02.11.2021 Ausgabe: 7/21

Aktuelle Urteile: Höchstrichterliche Entscheidungen gab es diesmal zur Beschlusskompetenz – in Bezug auf die Jahresabrechnung und auf Verwalterkompetenzen sowie ihre Vergütung.

BESCHLUSS ÜBER JAHRESABRECHNUNG DURCH GESAMTGEMEINSCHAFT
(BGH, Urteil vom 16.7.2021 – Az. V ZR 163/20)

DAS THEMA
Eine Gesamtwohnungseigentümergemeinschaft, die nochmals in Untergemeinschaften unterteilt war, beschloss die Jahresabrechnung der gesamten Anlage, die eine Entnahme aus der Instandhaltungsrücklage eines der Häuser beinhaltete. Hiergegen wehrten sich die Kläger – ­erfolgreich?

DER FALL
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die in mehrere Untergemeinschaften gegliedert ist. Die Gemeinschaftsordnung (GO) enthält dazu folgende Regelungen:

„§ 11 Ziff. 5: Die Kosten und Lasten gemäß Ziffern 1 und 2 werden – soweit möglich – für jede Untergemeinschaft (vgl. § 18) gesondert ausgeworfen: Jede Untergemeinschaft (Häuser Nr. 1, 3 – 16 und die jeweilige Tiefgarage) trägt sämtliche ihrem Haus […] zuzuordnenden Kosten und Lasten so, als wenn sie eine eigene Wohnungseigentümergemeinschaft wäre. […]

§ 14 Ziff. 7: Bei Angelegenheiten, die ausschließlich einer bestimmten Untergemeinschaft zuzuordnen sind, insbesondere bei solchen, die sich auf die alleinige Kosten- und Lastentragung der betreffenden Untergemeinschaft auswirken, sind allein die Mitglieder dieser Untergemeinschaft stimmberechtigt. […]

§ 18 Ziff. 1: (2) Diese Gemeinschaften bilden in tatsächlicher Hinsicht voneinander getrennte und unabhängige Untergemeinschaften, die lediglich durch das Miteigentum am Grundstück miteinander verbunden sind. (3) Zu diesen Untergemeinschaften gehört jeweils das gesamte Gebäude mit allen Bestandteilen und Zubehör (Dach und Fach).

§ 18 Ziff. 2: (1) Jede Untergemeinschaft regelt ihre Angelegenheiten nach Maßgabe der Teilungserklärung selbst. (2) Sämtliche in den Untergemeinschaften anfallenden Kosten tragen die jeweiligen Eigentümer bzw. Sondernutzungsberechtigten in den Untergemeinschaften. Es sind – soweit möglich – gesonderte Rücklagen zu bilden sowie die Gebäude gesondert abzurechnen. (3) Für alle Maßnahmen der Verwaltung einschließlich Beschlussfassung ist jeweils nur die Untergemeinschaft zuständig, zu deren Bereich (…) die jeweilige Maßnahme gehört. (4) Hinsichtlich des Gesamtgrundstücks und der nicht den einzelnen Untergemeinschaften obliegenden Angelegenheiten wird eine Gesamtgemeinschaft gebildet, die über alle Angelegenheiten beschließt, die nicht die jeweilige Untergemeinschaft, sondern alle Eigentümer gemeinschaftlich angehen.“

Im Jahr 2017 wurde in einer Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft unter TOP 3 ein Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2016 gefasst. Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage führt unter der Position „Instandhaltungsrücklage Haus 11“ Entnahmen in Höhe von 18.664,45 Euro für Architekten- und Planungskosten auf.

Hinsichtlich dieser Position wenden sich die Kläger, gestützt auf die fehlende Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft, mit der Beschlussmängelklage gegen TOP 3. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Landgericht, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, wollen die Kläger weiterhin erreichen, dass der Beschluss insoweit für unwirksam erklärt wird, als die Gesamtabrechnung die Entnahme eines Betrags in Höhe von 18.664,45 Euro für Architektenkosten aus der Instandhaltungsrücklage von Haus 11 enthält.

Die Revision hat keinen Erfolg, ein Beschlussmangel liegt nicht vor. Als Begründung führt der Bundesgerichtshof (BGH) aus, dass auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbstständiger Eigentümergemeinschaften über die Lasten und Kosten entscheiden, für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden muss. Mit dieser Feststellung wendet sich der Senat von seiner diesbezüglichen Position im Urteil vom 20. Juli 2012, Az. V ZR 231/11, ab. Und weiter: Das Gesetz regelt, dass gemäß § 28 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz alte Fassung (WEG a. F.) der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen (ebenso § 28 Abs. 2 S. 2 WEG) hat, über die die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit beschließen (§ 28 Abs. 5 WEG a. F.; anders nunmehr § 28 Abs. 2 S. 1 WEG). Ein Nebeneinander von Teiljahresabrechnungen ist dem Wohnungseigentumsrecht hingegen fremd. Lediglich Ausgestaltung und Grenzen von Vereinbarungen über die Mitwirkung von Untergemeinschaften an der Jahresabrechnung sind zu klären: Der Rechtsprechung nach muss über die Gesamtabrechnung als Teil der einheitlichen Jahresabrechnung zwingend allein die Gesamtgemeinschaft beschließen. Da die Untergemeinschaften nicht rechtsfähig sind, ist die rechtsfähige Gesamtgemeinschaft zudem Inhaberin der Bankkonten, deren Entwicklung die Gesamtabrechnung darstellen soll und muss.

Ebenso ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage – gegen die sich die Kläger wenden – Sache der Gesamtgemeinschaft, und zwar auch dann, wenn – wie hier – für Untergemeinschaften separate Rücklagen zu bilden sind: Neben der Gesamt- und Einzelabrechnung ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage notwendiger Bestandteil der einheitlichen Jahresabrechnung. Sind separate Rücklagen für Untergemeinschaften zu bilden, kann nicht jede Untergemeinschaft unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer über ihre Rücklage abrechnen. Vielmehr berührt auch die Darstellung der Rücklagen zwingend die Interessen aller Wohnungseigentümer. Denn der Jahresabrechnung muss sich entnehmen lassen, wie die auf den Bankkonten der rechtsfähigen Gesamtgemeinschaft verwalteten zweckgebundenen Gelder verwendet und verbucht worden sind. Dies zeigt die Tatsache, dass eine Entnahme aus der Instandhaltungsrücklage eines Hauses auf dem Konto der rechtsfähigen Gesamtgemeinschaft verbucht wird und somit die Interessen aller Untergemeinschaften betrifft. Eine dahingehende Kontrolle ermöglicht nur eine Abrechnung der Gesamtgemeinschaft, und es wäre nicht ausreichend, wenn jede Untergemeinschaft „für sich“ abrechnete.

Letztlich, so der BGH, liegt ein weiterer Grund für die Ablehnung eines Beschlussmangels in der Tatsache, dass sich der Gemeinschaftsordnung nicht entnehmen lässt, dass die Untergemeinschaften an dem Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft mitwirken sollen. Den Untergemeinschaften kann eine Befugnis zur eigenständigen Beschlussfassung über Teile der einheitlichen Jahresabrechnung nur durch ausdrückliche, eindeutige Regelung in der Gemeinschaftsordnung eingeräumt werden, und zwar beschränkt auf die Verteilung der ausschließlich die jeweilige Untergemeinschaft betreffenden Kosten in den Einzelabrechnungen; im Zweifel ist das Rechnungswesen insgesamt Sache der Gesamtgemeinschaft. Auch insoweit hält der Senat an den Ausführungen in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2012
nicht fest.


VERWALTERSTRATEGIE

Um ein kompliziertes zwei- oder dreistufiges Verfahren zu vermeiden, konzentriert der BGH in der vorliegenden Entscheidung die Beschlusskompetenz über die Jahresabrechnung einer Gesamtgemeinschaft mit Untergemeinschaften auf die Gesamtgemeinschaft. Nur dann, wenn die Gemeinschaftsordnung anderweitige Regelungen umfasst, können entsprechende Kompetenzen auf die Untergemeinschaften verlagert werden.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.