14.12.2020 Ausgabe: 7/20

Aktuelle Urteile: Der BGH hat die Debatte um Schönheitsreparaturen um ein salomonisches Urteil bereichert und zudem entschieden, wie sich Schonfristzahlungen im Kündigungsfall auf Härtegründe auswirken.

Beteiligung des Mieters an Schönheitsreparaturen bei unrenovierter Übergabe einer Wohnung
(BGH, Urteil vom 8.7.2020 – Az. VIII ZR 163/18, Parallelverfahren Az. VIII ZR 270/18)

DAS THEMA
Bereits im Jahr 2015 hatte der VIII. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) entschieden, dass die Überwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter in einem Formularvertrag unwirksam ist, wenn die Wohnung unrenoviert übergeben und dem Mieter kein finanzieller Ausgleich dafür zugestanden wird, dass er somit bei der Ausführung der Schönheitsreparaturen auch vom Vormieter verursachte Abnutzungen zu beseitigen hätte. In diesem Fall ist der Mieter nicht verpflichtet, Schönheitsreparaturen vorzunehmen, weder während der Mietzeit, noch an deren Ende. Nun hatte sich der BGH mit der umgekehrten Situation zu befassen, nämlich mit der Frage, ob die Mieter während der Mietzeit einen Anspruch gegen den Vermieter auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen haben. Der BGH trifft hier eine geradezu salomonische Entscheidung, in der er auf die Grundsätze von Treu und Glauben zurückgreift und dem Mieter eine Kostenbeteiligung von in der Regel 50 Prozent an den Aufwendungen auferlegt.

DER FALL
Die Mieter hatten die unrenovierte Wohnung im Jahr 2002 nach Besichtigung im Zustand wie sie steht und liegt angemietet. Im Mietvertrag war formularvertraglich vereinbart, dass die Mieter die Schönheitsreparaturen übernehmen. Im Laufe des langen Mietverhältnisses verschlechterte sich der Zustand der Wohnung gegenüber dem bei Übernahme. Die Mieter ließen daher einen Kostenvoranschlag über Schönheitsreparaturen erstellen und forderten den Vermieter auf, diese Kosten zu übernehmen, deren Höhe jedenfalls in der Revisionsentscheidung (noch) nicht umstritten war. Amtsgericht und Landgericht Berlin wiesen die Klage der Mieter ab, die Revision hatte jedoch teilweise Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

Auch nach Ansicht des BGH hat das Landgericht völlig zutreffend entschieden, dass die formularvertragliche Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter wegen der Übergabe einer unrenovierten Wohnung unwirksam ist. Hieraus hat das Landgericht jedoch eine „Vertragslücke“ abgeleitet, die es dahingehend schließen wollte, dass keine der beiden Vertragsparteien, weder Mieter noch Vermieter, zur Vornahme der Schönheitsreparaturen während der Mietzeit verpflichtet sei. Selbst wenn man eine entsprechende Verpflichtung des Vermieters annehmen würde, so müsste eine vollständige Vornahme der Schönheitsreparaturen zwangsläufig zu einer Verbesserung des ursprünglichen Übergabezustands führen, der nicht geschuldet sei. Eine Verpflichtung des Vermieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen ergebe sich daher erst, wenn diese erforderlich seien, um Substanzschäden vorzubeugen.

Dieser weiteren Argumentation folgt der BGH nicht. Zwar stellt er ganz klar, dass der unrenovierte Zustand bei Übergabe dem vertragsgemäßen Zustand entspricht. Ein unrenovierter Zustand kann als vertragsgemäß auch dann vereinbart werden, wenn der Mieter hierfür keinen entsprechenden Ausgleich erhält. Sofern im Mietvertrag nichts anderes vereinbart ist, genügt für eine solche Regelung bereits die Besichtigung. Es besteht jedoch keine Möglichkeit zu einer ergänzenden Vertragsauslegung wegen einer Vertragslücke nach Wegfall der Schönheitsreparaturklausel; vielmehr gilt dann die gesetzliche Regelung, § 535 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Vermieter die Instandhaltungslast trägt.

Diese Verpflichtung des Vermieters greift ein, sobald sich der Ist-Zustand der Wohnung gegenüber dem vertraglichen Soll-Zustand verschlechtert, insbesondere also nach vertragsgemäßer Abnutzung, die zur Notwendigkeit von Schönheitsreparaturen führt. Diese vertragsgemäße Abnutzung ist auf jeder Stufe ein Mangel, nicht erst bei Vorliegen von Substanzschäden.

Hierbei sieht der BGH jedoch durchaus, dass eine Wiederherstellung des anfänglichen (gebrauchten) Zustands nicht praktikabel, jedenfalls wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sondern eine vollständige Renovierung erfolgen muss, und er stellt auch klar, dass der Zustand nach der vollständigen Renovierung dann über den vertraglich geschuldeten Zustand deutlich hinausgeht und insoweit eine Verbesserung darstellt. Hieraus kann man jedoch nicht, anders als die Vorinstanz, darauf schließen, dass ein solcher Anspruch vollkommen ausgeschlossen wäre. Die Besserstellung des Mieters muss dadurch ausgeglichen werden, dass dieser sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) in angemessenem Umfang an den Kosten der Schönheitsreparaturen zu beteiligen hat. Wie hoch diese Beteiligung ist, muss im Einzelfall durch Abwägung entschieden werden und kann gegebenenfalls auch vom Tatrichter nach § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) geschätzt werden. Soweit nicht im Einzelfall Besonderheiten vorliegen, ist nach Ansicht des BGH in der Regel eine hälftige Kostenbeteiligung sachgerecht. Die Entscheidung wurde daher für diese Abwägung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Verwalter­strategie
Soweit Mieter bei Vorliegen einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel und Übergabe einer Wohnung in unrenoviertem Zustand an den Vermieter mit der Bitte um Durchführung von Schönheitsreparaturen herantreten, sollte der Vermieter die Mieter auf ihre hälftige Kostenbeteiligung ­hinweisen.

Natürlich wirft die Entscheidung weitere Fragen auf: Einige Mietverträge enthalten inzwischen ausdrückliche Freizeichnungsklauseln, wonach der Vermieter jedenfalls nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. In den Ausführungen des BGH zum Vorliegen eines Mangels könnte möglicherweise ein Hinweis liegen, dass auch solche Freizeichnungsklauseln formularvertraglich unwirksam sind. Bei der praktischen Durchführung ist zu überlegen, ob der Vermieter die Schönheitsreparaturen durchführt und sich die Hälfte der Kosten vom Mieter holt, oder ob die Mieter einen Kostenvorschuss des Vermieters anfordern, den sie jedoch nur zur Hälfte erhalten und dann aber verpflichtet sind, die Schönheitsreparaturen fachgerecht und insgesamt durchzuführen. Besonders schwierig dürfte es bei Mietverhältnissen werden, in denen das Jobcenter die Miete übernimmt; hier ist nicht geklärt, inwieweit auch die hälftige Kostenbeteiligung des Mieters übernommen wird.

Foto: © mihalec / Shutterstock.com


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.