03.09.2021 Ausgabe: 5/21

Aktuelle Urteile - Darum, wann Verwaltungen die Jahresabrechnung wirklich selbst erstellen müssen, ging es vor Gericht und um das Stimmrecht werdender Eigentümer.

Aufstellung der Jahresabrechnung  als vertretbare Handlung
(BGH, Urteil vom 26.2.2021 – Az. V ZR 290/19)


DAS THEMA
Vorliegend beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob die Neuerstellung einer mehrmals fehlerhaften Jahresabrechnung als vertretbare Handlung gelten und daher im Wege der Ersatzvornahme durch einen Dritten aufgestellt werden kann. Die beklagte Verwalterin hatte wiederholt fehlerhafte Jahresabrechnungen vorgelegt, die keine Basis für entsprechende Beschlussfassungen boten. Die endgültige Verweigerung einer erneuten Korrektur führte schließlich zu vorliegendem Urteil. 

DER FALL
Die Beklagte  war in der Zeit vom  25. Juli 2005 bis 3. September 2009 zur Verwalterin der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt. Im Rahmen dieser Tätigkeit erstellte sie die Jahresabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2008. Die Beschlüsse, durch die die Jahresabrechnungen für 2005 bis 2007 genehmigt worden waren, wurden gerichtlich für ungültig erklärt. Die Beklagte erstellte diese Abrechnungen daraufhin neu. 

Auf der Eigentümerversammlung vom 9. November 2012 wurden weder die neu erstellten Abrechnungen für 2005 bis 2007 noch die Abrechnung für das Jahr 2008 genehmigt. Die Wohnungseigentümer beschlossen vielmehr, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, die Beklagte mit Fristsetzung aufzufordern, „die vorliegenden fehlerhaften und unschlüssigen Jahresabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2008 (…) schlüssig und nachvollziehbar neu zu erstellen“. Die Beklagte wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Dezember 2012 zur Neuerstellung der vier Jahresabrechnungen aufgefordert. Sie ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 25. Januar 2013 mitteilen, die erneute Erstellung der Jahresabrechnungen werde abgelehnt, weil die Abrechnungen formell und materiell richtig seien und den gesetzlichen Vorgaben sowie der Rechtsprechung entsprächen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten in erster Linie die Zahlung eines Vorschusses für die Neuerstellung der Jahresabrechnungen für 2005 bis 2008 in Höhe von 3.808 Euro nebst Zinsen sowie Ersatz nicht anrechenbarer außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 642,60 Euro, hilfsweise die Neuerstellung der genannten Abrechnungen. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung des Hauptantrags zur Neuerstellung der Abrechnungen verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte bis auf einen Teil der Zinsen nach dem Hauptantrag verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, mit der sie weiterhin die Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen will. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Der BGH stellte fest, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts einer rechtlichen Prüfung standhalten, und wies damit den Antrag der Beklagten zurück. Die Klägerin kann von der beklagten Verwalterin somit nach § 637 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – hier ist der Vorschussanspruch für eine Ersatzvornahme im Werkvertragsrecht geregelt – einen Vorschuss für die Neuerstellung der Jahresabrechnungen für die streitgegenständlichen Jahre verlangen. 

Nachdem der BGH ausführlich darlegt, dass vorliegend eine Vorschrift aus dem Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, obwohl es sich bei dem Verwaltervertrag um einen auf Geschäftsbesorgung gerichteten Dienstvertrag handelt, geht er näher auf diese Norm ein. Er stellt fest, dass § 637 Abs. 3 BGB insbesondere dann auf die Verpflichtungen eines Verwalters zur Aufstellung der Jahresabrechnung Anwendung findet, wenn (zur Beschlussvorbereitung) nur Zahlenwerk verlangt wird – allerdings nur dann, wenn die Erstellung der Jahresabrechnung eine vertretbare Handlung ist, also auch von einem Dritten vorgenommen werden kann. 

Hier unterscheidet der BGH zwei Anforderungen an die Jahresabrechnung: Soll der Verwalter nur das Zahlenwerk zur Abrechnung erstellen, so handelt es sich um eine vertretbare Handlung. Soll der Verwalter jedoch zudem versichern, dass er die bei seiner Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums angefallenen Einnahmen und Ausgaben nach bestem Wissen vollständig angegeben hat, liegt eine unvertretbare Handlung vor. In zweitem Fall käme § 637 Abs. 3 BGB nicht zur Anwendung, da eine Ersatzvornahme ausgeschlossen wäre. 

Dieses Zahlenwerk erfüllt somit eine doppelte Funktion: Zum ersten ist das Zahlenwerk die unverzichtbare Unterlage zur Vorbereitung der Beschlüsse, die die Wohnungseigentümer zur Finanzierung ihrer Gemeinschaft zu fassen haben. Zum zweiten enthält es in der Gestalt der Gesamtabrechnung die „Rechnung“, die der Verwalter zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung gemäß den §§ 675, 666, § 259 Abs. 1 BGB vorzulegen hat. Hierbei handelt es sich wiederum um eine unvertretbare Handlung, da diese Rechnung die konkludente Erklärung des Verwalters enthält, die bei seiner Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums angefallenen Einnahmen und Ausgaben nach bestem Wissen vollständig angegeben zu haben. Sie setzt besondere Kenntnisse voraus, die nur der Verwalter haben kann.

Im Ergebnis, so der Senat, liegt hier ein Fall der vertretbaren Handlung vor: Die Wohnungseigentümergemeinschaft benötigte ausschließlich das Zahlenwerk, um die Finanzierung der Gemeinschaft handlungsfähig zu halten und die Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung von Vorschüssen zu ermöglichen. Das Zahlenwerk ist die unverzichtbare Unterlage zur Vorbereitung dieser Beschlüsse. Ohne dieses Zahlenwerk kann die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht feststellen, ob die Vorschüsse für das abgelaufene Kalenderjahr ausgereicht haben, Nachzahlungen erforderlich oder Erstattungen zu veranlassen und wie die Ergebnisse der Gesamtabrechnung den einzelnen Wohnungseigentümern zuzuordnen sind. Ohne die Jahresabrechnung lässt sich letztlich auch der Wirtschaftsplan für das neue Kalenderjahr nicht erstellen, weil keine Grundlage für die Anpassung des Wirtschaftsplans des abgelaufenen Kalenderjahres vorhanden wäre. Im Ergebnis könnten die Wohnungseigentümer ohne das Zahlenwerk der Jahresabrechnung die Finanzierung ihrer Gemeinschaft nicht sicherstellen. In dieser Funktion unterscheidet sich die Jahresabrechnung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft von der Abrechnung etwa des Vermieters über die Betriebskosten.

Selbst wenn die Erstellung der Jahresabrechnung mehrfach fehlerhaft erfolgt ist, kann und darf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diese Verletzung der Beschlussvorbereitungspflicht nicht hinnehmen, § 28 Abs. 2 S. 2 WEG. Sie muss dafür Sorge tragen, dass eine beschlussfähige Jahresabrechnung erstellt wird, und diese – wie hier beantragt – notfalls durch einen Dritten erstellen lassen. Hierfür darf ein Vorschuss nach Werkvertragsrecht verlangt werden. 

VERWALTERSTRATEGIE 
Die Erstellung der Jahresabrechnung ist eine der Hauptpflichten einer Verwaltung. Der BGH erklärt mit diesem Urteil den rechtlichen Weg einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erlangung eines ordnungsgemäßen Zahlenwerks, um durch darauf basierende Beschlüsse finanziell handlungsfähig zu bleiben, falls der Verwalter dieser Pflicht nicht sorgsam nachkommt. Dabei unterstreicht der BGH die Wichtigkeit der Jahresabrechnung für die Wohnungseigentümergemeinschaft und damit die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aufstellung durch die Verwaltung. 

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.