14.10.2021 Ausgabe: 6/2021

Aktuelle Urteile - Diesmal beschäftigte die Gerichte eine knifflige Fallkonstellation für eine Anfechtungsklage, zudem die Frage, wann dem Grundbuchamt wirklich eine Verwalterbestellung nachgewiesen werden muss.

BESCHLUSSANFECHTUNG DURCH EINEN NIESSBRAUCHBERECHTIGTEN
(BGH, Urteil vom 27.11.2020 – Az. V ZR 71/20)

DAS THEMA
Es galt, einen Beschluss anzufechten. Die Klage wurde aber nicht von der im Wohnungseigentumsgrundbuch als Eigentümerin eingetragenen Tochter erhoben, sondern von ihren Eltern, den Voreigentümern, die von ihr zur Prozessführung ermächtigt worden waren. Gericht und Beklagter wussten nichts von der Ermächtigung oder davon, dass die Tochter eingetragene Eigentümerin ist, und gingen somit davon aus, die Eltern klagten aus eigenem Recht. Nun nahm der Bundesgerichtshof (BGH) zu dieser Fallkonstellation Stellung.

DER FALL
Die Kläger waren und sind inzwischen wieder Mitglieder der mit den Beklagten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Mai 2001 übertrugen sie ihr Wohnungseigentum an ihre Tochter, wobei sie sich einen Nießbrauch an der Wohnung vorbehielten. In der Eigentümerversammlung vom 7. Juni 2018 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich den Beschluss, ein bestimmtes Unternehmen mit der Pflege der Außenanlage zu beauftragen. Seit dem 25. Oktober 2018 sind die Kläger wieder zu einem geringen Anteil als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen.

Anfang Juli 2018 erhoben die Kläger Anfechtungsklage gegen den genannten Beschluss. Im September 2018 teilten sie dem Gericht die Eigentumsübertragung aus dem Jahre 2001 mit und reichten nachfolgend eine auf den 24. Mai 2001 datierte Vollmacht ein, mit der sie von ihrer Tochter bevollmächtigt worden waren, ihre Rechte in Gerichtsverfahren als Prozessstandschafter im eigenen Namen geltend zu machen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, möchten die Kläger weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

Der BGH urteilte, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist. Die Prozessführungsbefugnis ergibt sich trotz der Stellung der Kläger als Nießbraucher zum Zeitpunkt der Klageerhebung aus der Ermächtigung der Tochter zur Prozessführung. Die Unbegründetheit der Klage ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kläger bei Klageerhebung nicht Wohnungseigentümer waren, sie nicht innerhalb der Klagefrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz alte Fassung (WEG a. F.) – nun § 45 S. 1 WEG – offengelegt haben und auch nicht offensichtlich war, dass sie die Klage in Prozessstandschaft für ihre Tochter erheben. Erhebt ein Dritter als Prozessstandschafter für einen Wohnungseigentümer Anfechtungsklage, muss die Ermächtigung zu dieser Prozessführung bereits innerhalb der Klagefrist objektiv vorliegen. Zudem muss sie offengelegt oder offensichtlich sein; andernfalls ist die Klage (vorbehaltlich etwaiger Nichtigkeitsgründe) als unbegründet abzuweisen.

Zur Anfechtungsfrist: Die Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG a. F. (nun § 45 S. 1 WEG) ist nur gewahrt, wenn die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats von einer Person erhoben wird, der entweder ein eigenes Anfechtungsrecht zusteht, oder die zur Ausübung eines fremden Anfechtungsrechts befugt ist. Die Klage eines Dritten wahrt die Anfechtungsfrist nur, wenn die Voraussetzungen der Prozessstandschaft innerhalb der Frist vorliegen, insbesondere die von dem Wohnungseigentümer erteilte Ermächtigung zur Prozessführung. Wird die Klageerhebung durch den Dritten nach Ablauf einer materiell-rechtlichen Klagefrist vom Inhaber des Rechts genehmigt, wirkt die Genehmigung nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück.

Zur Offenlegung: Die gewillkürte Prozessstandschaft muss bei der Anfechtungsklage innerhalb der Fristen aus § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a. F. (nun § 45 S. 1 WEG) offengelegt, das heißt dem Gericht und der Gegenseite mitgeteilt werden. Nach ganz herrschender Meinung ist diese Prozessstandschaft innerhalb der Klagefrist von einem Monat offenzulegen. Für diese Ansicht sprechen neben der einschlägigen BGH-Rechtsprechung auch Sinn und Zweck dieser Fristen. Sie sind Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, über die Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Sie führen dazu, dass für die Wohnungseigentümer und für die zur Ausführung von Beschlüssen berufene Verwaltung zumindest im Hinblick auf Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber besteht, ob, in welchem Umfang und auf Basis welcher tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Hierzu gehört auch die Frage, ob die Klage durch eine anfechtungsberechtigte Person erhoben wurde. Diesbezügliche Klarheit besteht erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Prozessstandschaft offengelegt wird, da erst dann ersichtlich ist, dass die Berechtigung zur Klage auf eine Ermächtigung durch einen Wohnungseigentümer gestützt wird.

Vorliegend war die Prozessstandschaft der Kläger nicht offenkundig und ihre Offenlegung daher nicht entbehrlich. Entbehrlichkeit wäre dann anzunehmen, wenn für alle Beteiligten des Rechtsstreits Klarheit darüber bestanden hätte, dass der Kläger die Klage als gewillkürter Prozessstandschafter erhebt. Hier waren die Beklagten indes davon ausgegangen, die Kläger seien als Wohnungseigentümer direkt klagebefugt. Aber die Klage eines Dritten, der die Prozessstandschaft verschweigt und den Eindruck erweckt, er sei (noch) Wohnungseigentümer und als solcher aus eigenem Recht klagebefugt, wahrt die Anfechtungsfrist nicht. Die Offenlegung der Prozessstandschaft ist letztlich nicht schon dann entbehrlich, wenn offenkundig ist, welches konkrete Wohnungseigentum Grundlage der Klagebefugnis sein soll. Vielmehr muss auch offenkundig sein, dass dieses Wohnungseigentum nicht dem Kläger zusteht und dieser die Klage (lediglich) als gewillkürter Prozessstandschafter erhebt.

Verwalter­strategie
Das vorliegende Urteil diskutiert die Voraussetzungen einer sog. „gewillkürten“, also durch Bevollmächtigung übertragenen Prozessstandschaft bei einem Prozess im Rahmen des Wohnungseigentumsrechts. Soll ein Beschluss durch einen Dritten angefochten werden, sind demnach drei große Voraussetzungen zu beachten: Zuerst muss eine Ermächtigung des betroffenen Wohnungseigentümers zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen. Die Klage muss zudem im gesetzlichen Zeitrahmen von einem Monat erhoben werden, und letztlich muss die Tatsache, dass der Kläger nicht selbst Wohnungseigentümer ist, dem Gericht und Gegner offengelegt werden. Fehlt es an einer dieser Eigenschaften, ist ein Scheitern der Klage entweder aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen nahezu sicher.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.