03.12.2021 Ausgabe: 8/21

9. VDIV-Branchenbarometer - Das neue Wohnungseigentumsgesetz und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Mit Beginn der COVID-19- Pandemie und dem ersten Lockdown im März 2020 begann eine für alle herausfordernde Zeit, die viel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verlangte. Die diesjährige Umfrage für das 9. VDIV-Branchenbarometer fand inmitten des zweiten Lockdowns statt, womit es unumgänglich ist, diesen dritten Teil zu den aktuellen Kennzahlen der Branche den Auswirkungen der Pandemie zu widmen.

Die für die meisten deutschen Unternehmen wohl gravierendste Neuerung in diesem Zusammenhang war das Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten. Die VDIV-Umfrage zeigt, dass Personal von Kleinstverwaltungen im Durchschnitt rund 77 Prozent der Arbeitszeit am heimischen Schreibtisch verbrachte. Unternehmen ab 400 Verwalteten Einheiten (VE) nutzten diese Möglichkeit für ihre Belegschaft zu rund 40 Prozent bis 48 Prozent. Die Tendenz zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Homeoffice stieg generell bei Unternehmen ab 3.000 VE. Das hat sich auch im zweiten Lockdown kaum verändert. Mit einer leichten Steigerung von 0,1 bis 1,0 Prozentpunkten wurde noch ein wenig mehr außerhalb der Büroräumlichkeiten gearbeitet als im ersten Lockdown. Eine Ausnahme bildete die Kategorie der Unternehmen mit 1.000 bis 2.999 VE, bei der sich der Prozentsatz minimal reduzierte.


Auswirkungen auf den Umsatz
Die Umsatzveränderungen während der Coronapandemie hielten sich in Grenzen: Rund 75 Prozent der Unternehmen verzeichneten weder Umsatzeinbußen noch -gewinne. Bei rund 24 Prozent gab es eine Veränderung. In Unternehmen, deren Umsätze sich COVID-bedingt veränderten, gab es vor allem Rückgänge im Maklergeschäft und bei den Sonderleistungen – in der Spitze mit Umsatzeinbußen von 75 bis 100 Prozent. Demgegenüber konnten Unternehmen über alle Größenklassen nur minimale Umsatzsteigerungen von 0,6 Prozent erwirtschaften. Zurückzuführen sind die Umsatzrückgänge wohl darauf, dass gerade während des Ausbruchs der Pandemie weniger der für den Maklerumsatz relevanten Wohnungsumzüge stattfanden und Sonderleistungen nicht abgerechnet werden konnten, weil Sanierungen nicht beschlossen wurden. Es ist davon auszugehen, dass mit der Rückkehr der Normalität im Tagesgeschäft sich im Jahr 2022 auch die Zahlen wieder erholen.


Auswirkungen auf Beschlussfassungen
Rund 62 Prozent der Verwaltungsunternehmen haben aufgrund der Pandemie geplante und notwendige Beschlussfassungen zu Sanierungen verschoben. Daraus resultierend musste ein Großteil des Sanierungsvolumens von 2020 auf 2021 oder sogar 2022 verlegt werden. Über alle Größenklassen wurden rund 53 Prozent aller Sanierungspläne verschoben. Dies wird im Jahr 2022 und in den folgenden zu einem enormen Nachholbedarf führen, um den ohnehin akuten und nun noch verstärkten Sanierungsstau abzubauen. Gerade die großen Unternehmen ab 3.000 VE mussten ein durchschnittliches signifikantes Sanierungsvolumen von über 3,1 Millionen Euro aufschieben.


Chancen der WEG-Reform
Verwaltungsunternehmen sind nun einmal mehr dazu angehalten, die Chancen der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) zu nutzen und die Beschlussfähigkeit ihrer Eigentümergemeinschaften durch den Einsatz digitaler Instrumente zu sichern. Die neue Regierung wird es in der Hand haben, durch die Ermöglichung reiner Onlineigentümerversammlungen und die weitere Öffnung des Umlaufverfahrens die Handlungsfähigkeit und Flexibilität von Eigentümergemeinschaften zu erhöhen und den Sanierungsstau endlich effektiv aufzulösen.

Das am 1. Dezember 2020 in Kraft getretene neue WEG regelt entscheidende Bereiche komplett neu – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Verwalterpraxis. Insbesondere der vergrößerte Gestaltungsspielraum bei Aufgaben und Befugnissen des Verwalters wird die Tätigkeit erleichtern und bietet Chancen für professionelle Verwaltungen. Dabei eröffnen individuell vereinbarte Leistungskataloge die Möglichkeit, das eigene Leistungsspektrum stärker in den Fokus zu rücken – zugleich auch die Chance, die Abkehr vom „reinen Preisvergleich“ einzuleiten und individuelle Stärken der eigenen Verwaltung in den Vordergrund zu stellen. Mit digitalen Umlaufverfahren und der Online- oder Hybrid-Teilnahme an Eigentümerversammlungen halten nunmehr auch zeitgemäße Technologien in die WEG-Verwaltung Einzug. Damit entstehen neue und wichtige Impulse, die auch das Berufsbild attraktiver machen.


Sondererhebung des VDIV Deutschland zur WEG-Reform
Die Relevanz des Themas hat der VDIV Deutschland zum Anlass für eine Sondererhebung im Rahmen der Umfrage zum 9. VDIV-Branchenbarometer genommen. Diese schloss direkt an den umfangreichen Fragebogen zur Branchenerhebung an, wobei die zusätzlichen Angaben nicht verpflichtend waren. Insgesamt haben 310 Teilnehmer zu einer soliden Datengrundlage und aussagekräftigen Ergebnissen beigetragen. So bietet das VDIV-Branchenbarometer erstmals einen konkreten Überblick, wie die WEG-Reform in der Branche angenommen wird und wie die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes sowie für unternehmerische Entscheidungen beurteilt und genutzt werden.


Digitalisierung der Eigentümerversammlung
Grundlegende Neuerung des neuen WEG: Eigentümergemeinschaften können nunmehr rechtssicher beschließen, dass die Teilnahme an Eigentümerversammlungen per Video- oder Online-Schaltung möglich ist. So können Wohnungseigentümer auch teilnehmen, ohne vor Ort zu sein, und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise mithilfe elektronischer Kommunikation ausüben. Aus Eigentümersicht bietet dies signifikante Vorteile und stellt daher einen erheblichen Mehrwert dar: Die Teilnahme ist ortsunabhängig, Anfahrtswege entfallen, man wird flexibler. Auch mit Blick auf die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen wird deutlich, dass digitale Formate entscheidend sein können, um Eigentümerversammlungen langfristig zu planen und mit nötigen Beschlüssen nicht in Verzug zu geraten. Wenig verwunderlich, dass die Digitalisierung der Eigentümerversammlung und damit die Online-Teilnahme sich immer mehr durchsetzt – auch auf Wunsch der Eigentümer. Knapp zwei Drittel der befragten Verwaltungen planen, künftig verstärkt die Möglichkeit zur Online-Teilnahme anzubieten.

Betrachtet man konkrete Varianten der Umsetzung von Online-Versammlungen, ist für die meisten Verwaltungsunternehmen die Hybridveranstaltung aktuell noch die naheliegendste Lösung. Dies dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass diese Form mit der WEG-Novelle gesetzlich verankert wurde, während reine Online-Versammlungen ohne vorherigen Beschluss nur rechtssicher sind, wenn bereits die Teilungserklärung dies vorsieht, was selten der Fall ist. Für die Zukunft sieht über ein Viertel der Befragten hier aber enormes Potenzial. Mehr als ein Drittel der Befragten präferiert die Vertreterversammlung, bei der sich Verwalter und Eigentümer in einem ersten Schritt digital treffen, zu den Beschlussgegenständen ein Stimmungsbild einholen und im Nachgang mithilfe von Vollmachten Beschlüsse herbeigeführt werden.

Seit Beginn der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen rät der VDIV Deutschland Immobilienverwaltungen und Eigentümergemeinschaften zu diesem Format und empfiehlt, in enger Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat auch im laufenden Jahr verstärkt davon Gebrauch zu machen.

Gerade im Hinblick auf das derzeitige Infektionsgeschehen liegen die Vorteile der Neuerungen des WEG auf der Hand, es bietet Eigentümerinnen und Eigentümern neue Möglichkeiten und viele Erleichterungen. Wenn auch noch schwierige Fragen im Detail zu klären sind und die Ermöglichung reiner Online-Eigentümerversammlungen noch aussteht, wurde das Wohnungseigentumsrecht fit für die Herausforderungen der Zukunft gemacht.

NEUE KENNZAHLEN
Das 9. VDIV-Branchenbarometer mit umfangreichen betriebswirtschaftlichen Daten und weitreichenden Details zur Immobilienverwaltungsbranche kann unter ww.vdiv.de/branchenbarometer bestellt werden. Unternehmen, die an der Umfrage mitgewirkt haben, erhalten die Publikation kostenlos. Für Mitglieder der VDIV-Landesverbände beträgt der Preis 39 Euro, für Immobilienverwaltungen, die keine Mitglieder sind, 79 Euro. Branchenfremde Unternehmen, Behörden und Verbände können es für 149 Euro bestellen, Unternehmensberatungen und Rechtsanwälte für 249 Euro (alle Preise zzgl. USt.).
 

Fuchs, Nadine

Referentin der Geschäftsführung des VDIV Deutschland