22.10.2019 Ausgabe: 6/19

10 Fakten: Bauen & Wohnen in Berlin

1. Wunsch und ­Wirklichkeit
96 000 Wohnungen fehlen in Berlin. Würden weiterhin wie zuletzt 2017 jährlich 16 000 Wohnungen fertiggestellt, dauerte es sechs Jahre, um den Wohnungsmangel auszugleichen, so der IBB-Wohnungsmarktbericht 2018. Zwar werden Jahr für Jahr mehr als 20 000 Wohnungen genehmigt, aber der Bau zieht sich hin – im Schnitt 22 Monate, sieben mehr als noch 2008. Dass es auch anders geht, zeigt sich in Hamburg. 10 000 neue Wohnungen sollen jährlich in der Hansestadt genehmigt werden. 2018 ist es erstmals gelungen, diese Marke auch bei der Fertigstellung zu knacken:  10 674 Wohnungen waren es, 35  Prozent mehr als im Vorjahr, zurückzuführen auf die gute Zusammenarbeit von Senat, Bezirken und Wohnungswirtschaft, so die Erklärung der Politiker.

2. Nachverdichtung
140 000 Wohnungen könnten in Berlin entstehen, wenn man die Nachverdichtungspotenziale von bestehenden Gebäuden nutzen würde. Das geht aus einer Studie der TU Darmstadt und des Pestel Instituts hervor. Dabei geht es um Dachgeschossausbauten und die Aufstockung vornehmlich von Wohngebäuden aus den 1950er bis 90er Jahren. Berlin müsste dafür allerdings die Bauvorschriften ändern, um eine dichtere Bebauung zu erlauben. Das wäre in Eigenregie über die Landesbauordnung durchaus möglich. Es gibt aber noch mehr Hemmnisse: die Brandschutzvorschriften, die Denkmalschutzbehörde, die wenigen verbliebenen Mitarbeiter in den aus Kostengründen ausgedünnten Bauplanungsämtern – kurz: träge Prozesse, weil stets sehr viele Menschen mitent­scheiden.

3. Berliner Modell
Das „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ wird seit August 2014 angewandt, um dem Anspruch an eine sozialgerechte Bodennutzung zu genügen. Im April 2015 wurde darüber ein fester Anteil von grundsätzlich 25 Prozent mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum bezogen auf die Gesamtzahl neu zu errichtender Wohnungen eingeführt. Im begründeten Einzelfall ist es geboten, den Anteil zu verringern oder ganz darauf zu verzichten. Projektträger können der Verpflichtung auch dadurch nachkommen, indem sie eine geeignete Fläche im Plangebiet an einen anderen Bauträger zur Umsetzung abtreten. In den vergangenen zwölf Jahren wurden in Berlin nur 12 880 Sozialwohnungen gebaut – im Ergebnis der bundesweit stärkste Rückgang in diesem Bereich. Zum Vergleich: Hamburg ist zwar nur halb so groß wie die Hauptstadt, hat im gleichen Zeitraum aber 28 500 Sozialwohnungen geschaffen.

4. Partikularinteressen
Der Berliner Senat hat die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Howoge dazu verpflichtet, 15 000 „preisgedämpfte Wohnungen“ bis zum Jahr 2025 zu errichten. Nun mehren sich die Proteste. Denn die Howoge will in Innenhöfen ihrer Liegenschaften nachverdichten. Dagegen gehen die Anwohner auf die Barrikaden. Sie fürchten um Grünflächen, Spielplätze, Licht und Luft, in diesem Fall in Lichtenberg. Nun soll der Bezirk ein Konzept zum Schutz der bestehenden Innenhöfe entwickeln, das den Erhalt von Natur und Umwelt in den Vordergrund stellt. Statt der geplanten 240 Wohnungen plädiert man für eine Nulllösung – in Berlin ein Beispiel von vielen.

5. Baufertigstellungen
Nach Meldungen der Bauaufsichtsbehörden wurden in Berlin 2018 insgesamt 16 706 Wohnungen fertiggestellt. Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilt, sind das 6,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 2017 betrug der Anstieg noch 14,7 Prozent und im Jahr 2016 sogar 27,4 Prozent. 4 600 bzw. 27,5 Prozent der fertiggestellten Wohnungen sind Eigentumswohnungen. Neu gebaut wurden 14 463 Wohnungen, 12,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anzahl der Wohnungen in neu gebauten Mehrfamilienhäusern nahm um 12,7 Prozent auf 12 858 Wohnungen zu. In Ein- und Zweifamilienhäusern stieg die Zahl der Fertigstellungen 2018 um 6,7 Prozent auf 1 469 neue Wohnungen. Durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden wurden 2 243 weitere Wohnungen fertiggestellt, gut ein Fünftel weniger als im Vorjahr. Die meisten Wohnungen entstanden in den Bezirken Treptow-Köpenick und Mitte.

6. Hehre Ziele
30 000 neue Wohnungen in Landesbesitz will Berlin bis zum Jahr 2021 schaffen. Aus einem Bericht der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher ging Anfang August hervor, dass es lediglich gut 26 000 werden – und auch nur, wenn im Jahr 2021 mit 10 000 neuen Wohnungen doppelt so viele fertiggestellt werden wie in den Vorjahren. Auch von den schon vor Jahren angekündigten 5 000 zusätzlichen Studentenwohnungen sind erst 734 fertig.

7. Mietpreis­entwicklung
Von 4,49 Euro im Jahr 2005 auf 6,72 Euro im Jahr 2019 ist die durchschnittliche Berliner Nettokaltmiete gestiegen – zwischen 2015 und 2017 noch um 4,6 Prozent jährlich, von 2017 bis 2019 nur noch um 2,5 Prozent. Der aktuelle Mietspiegel 2019, aus dem dies hervorgeht, basiert auf 10 948 Datensätzen von Mietern und Vermietern. Erstmalig seit 2013 erkennen auch die Vermieterverbände diesen Mietspiegel als halbwegs realistisch an. Zum Vergleich: Die Angebotsmieten der einschlägigen Mietportale rangieren für die ersten drei Quartale 2018 im Schnitt bei 10,34 Euro.

8. Wohneigentum
Mit einer personenbezogenen Wohneigentumsquote von 20 Prozent bildet Berlin das bundesweite Schlusslicht. Die höchste Quote gibt es im Saarland mit 64 Prozent, der Bundesdurchschnitt liegt bei 52 Prozent. Für 2015 wies die Statistik für Berlin rund 1,9 Mio. Wohnungen aus, davon 1,6 Mio. Mietwohnungen, von denen etwa 70 Prozent privaten Eigentümern gehören. Nur 15 Prozent des Wohneigentums wird selbst genutzt. Die Angebotspreise boomen: 2018 stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent auf durchschnittlich 4.150 Euro/qm.


9. Spekulation
Eine im vergangenen Jahr vorgelegte Wohnungsmarktstudie des Analysehauses Bulwiengesa im Auftrag der privaten Immobilienwirtschaft (BFW) Berlin-Brandenburg zeigt auf, dass ein Großteil der in Berlin geplanten und bereits genehmigten Wohnungen gar nicht gebaut werden. Bezogen auf die zurückliegenden zehn Jahre wurden nur 54 Prozent realisiert. Einer der Gründe ist die Spekulation mit Baugenehmigungen: Grundstücke werden mit Baurecht weiterverkauft. Das ist lukrativer und weniger riskant als der Bau selbst. Damit haben sich die Grundstückspreise in Berlin der Studie zufolge von 2012 bis 2017 versiebenfacht. Betroffen sind etwa zehn bis 20 Prozent aller Bau­genehmigungen.

10. Wohnfläche
Zweieinhalb Zimmer, 73 qm und 1,8 Bewohner – so sieht sie aus, die Berliner Durchschnittswohnung, wie das Amt für Statistik am Silvestertag 2016 auswies. Während die Wohnungsgröße seit Jahren stetig, wenn auch nur geringfügig zunimmt, verhält es sich mit der Wohnfläche pro Kopf umgekehrt: In Berlin beträgt sie 39,9 qm pro Person, ein Quadratmeter weniger als fünf Jahre zuvor.

Foto: © Unkas Photo / Shutterstock.com


Körner, Andrea

Redaktion