Die Wohneigentumsquote stagniert. Sie liegt seit dem Jahr 2003 konstant bei rund 43 Prozent. Trotz anhaltend niedriger Zinsen für Hypothekenkredite und fehlender Anlagenalternativen für die private Altersvorsorge koppelte sich die Eigentumsquote in den vergangenen Jahren gänzlich vom Wachstum der Baufertigstellungen und Baugenehmigungen von Eigentumswohnungen (ETW) ab. Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) plädiert für eine Freizugsprämie für selbstnutzende Wohnungseigentümer, um auch unteren und mittleren Einkommensschichten den Sprung ins Eigentum zu ermöglichen und angespannte Wohnungsmärkte in Ballungsräumen nachhaltig zu entlasten.
In Deutschland gibt es rund 9 Millionen Eigentumswohnungen, von denen etwa 3,7 Millionen von den Eigentümern selbst bewohnt werden. Wie sehr sich die Eigentumsquote von den Baufertigstellungen abgekoppelte, verdeutlichen die Zahlen der im Jahr 2015 errichteten Wohnung. Im vergangenen Jahr wurden fast 60.000 neue Eigentumswohnungen errichtet. 2015 wurden demnach doppelt so viele Eigentumswohnungen erbaut wie noch 2010, dennoch bleibt die Eigentümerquote nahezu unverändert. Die Gründe hierfür sind in der ökonomischen Entwicklung der vergangenen Jahre zu finden. ETW in Neubauten sind immer seltener im Besitz von Familien oder Selbstnutzern. Niedrige Zinsen, fehlende Anlagealternativen und das Versprechen auf eine schnelle Rendite aus Mieteinnahmen in Städten ziehen vermehrt Kapitalanleger und Investoren an. Trotz günstiger Rahmenbedingungen und Kredite bleiben Privatpersonen, vor allem aber Haushalte mit geringem oder niedrigem Einkommen, vom Wohnungseigentum immer öfter ausgeschlossen.
Freizugsprämie fördert untere und mittlere Einkommensschichten
Wohnungseigentum ist ein wichtiger Baustein zur privaten Altersvorsorge und ist auch so von der Politik gewollt″, erläutert Wolfgang D. Heckeler, Präsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter. Es müssen daher alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Eigentumsquote nachhaltig zu erhöhen und insbesondere Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen in Wohnungseigentum zu bringen.″ Die selbstgenutzte Wohnung ist laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) bezogen auf die laufenden Ausgaben um bis zu 30 Prozent günstiger als das Wohnen zur Miete. Selbst in angespannten Wohnmärkten liegt der Kostenvorteil noch bei über 20 Prozent. Es bedarf also einer gezielten Förderung, um die Eigentumsquote zu erhöhen. Die größte Hürde insbesondere für einkommensschwache Haushalte ist nach wie vor das erforderliche Eigenkapital von etwa 20 bis 30 Prozent. In Anbetracht der am 21. März 2016 in Kraft getretenen und nunmehr wirksamen Wohnimmobilienkreditrichtlinie, nach der die Banken bei der Vergabe von Krediten vorrangig auf laufende Einnahmen der Kreditnehmer abstellen müssen, wird eine Immobilie nicht mehr als Absicherung des Darlehens herangezogen. Dies erschwert vor allem sozial schwächeren Haushalten den Kauf von Wohnungseigentum. Zielgruppenorientierte Modelle, die verstärkt auch diese Einkommensschichten berücksichtigen, sind demnach gefragt. Der DDIV plädiert daher für die Einführung einer Freizugsprämie für selbstnutzende Wohnungseigentümer beim Neubau oder Ersterwerb einer Eigentumswohnung mit anschließender Selbstnutzung. Die Prämie würde das Eigenkapital erhöhen, wodurch auch Haushalte einen dinglich besicherten Kredit aufnehmen könnten, der ihnen nach den neuen Regeln der Wohnimmobilienkreditrichtlinie versagt wäre. Eine solche Freizugsprämie erhöht nicht nur die Wohnungseigentumsquote nachhaltig, sondern sorgt im Umkehrschluss auch für mehr freien und bezahlbaren Wohnraum auf dem Mietmarkt″, führt Heckeler weiter aus. Die Prämie sollte aber an Einkommensgrenzen gekoppelt sein, um zielgruppengerecht wirken zu können. Um Mitnahmeeffekten oder Spekulationen entgegenzuwirken, muss die Wohnung ohnehin nach dem Erwerb zehn Jahre gehalten werden. Die Finanzierung einer solchen Selbstnutzerfreizugsprämie kann durch den Bund sichergestellt und beispielsweise aus dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm oder aus Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gespeist werden.
Positive Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt und die Energiewende
Die freigezogenen Wohnungen der Neueigentümer″ sollten auch nach der Neuvermietung für Normalverdiener erschwinglich bleiben. Der DDIV schlägt daher vor, insbesondere Gebiete der Bauanzeige 1, die durch die Anlage zu § 1 Absatz 3 der Wohngeldverordnung den Mietenstufen IV bis VI zugewiesen sind oder von der jeweiligen Landesregierung eines Bundeslands durch Rechtsverordnung auf Grund des § 556d Absatz 2 BGB als Gebiet mit angespannten Wohnungsmärkten festgelegt worden sind, als Fördergebiete auszuweisen. Durch eine Kopplung der Prämie an den energetischen Standard des Neubaus bzw. der erworbenen Wohnung kann zudem die Energiewende im Gebäudebereich weiter vorangebracht werden. Je höher der Energiestandard der neuen Immobilie, desto höher könnte demnach auch die Förderung ausfallen″, so DDIV-Präsident Heckeler.
Nach der langen Diskussion und dem Scheitern der steuerlichen Sonder-AfA zur Ankurbelung des Mietwohnungsneubaus und der nachweislich wirkungslosen Mietpreisbremse muss die Politik nun gegensteuern und andere Modelle zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum prüfen. Der DDIV ist der Ansicht, dass nicht nur Investoren oder Bauträger von einer Förderung profitieren sollten, sondern das Wohnungseigentum wieder verstärkt im Fokus stehen sollte. Im Zentrum der Überlegungen sollte der Verbraucher stehen, der freiwillig Altersvorsorge betreibt″, schließt Wolfgang D. Heckeler.
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