Im » DDIVnewsletter vom 18.06.2018 berichteten wir vom Schadensersatzprozess einer entnervten Münchner Wohnungseigentümerin gegen ihre 24 Miteigentümer und den Verwalter, die über Jahre hinweg die erforderliche Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im räumlichen Bereich ihrer Souterrainwohnung blockierten. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Verurteilung der überwiegenden Mehrheit der Miteigentümer und des Verwalters in weiten Teilen, änderte das Berufungsurteil des Landgerichts München I aber auch stellenweise ab und verwies den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. Dort wird der Rechtsstreit nun fortgeführt.
Der Fall
Wegen Feuchtigkeitsschäden in ihrer Souterrainwohnung beantragte die Klägerin in der Eigentümerversammlung vom 25.11.2010 die Einschaltung eines Sachverständigen durch die WEG und auf deren Kosten, um Schadensbild und Schadensursachen feststellen zu lassen sowie bei Vorliegen von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum eine Sanierungsplanung zu erstellen, um anschließend über die Durchführung der notwendigen Maßnahmen beschließen zu können. Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Klägerin erhob Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage. Diese wurde vom Amtsgericht München mit Urteil vom 10.08.2012 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin gab das Landgericht München I der Klage mit Urteil vom 19.09.2013 statt. Parallel zu diesem Prozess führte die Klägerin (Antragstellerin) gegen die übrigen Eigentümer (Antragsgegner) ein selbständiges Beweisverfahren durch, um die streitigen Mängel und deren Ursachen gerichtlich klären zu lassen. Das gerichtliche Sachverständigengutachten wurde am 07.12.2011 zugestellt. In mehreren Eigentümerversammlungen wurden erforderliche Beschlüsse von der Mehrheit immer wieder vertagt, teilweise um den Ausgang der laufenden Prozesse abzuwarten. Erst in der Eigentümerversammlung vom 12.12.2013 wurde beschlossen, eine Sanierungsplanung erstellen zu lassen. Der Untersuchungsbericht des von der WEG beauftragten Privatgutachters wurde am 28.03.2014 vorgelegt. Etwa zu dieser Zeit das genaue Datum lässt sich der Sachverhaltsschilderung im BGH-Urteil nicht entnehmen- erhob die Klägerin eine Schadensersatzklage gegen alle Miteigentümer und den Verwalter, die vom Amtsgericht München mit Urteil vom 06.06.2014 abgewiesen wurde. Das Landgericht München I gab ihr überwiegend statt und ließ die Revision zum BGH nicht zu. Über die Nichtzulassungsbeschwerde landete der Fall schließlich in Karlsruhe.
Mit der Schadensersatzklage nimmt die Klägerin die 24 Miteigentümer (Beklagten zu 1a-x) auf Schadensersatz (Mietausfall) für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Dezember 2011 in Anspruch (Klagantrag zu 1.), ferner die 24 Miteigentümer und den Verwalter (Beklagten zu 2.) als Gesamtschuldner für den Zeitraum von Januar 2012 bis Februar 2014 (Klagantrag zu 2.) und schließlich die Beklagten zu 1. und 2. auf Feststellung, dass ihr sämtliche weitere Schäden zu ersetzen sind, die aus der verzögerten Beschlussfassung sowie der unzureichenden Vorbereitung der Eigentümerversammlungen beruhen (Klagantrag zu 3.).
Während des Verfahrens erweiterte die Klägerin ihre Zahlungsforderung für den Zeitraum vom 2.9.2014 bis zum 21.12.2015. Insoweit nahmen Berufungsgericht und BGH indessen eine unzulässige Klageerweiterung an (Rn 49 ff. der Urteilsgründe).
Zahlreiche weitere Sachverhaltsdetails (als Zeittafel) finden sich im » DDIVnewsletter vom 18.06.2018.
Die Entscheidung
Der BGH führt aus, dass 17 der 24 verklagten Wohnungseigentümer für ihr pflichtwidriges und schuldhaftes Abstimmungsverhalten haften. Angesichts des Schadensbildes waren sie bereits in der Eigentümerversammlung vom 25.11.2010 dazu verpflichtet, für den Beschlussantrag über die gutachterliche Bestandsaufnahme zu stimmen. Da sie dies nicht taten und sich auch nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen konnten, schuldeten sie der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz. Hingegen treffe 7 der 24 verklagten Miteigentümer keine Schadensersatzpflicht, da insoweit unstreitig kein pflichtwidriges Abstimmungsverhalten festzustellen gewesen sei. Es kann also angenommen werden, dass diese Beklagten dem Beschlussantrag zugestimmt hatten, sich aber mit der Klägerin in der Minderheit befanden.
Bezüglich der Höhe der Schadensersatzpflicht ist der Fall komplex und schwierig. Noch nicht alle notwendigen Feststellungen zur Kausalität seien getroffen worden, so dass die Akte zurück nach München müsse. Bereits jetzt lasse sich feststellen, dass für folgende Zeiträume ein Mietausfall zu erstatten sei: 1.4.2011 bis 7.12.2011 (Rn 110), 9.5.2012 bis 4.7.2013 (Rn 115, 123) und 1.10.2013 bis 28.2.2014 (Rn 17, 99, 104, 106, 114). Außerdem denkbar sei ein Haftungszeitraum vom 4.7.2013 bis 30.9.2013 (Rn 99). Keine Schadensersatzhaftung bestehe hingegen für die Zeiträume 1.12.2010 bis 31.3.2011 und 7.12.2011 bis 31.12.2011 (Rn 39 f., 102, 109 f.) sowie 1.4.2012 bis 9.5.2012 (Rn 117). Insoweit sei die Kausalität unterbrochen worden (Zäsur), weil der Verwalter (Beklagter zu 2.) die Eigentümerversammlung hätte einberufen müssen, um die notwendigen Beschlüsse der Eigentümer herbeizuführen. Hierzu sei allein der Verwalter gesetzlich verpflichtet; eine Einwirkungspflicht des Verwaltungsbeirats (Beklagter zu 1c) bestehe nicht, so dass dieser nicht in einer persönlichen Amtshaftung sei.
Nachdem das gerichtliche Sachverständigengutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren ab dem 7.12.2011 vorlag, sei es die Pflicht des Beklagten zu 2. gewesen, die Versammlung zeitnah einzuberufen und die Eigentümer über den Inhalt des Gutachtens sowie die erforderlichen Maßnahmen zu informieren. Tatsächlich habe diese Eigentümerversammlung erst am 9.5.2012 stattgefunden, wobei jedoch das Berufungsgericht das dortige Abstimmungsverhalten der Eigentümer noch nicht festgestellt habe (Rn 115).
Der Verwalter (Beklagte zu 2.) war vom Berufungsgericht zur Schadensersatzzahlung für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 30.9.2013 verurteilt worden. Die Entscheidung ist rechtskräftig, der Verwalter legte keine Rechtsmittel ein (Rn 14, 54).
Der Klägerin sei es nicht zum Verhängnis geworden, dass sie verschiedene Vertagungsbeschlüsse nicht angefochten habe. Der BGH grenzt den vorliegenden Fall insoweit zu früheren Fällen ab. In diesen früheren Fällen hatten Wohnungseigentümer, die eine fachgerechte Abdichtung bzw. sonstige Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangten, positive Mehrheitsbeschlüsse über ungeeignete Maßnahmen bestandskräftig werden lassen; der BGH entschied, dass der Eintritt der Bestandskraft spätere Schadensersatzansprüche unter Berufung auf eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung ausschließe. Im vorliegenden Fall jedoch habe die Klägerin sich gegen die ablehnende bzw. ungenügende Beschlussfassung gerichtlich zur Wehr gesetzt, und zwar mit einer Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss und eine (positive) Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG. Während eines solchen Prozesses sei die Klägerin nicht dazu verpflichtet gewesen, zur Vermeidung von Rechtsverlusten auch weitere Beschlüsse anzufechten, mit denen die Mehrheit immer wieder die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen vertagte bzw. zurückstellte. Derartige Bummel-Beschlüsse könnten weder das zur Beschlussfassung (anstelle der blockierenden Eigentümer) berufene Gericht in seiner Ermessensentscheidung ausbremsen noch materielle Schadensersatzansprüche der Klägerin vernichten.
Der Entscheidung lässt sich entnehmen, dass beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für gravierende Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum, die Sondereigentum beeinträchtigen oder sogar unbewohnbar (unvermietbar) machen, folgendes schrittweises Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht: Bestandsaufnahme (Feststellung von Schadensbild, Schadensursache, Gegenmaßnahmen), Beauftragung einer Sanierungsplanung, Beschlussfassung über die Sanierungsmaßnahmen, Durchführung der Sanierungsmaßnahmen.
Im Rahmen eines Schadensersatzprozesses sei gerichtlich aufzuklären, welche notwendigen Zeiträume sich bei korrektem Verlauf der Dinge für die vorbezeichneten Schritte ergeben hätten. Es sind mithin hypothetische Überlegungen anzustellen (dazu näher Rn 12, 16, 37, 39, 99, 104, 105 der Urteilsgründe).
Fazit für den Verwalter
Der Fall zeigt, dass nicht nur Wohnungseigentümer, sondern auch der Verwalter in die Haftungsfalle geraten können, wenn sie die ihnen obliegenden Pflichten schuldhaft nicht erfüllen. Verwalter tun gut daran, wenn sie den Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums regelmäßig kontrollieren (entweder selbst durch optische Sichtkontrolle oder auf der Grundlage einzuholender Eigentümerbeschlüsse durch einen Sachverständigen), die Eigentümer über den baulichen Zustand der Immobilie auf dem Laufenden halten und bei Handlungsbedarf Beschlüsse darüber herbeiführen, wie weiter verfahren werden soll. Vor der Vornahme größerer Instandsetzungsmaßnahmen entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, regelmäßig durch einen geeigneten Handwerker oder Sachverständigen. Im nächsten Schritt ist eine Sanierungsplanung (z. B. Abdichtungskonzept) in Auftrag zu geben, um anschließend in einem weiteren Schritt die Eigentümer darüber abstimmen lassen zu können, welcher Anbieter den Auftrag erhalten soll. Sodann ist darauf zu achten, dass gefasste Beschlüsse in die Tat umgesetzt und die Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden.
Aus der Aufgabe des Verwaltungsbeirats, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, ergibt sich keine Pflicht der einzelnen Beiratsmitglieder, den Verwalter anzutreiben, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen. Vielmehr muss der Verwalter von Amts wegen handeln und seine Pflichten erfüllen.
Haftungsträchtig ist es, bei schwebenden Parallelprozessen zunächst deren Ausgang abzuwarten, um dann weiter zu entscheiden, ob und inwieweit man gemeinschaftlich zur Ergreifung von Instandsetzungsmaßnahmen verpflichtet ist. Ein solches Verhalten ist in der Regel schuldhaft und pflichtwidrig (Rn 90).
Im Grundsatz bleibt es dabei, dass Wohnungseigentümer nicht verpflichtet sind, zu einer Eigentümerversammlung zu gehen. Ausnahmsweise kann sich aus der wohnungseigentumsrechtlichen Treuepflicht aber ergeben, sich um die gemeinschaftliche Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu kümmern und an der erforderlichen Beschlussfassung mitzuwirken. Dies gilt insbesondere, wenn wie hier das gemeinschaftliche Eigentum schadhaft ist und eine Nutzung von Sondereigentum unmöglich macht. Häufiges Praxisbeispiel sind Feuchteschäden im aufsteigenden Mauerwerk, die zur Unbewohnbarkeit von Wohnungen oder (gewerblichem) Teileigentum führen.
Angesichts der umfangreichen und wiederholten Rechtsprechung des BGH zur Schadensersatzhaftung müssen gewerbliche Wohnungseigentumsverwalter dafür Sorge tragen, dass Eigentümer notwendige Beschlüsse fassen und sich ihrer sonst drohenden Haftung bewusst sind. Natürlich bleibt der Verwalter stets neutral; dennoch ist es ohne weiteres zumutbar, objektiv und neutral gehaltene Rechtsinformationen bzgl. der Haftungsrechtsprechung zu erteilen.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg