13.03.2020 Ausgabe: 1/20

Aktuelle Urteile - Die Kunst der ordnungsgemäßen WEG-Beschlussfassung: Der BGH beschäftigte sich mit der Abmahnung eines Miteigentümers und der Verwalterbestellung.

ZU DEN VORAUSSETZUNGEN EINES ABMAHNBESCHLUSSES (BGH, Urteil vom 5.4.2019, Az. V ZR 339/17)

DAS THEMA
Das Wohnungseigentumsgesetz sieht in § 18 Abs. 1 für die Wohnungseigentümergemeinschaft die Möglichkeit vor, von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen zu können, wenn sich dieser einer so schweren Verletzung der ihm obliegenden Verpflichtungen gegenüber anderen Wohnungseigentümern schuldig macht, dass ihnen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen insbesondere vor, wenn der Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen den ihm obliegenden Pflichtenkatalog aus § 14 WEG verstößt. Wann ein solcher Abmahnbeschluss nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG rechtswirksam ist und welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen, damit beschäftigte sich der BGH in vorliegendem Fall.

DER FALL
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. An der Eigentümerversammlung am 31. August 2016 nahmen die Kläger nicht teil. Am nächsten Morgen forderten sie die Verwalterin per E-Mail unter Fristsetzung auf, ihnen eine Kopie aller Beschlüsse vom Vortag zuzusenden und fügten an, dass für den Fall, dass die Verwalterin dem nicht rechtzeitig nachkommen sollte, ihnen die Möglichkeit einer Abberufung aus wichtigem Grund wegen Pflichtverletzung offenstünde.

Bei einer auf Betreiben der Kläger einberufenen außerordentlichen Eigentümerversammlung am 30. November 2016 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig eine Abmahnung gegenüber den Klägern mit der Begründung, dass auf Betreiben der Kläger nun bereits die zweite Verwaltung ihren Vertrag nicht mehr verlängern wolle und es seit Jahren das Ziel der Kläger sei, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und Ankündigung der Abwahl zu zermürben und damit die Gemeinschaft in einen verwalterlosen Zustand zu treiben. Damit hätten die Kläger mehrfach gegen die ihnen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Verpflichtungen verstoßen, was eine Abmahnung rechtfertige. Die Kläger haben diesen Beschluss angefochten. In der Klageschrift haben sie ausgeführt, der angegriffene Beschluss sei nicht nur ordnungswidrig, sondern auch nichtig, da in ihre elementaren Rechte als Wohnungseigentümer eingegriffen werde.

Das Amtsgericht wies die Beschlussanfechtungsklage ab. Das Landgericht wies die Berufung der Kläger mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger weiterhin die Ungültigerklärung der Abmahnung. Auch die Revision hatte keinen Erfolg.

Zuerst stellte der BGH fest, dass der angefochtene Abmahnbeschluss im Beschlussanfechtungsverfahren nur auf folgende Fragen hin eingeschränkt überprüfbar ist: Sind die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten? Kann das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen? Ist die Abmahnung hinreichend bestimmt? Eine Prüfung der materiellen Richtigkeit der Abmahnung hingegen ist dem auf den Entziehungsbeschluss folgenden gerichtlichen Entziehungsprozess vorbehalten.

Unter diesen eingeschränkten Prüfungsvoraussetzungen ist der streitgegenständliche Abmahnbeschluss nicht zu beanstanden. Zwar kann die Entziehung des Wohnungseigentums grundsätzlich nicht auf die Ausübung von Eigentümerrechten durch den betroffenen Wohnungseigentümer gestützt werden. Ist diese Ausübung jedoch rechtsmissbräuchlich und hat diese Rechtsmissbräuchlichkeit ein entsprechendes Gewicht, kann die Entziehung des Wohnungseigentums nach Maßgabe von § 18 WEG gerechtfertigt sein.

An das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs sind aber strenge Anforderungen zu stellen, da es sich um einen Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Wohnungseigentümers handelt. Begründet nun ein Wohnungseigentümer eine Beschlussanfechtungsklage nicht oder nicht nachvollziehbar oder macht er von seinen Rechten etwa durch Erhebung zahlreicher Beschlussanfechtungsklagen umfangreich Gebrauch, reicht dies für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht aus. Vielmehr muss der Wohnungseigentümer diese Rechte ausschließlich mit einem wohnungseigentumsfremden oder -feindlichen Ziel wahrnehmen. Zudem darf diese Wahrnehmung nach Intensität und Umfang ihrer Instrumentalisierung für solche Ziele den übrigen Wohnungseigentümern nicht mehr zugemutet werden können.

Ein solcher Rechtsmissbrauch wird hier durch die Beklagten angeführt. Demnach agierten die Kläger mit dem ausschließlichen Ziel, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und die Ankündigung einer Abwahl zu zermürben und so einen verwalterlosen Zustand herbeizuführen. Ein solcher Missbrauch kann die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen, denn: Eine Destabilisierung der Wohnungseigentümergemeinschaft steht im diametralen Gegensatz zu Kernanliegen des Wohnungseigentumsgesetzes. Diese bestehen in der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und in der Absicherung eines geordneten Zusammenlebens der Wohnungseigentümer. Diese Ziele sind nach dem Grundkonzept des Gesetzes – insbesondere bei größeren Wohnungseigentumsanlagen – durch einen bestellten Verwalter zu erreichen. Existiert nun keine Verwaltung, so wären u. a. die geordnete Aufbringung der zu dessen Verwaltung benötigten Mittel, die Erfüllung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen und das Zustandekommen der für die Verwaltung erforderlichen Beschlüsse der Wohnungseigentümer nicht mehr gewährleistet. Legt es nun ein Wohnungseigentümer bei der Wahrnehmung seiner Eigentümerrechte darauf an, die Gemeinschaft in einen solchen Zustand zu führen, so missbraucht er seine Rechte für einen wohnungseigentumsfeindlichen Zweck und verletzt durch diese Instrumentalisierung seiner Rechte die ihm gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft obliegenden Pflichten gröblich. Ein solches Verhalten ist den anderen Wohnungseigentümern nicht zumutbar.

Letztlich stellt der BGH die hinreichende Bestimmtheit des Beschlusses fest. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Abmahnung ergeben sich aus deren Zweck, der darin besteht, dem Wohnungseigentümer ein bestimmtes, als Entziehungsgrund beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen und dies mit der Aufforderung zu verbinden, das Verhalten zur Vermeidung eines Entziehungsbeschlusses aufzugeben oder zu ändern. Diese Voraussetzung haben die Beklagten in ihrem Abmahnbeschluss hinreichend deutlich und ausführlich erfüllt. Nicht zu prüfen hatte der BGH, ob diese Vorwürfe tatsächlich zutreffen, da die materielle Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht im vorliegenden Verfahren über die Anfechtung des Abmahnbeschlusses, sondern in einem gerichtlichen Entziehungsverfahren zu prüfen ist.

Verwalter­strategie
Zweck des Wohnungseigentumsgesetzes ist es, ein geregeltes und geordnetes Zusammenleben mehrerer Wohnungseigentümer sicherzustellen. Agiert nun eine Partei gegen die Grundsätze der Rechtsordnung, so sind in § 18 WEG für die übrigen Wohnungseigentümer Handlungsmöglichkeiten vorgesehen, die von einer Abmahnung bis zur Entziehung reichen. Hierfür sind Beschlüsse notwendig, deren Vorbereitung in der Verantwortung der Verwalter steht. Sichergestellt werden sollte daher, dass sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sind, damit ein etwaiges Beschlussanfechtungsverfahren erfolglos bleibt.
Zweck des Wohnungseigentumsgesetzes ist es, ein geregeltes und geordnetes Zusammenleben mehrerer Wohnungseigentümer sicherzustellen. Agiert nun eine Partei gegen die Grundsätze der Rechtsordnung, so sind in § 18 WEG für die übrigen Wohnungseigentümer Handlungsmöglichkeiten vorgesehen, die von einer Abmahnung bis zur Entziehung reichen. Hierfür sind Beschlüsse notwendig, deren Vorbereitung in der Verantwortung der Verwalter steht. Sichergestellt werden sollte daher, dass sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sind, damit ein etwaiges Beschlussanfechtungsverfahren erfolglos bleibt.

Foto: © Alexander Kirch / Shutterstock.com


Warken, Victoria E.

Dr. Susanne Schießer
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

Victoria E. Warken
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
www.asd-law.com