29.04.2019 Ausgabe: 2/19

Aktuelle Urteile - In zwei Fällen beschäftigte sich der BGH mit der WEG-Beschlussfassung und urteilte zur Ergebnisverkündung und Umsetzung.

Das schriftliche Beschlussverfahren gemäß § 23 Abs. 3 WEG führt regelmäßig zu einer Beschleunigung von Beschlussfassungen. Dabei sind jedoch vom Verwalter bestimmte Formalien einzuhalten, die nicht umgangen werden dürfen. Der BGH thematisiert in dieser Entscheidung die Frage, wie sich die Mitteilung eines Beschlussergebnisses unter der Bedingung des Ausbleibens eines Widerspruchs auf die Wirksamkeit des Beschlusses selbst auswirkt, und unterstreicht dabei die Wichtigkeit der Feststellung und Mitteilung eines Beschlusses an alle Wohnungseigentümer für dessen Wirksamkeit.

Der Fall

Die Parteien sind Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung der Kläger befindet sich im 2. Obergeschoss eines 1909 errichteten Gebäudes, die Wohnung der Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss, das 1962 zu einer Wohnung ausgebaut worden war. Das Grundstück wurde 1996 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Nach Umbauarbeiten des Fußbodens durch die Beklagten im Jahr 2013 planten sie zudem Änderungen an den zu ihrer Wohnung gehörenden Dachgauben. Der Verwalter übersandte den Wohnungseigentümern daraufhin eine Beschlussvorlage vom 25.2.2013, mit der unter Fristsetzung bis zum 8.3.2013 zur Abstimmung gestellt wurde, ob die Beklagten drei Dachgauben entfernen und anstelle zweier Gauben eine Dachgaube mit vorgelagerter Loggiafläche sowie anstelle der dritten Gaube ein Dachflächenfenster errichten dürfen. Vor Fristablauf stimmte ein Wohnungseigentümer entgegen den anderen Wohnungseigentümern mit Nein, entschied sich jedoch nach Fristablauf um, zog am 12.3.2013 seine Nein-Stimme zurück und stimmte mit Ja. Der Verwalter teilte daraufhin diesen Sachverhalt den Wohnungseigentümern mit und stellte fest, dass der Beschluss eigentlich abgelehnt sei, die Verwaltung den Beschlussantrag trotzdem als angenommen werten werde, wenn bis zum 24.3.2013 kein Wohnungseigentümer widerspreche. Da ein Widerspruch nicht erhoben wurde, führten die Beklagten die Umbaumaßnahmen der Beschlussvorlage entsprechend durch.

Die Kläger verlangen von den Beklagten, die neu errichtete Gaube mit vorgelagerter Loggiafläche zu beseitigen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Das Amtsgericht wies die Klage ab und auch die dagegen gerichtete Berufung der Kläger blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter.

Der BGH bestätigte das Berufungsurteil und stellte fest, dass ein Anspruch der Kläger auf Entfernung der neu errichteten Gaube und Wiederherstellung des vorherigen Zustands im Ergebnis zu Recht verneint wurde. Bei der Errichtung einer Gaube mit vorgelagerter Loggiafläche handelt es sich um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht und somit die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich macht. Eine zustimmende Beschlussfassung ist vorliegend jedoch nicht erfolgt, da mit Fristablauf eine Nein-Stimme vorlag. Es fehlte somit an der wirksamen Verkündung eines auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses. Im schriftlichen Verfahren kommt ein Beschluss erst mit der Feststellung und einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zustande. Der Verwalter hatte in seinem Schreiben vom 15.3.2013 jedoch lediglich mitgeteilt, dass der Beschlussantrag als angenommen gewertet werde, wenn bis zum 24.3.2013 kein Widerspruch vorläge. Eine konkrete Feststellung des Beschlussergebnisses hingegen ist unterblieben. Dieses Schreiben kann laut BGH auch nicht als eine durch den Widerspruch auflösend bedingte Feststellung eines Beschlussergebnisses angesehen werden. Wegen der konstitutiven Wirkung, die diese Feststellung hat, ist aus Gründen der Rechtssicherheit, auf die die Wohnungseigentümer wegen der nur einmonatigen Anfechtungsfrist angewiesen sind (vgl. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG), eine verbindliche Feststellung erforderlich. Ein Beschlussergebnis kann daher nicht unter der Bedingung festgestellt werden, dass kein Wohnungseigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.

Nach diesem Ergebnis könnte grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der BGH doch den Klägern Recht gibt. An dieser Stelle jedoch stellt der Senat fest, dass auch wenn ein wirksamer Beschluss über die Zustimmung zur Umgestaltung der Gauben nicht zustande gekommen ist, die Kläger nicht verlangen können, dass diese rückgängig gemacht würden, da in der Sache die Zustimmung aller Wohnungseigentümer vorgelegen hat. Es verstößt nämlich unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass die Kläger nun die Rückgängigmachung einer Baumaßnahme verlangen, der sie und alle anderen Wohnungseigentümer eigentlich zugestimmt hätten. Nachdem der letzte Wohnungseigentümer mit Ja gestimmt hatte und somit alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu der Baumaßnahme erteilt hatten, wurde ein, auch durch die Kläger, veranlasster Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten geschaffen, die aufgrund dessen den mit hohen Kosten verbundenen Umbau in der erkennbaren Annahme durchgeführt haben, dass wohnungseigentumsrechtlich alles seine Richtigkeit hat. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig; das widersprüchliche Verhalten der Kläger, nun eine Beseitigung zu verlangen, ist daher rechtsmissbräuchlich, da auf Klägerseite keine anerkennenswerten Gründe ersichtlich waren, die ihr Rückbauverlangen trotz der damit für die Beklagten verbundenen gravierenden Nachteile rechtfertigen könnten.

Verwalter­strategie

Sofern ein schriftliches Beschlussverfahren nach § 23 Abs. 3 WEG durchgeführt wird, ist eine anschließende konkrete Feststellung und eine an alle Wohnungseigentümer gerichtete Mitteilung des Beschlussergebnisses essenziell. Erst damit kommt ein Beschluss in diesem Verfahren zustande (vgl. u. a. BGH, Beschluss vom 23.8.2001, Az. V ZB 10/01). Unterbleibt jedoch eine derartige Feststellung und Mitteilung oder wird diese unter eine Bedingung gestellt, ist kein Beschluss zustande gekommen.

Der BGH hat die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer sein Stimmverhalten ändern bzw. der Verwalter diese Änderung zum Anlass für eine neue Abstimmung nehmen durfte, offengelassen. Ein wirksamer Beschluss kommt daher in jedem Fall zustande, wenn das bei Fristablauf vorliegende Ergebnis festgestellt und den Wohnungseigentümern mitgeteilt wird.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.