 2021, Az. 31 O 7743/20).

Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Dresden

Seit Ende Februar 2021 liegen nunmehr die Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte vor (OLG Karlsruhe und Dresden), die allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen urteilten. Beiden Urteilen lag der Sachverhalt zugrunde, dass derselbe Einzelhandelsmieter, der in vielen Städten Filialen betreibt, wegen der im Frühjahr 2020 behördlich angeordneten Schließungen eine Monatsmiete nicht gezahlt hatte, die Klage des Vermieters auf Zahlung der vollen Mieten in erster Instanz Erfolg hatte und der Gewerbemieter bei den zuständigen Gerichten der jeweiligen Standorte Berufung einlegte.

Das OLG Karlsruhe wies die Berufung zurück und führte in der Begründung aus, dass die volle Mietzahlung nur dann unzumutbar i. S. d. § 313 Abs. 1 BGB sei, wenn bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls eine Existenzgefährdung drohe. Hierbei seien Umsatzrückgänge, mögliche Kompensation durch Online-Handel, öffentliche Zuschüsse und ersparte Aufwendungen (z. B. Kurzarbeit) zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde lehnte das Gericht eine pauschalierte hälftige Teilung des Risikos ohne Darlegung der Umsatzausfälle ab (vgl. Urteil des OLG Karlsruhe vom 24. Februar 2021, Az. 7 U 109/20).

Vor dem OLG Dresden hingegen hatte die Berufung des Gewerbemieters teilweise Erfolg. Das Gericht bejahte einen Anspruch auf Vertragsanpassung aus § 313 Abs. 1 BGB und urteilte, dass eine Reduzierung der Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung um 50 Prozent vorzunehmen sei. Denn keine der Parteien habe die Störung der Geschäftsgrundlage verursacht oder habe sie vorhersehen können. Es sei nach Ansicht des Gerichts daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen (vgl. Urteil des OLG Dresden vom 24. Februar 2021, Az. 5 U 1782/20).

Bei beiden Entscheidungen wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Hinweisbeschluss des OLG München

Inzwischen ist zudem ein ausführlicher Hinweisbeschluss des OLG München veröffentlicht worden, so dass auch hier mit einem entsprechenden gleichlautenden Urteil bei Fortsetzung des Verfahrens zu rechnen ist. Das Gericht vertritt dabei ähnlich wie das OLG Karlsruhe die Auffassung, dass eine pandemiebedingte Betriebsuntersagung weder einen Mangel der Mietsache noch im konkreten Fall einen Anspruch auf Herabsetzung der Miete oder Stundung begründet. Zwar sei der Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich eröffnet, da das Risiko, ein Geschäft mit dem mietvertraglich vereinbarten Mietzweck in einem Mietobjekt betreiben zu können, nicht ausschließlich in den Risikobereich des Mieters falle.

Im konkreten Fall sei aber auch hier dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht unzumutbar. Es sei immer eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände erforderlich. Eine Herabsetzung der Miete könne nicht nach einem objektiven Schema erfolgen wie der hälftigen Herabsetzung unter Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfsleistungen. Vielmehr erfordere eine Betrachtung aller konkreten Umstände des Einzelfalles auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters und auch des Vermieters. Es könne der Umsatz der vergangenen Jahre eine Rolle spielen und ob eine Möglichkeit bestanden habe, Rücklagen zu bilden. Hinzukommend führe die Feststellung der Unzumutbarkeit nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf Herabsetzung der Miete, sondern könne auch auf eine Stundung der Miete gerichtet sein (vgl. Hinweisbeschluss des OLG München vom 17. Februar 2021, Az. 32 U 6358/20).