Arbeitsrecht

Rücksichtnahmepflicht gebietet keine freie Wahl des Arbeitsortes

Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gebietet keinen (befristeten) Arbeitsplatz an einem anderen Arbeitsort oder im Home Office (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2014 - 5 Sa 378/14)

Der Fall

Die Klägerin ist Sachbearbeiterin bei einem Versicherungskonzern. Ihr Dienstort wurde mit ihrem Einvernehmen 2007 von Saarbrücken nach Mainz verlegt. Die Klägerin pendelte viele Jahre von ihrem Wohnort nahe Saarbrücken nach Mainz. Die seit 2012 in Elternzeit befindliche Klägerin begehrte eine Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden, mit einer Verteilung montags bis freitags von 08:30 bis 12:30 Uhr, weil ihr Kind an einer emotionalen Störung leide, welche einen ganztägigen Kindergartenbesuch ausschließe. Darüber hinaus verlangte sie zwingend einen Arbeitsplatz am Standort Saarbrücken.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage bereits abgewiesen, mit der Begründung, dass sich ihr Anspruch weder auf § 8 TzBfG noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableiten lasse.

Die Entscheidung

Das LAG urteilte, dass aus § 8 TzBfG schon keinen Anspruch auf vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit ergibt, da anders als bei der Elternzeit gem. § 15 Abs.5 BEEG das TzBfG keinen bedingungslosen Anspruch auf Rückkehr zur Vollzeitarbeit regelt. Darüber hinaus erfasst das TzBfG nur einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, nicht jedoch auf Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses nach Inhalt und Ort der Arbeitsleistung.

Auch aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs.2 BGB erwachse auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs.1, 2 GG der begehrte Anspruch nicht. Schließlich überwiege das Interesse des beklagten Arbeitgebers, die Klägerin wie vertraglich vereinbart in Mainz einsetzen zu können, das Interesse der Klägerin nicht pendeln zu müssen.

Auch aus § 106 GewO ergäbe sich kein Anspruch, da nach dieser Vorschrift der Arbeitgeber nach billigen Ermessen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen könne. Die von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen erfolgten nach Ansicht des LAG im vorliegenden Fall in nicht zu beanstandender Weise.

Zwar seien die Belange der Klägerin aus Art.6 GG beachtlich. Denn diese könne aufgrund der Erkrankung ihres Kindes nur halbtags arbeiten. Bei einer täglichen Arbeitszeit von nur 4 Stunden könne die Klägerin aus nachvollziehbaren Gründen nicht immer von Saarbrücken nach Mainz pendeln, da sonst die Betreuung ihres Kindes nicht sichergestellt ist.

Auf der anderen Seite ist es aber wesentlicher Bestandteil der unternehmerischen Freiheit aus Art.12 und 14 GG, die betriebliche Organisation zu bestimmen. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden.
Dem widerspräche eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen Arbeitsplatz am Standort Saarbrücken oder ein Home-Office einzurichten. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ungewollte Organisationsentscheidungen zu treffen oder den Betrieb nach den Vorstellungen und Wünschen der Klägerin umzuorganisieren.

Fazit

Das vorliegende Urteil ist lediglich eine Einzelfallentscheidung. Allerdings zeigt es exemplarisch eine Abwägung von gegenläufigen Interessen. Gut zu überlegen ist, welche Vereinbarungen zum Arbeitsort getroffen werden. Sofern der Arbeitgeber eine Möglichkeit hat, eine Teilzeitstelle zu schaffen, besteht ein Anspruch seitens der Beschäftigten.