29.04.2019 Ausgabe: 2/19

Aktuelle Urteile: Ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs kann nicht durch Schonfristzahlung geheilt werden..

(BGH, Urteil vom 19.9.2018, Az. VIII ZR 231/17) 

DAS THEMA

Kündigt der Vermieter außerordentlich wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB, so kann der Mieter diese Kündigung unwirksam machen, wenn er unverzüglich nach Zugang der Kündigung die Aufrechnung erklärt, § 543 Abs. 2 S. 3 BGB (gilt für Geschäftsraum- und Wohnraummiete), oder bei Wohnraummiete durch die sogenannte Schonfristzahlung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn der Wohnraum­mieter bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage alle Rückstände gegenüber dem Vermieter voll bezahlt oder sich eine öffentliche Stelle (Job-Center) zur Zahlung verpflichtet.

In aller Regel verknüpfen die Vermieter die außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung, die nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch ausgesprochen werden kann, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft und nicht unerheblich verletzt hat. Bei diesem Tatbestand werden zwar etwas höhere Maßstäbe sowohl an die Höhe der Rückstände als auch an das Verschulden des Mieters angelegt, die jedoch in aller Regel erfüllt sind, sodass jedenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist die ordentliche Kündigung greift, und zwar trotz einer Aufrechnung bzw. Schonfristzahlung, die die außerordentliche Kündigung unwirksam macht. Jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes kann der Mieter das Mietverhältnis daher nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist retten. Diese Rechtsfolge war in der Literatur umstritten, viele Landgerichte, auch das LG Berlin als Vorinstanz der BGH-Entscheidung, versuchten, dies mit folgendem juristischen Kunstgriff zu vermeiden: Die außerordentliche fristlose Kündigung beendet jedes Mietverhältnis sofort mit ihrem Ausspruch, sofern sie wirksam ist, also Zahlungsverzug vorliegt. Eine nachträgliche Aufrechnung bzw. die Schonfristzahlung ändert hieran nichts; vielmehr wird dadurch das Mietverhältnis erneut und rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung wieder in Kraft gesetzt. Im Zeitraum bis zur Schonfristzahlung bzw. Aufrechnung bestand nach dieser Auffassung kein Mietvertrag mehr. Betrachtet man nun in einem zweiten Schritt die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung, muss diese ins Leere gehen, denn der Mietvertrag war ja schon mit dem Ausspruch der (zunächst wirksamen) außerordentlichen fristlosen Kündigung beendet. Diese ordentliche Kündigung kann daher keine Wirkung mehr entfalten. Wird das Mietverhältnis nach einer außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs rückwirkend durch die Schonfristzahlung bzw. die Aufrechnung wieder in Kraft gesetzt, hat die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung keine Rechtswirkungen mehr. Der BGH hat wiederum einen Standardfall genutzt, um dieser Instanz-Auffassung eine Absage zu erteilen und seine schon lange vertretene Auffassung, nach der eine hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung nicht durch Schonfristzahlung bzw. Aufrechnung geheilt werden kann, untermauert.

DER FALL

Die Mieter zahlten die jeweils zum dritten Werktag des Monats fälligen Mieten für Juni und Juli 2016 nicht. Kurz nach Fälligkeit erklärte der Vermieter die außerordentliche fristlose Kündigung und im gleichen ­Schreiben „rein vorsorglich und hilfsweise“ die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Drei Tage nach Zugang der Kündigung überwiesen die Mieter die gesamte rückständige Miete. Die Voraussetzungen der Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB lagen damit zweifellos vor, sodass die erklärte außerordentliche Kündigung – vorsichtig ausgedrückt – jedenfalls nicht zu einem Räumungsanspruch des Vermieters führen konnte.

Zunächst legt der BGH die Kündigungserklärung des Vermieters aus und kommt zu dem Ergebnis, dass der Vermieter damit zum Ausdruck bringt, dass er die Beendigung des Mietverhältnisses in jedem Fall anstrebt, und falls dies nicht fristlos möglich sein sollte, dann wenigstens mit Ablauf der geltenden Kündigungsfrist.

Sodann betrachtet der BGH die Rechtsnatur der Kündigung: Es handelt sich hier um ein einseitiges Gestaltungsrecht, das auch nicht unter Bedingungen gestellt werden darf, und dessen Rechtsfolge, die Beendigung des Mietverhältnisses, nicht mehr einseitig rückgängig gemacht werden kann, auch nicht mehr alleine durch den Vermieter, sondern nur noch einvernehmlich durch beide Parteien. Dies spricht zunächst für die Auffassung der Vorinstanz, dass das Mietverhältnis mit der Erklärung der außerordentlichen Kündigung beendet ist.

Allerdings gesteht der BGH dem Gesetzgeber zu, diese Gestaltungswirkung einer Kündigung auch rückwirkend entfallen zu lassen. Die Schonfristzahlung in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist eine solche gesetzliche Fiktion, die die Wirkung der Kündigung rückwirkend als nicht eingetreten behandelt. Nach dieser Auffassung besteht das Mietverhältnis ununterbrochen, weil die Beendigung des Mietverhältnisses durch die Kündigung rückwirkend als nicht eingetreten gilt. Die untergerichtliche Auffassung, nach der das Mietverhältnis mit der Schonfristzahlung/Aufrechnung erneut in Kraft tritt, hätte gravierende Nachteile für den Mieter, insbesondere würden dann kürzere Kündigungsfristen gelten. Außerdem würden Vermieter dann dazu übergehen, nur noch die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs zu erklären, dem Mieter würde die Möglichkeit zu einer Schonfristzahlung/Aufrechnung gar nicht mehr eröffnet werden, was diese Instrumente des Mieterschutzes aushöhlen würde. Schließlich trifft der BGH eine Interessenabwägung. Wird das finanzielle Interesse des Vermieters zunächst durch die Schonfristzahlung/Aufrechnung befriedigt, sollen und können die Parteien so gestellt werden, als ob das Mietverhältnis niemals beendet worden wäre; dieser Gedanke zog sich durch viele Vorgängerregelungen der Schonfristzahlung. Umgekehrt ist hinsichtlich einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung das Interesse des Vermieters zu berücksichtigen, das Mietverhältnis in jedem Fall zu beenden, gegebenenfalls innerhalb der Kündigungsfrist. Innerhalb der ordentlichen Kündigung muss jedoch eine Interessenabwägung im Einzelfall getroffen werden, und ein Verschulden des Mieters kann anders gewürdigt werden als in den strengen Zahlungsverzugsregelungen. Außerdem ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung der ordentlichen Kündigung auch zu berücksichtigen, ob die Berufung hierauf treuwidrig ist, wenn die Rückstände nach kürzester Zeit vollständig ausgeglichen wurden. Allerdings kann eine Schonfristzahlung/Aufrechnung bei der ordentlichen Kündigung nur in diesem Rahmen berücksichtigt werden. Die ordentliche Kündigung ist daher jedenfalls auch Gegenstand der Räumungsklage.

Verwalter­strategie

Möchte der Vermieter das Mietverhältnis jedenfalls beenden, so darf der hilfsweise Ausspruch der ordentlichen Kündigung in keiner außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs mehr fehlen. Allerdings ist denkbar, dass der Gesetzgeber jedenfalls die Möglichkeiten zur Schonfristzahlung im Wohnraummietrecht aus Mieterschutzgründen auch auf eine hilfsweise ordentliche Kündigung ausdehnt. Der Rechtsprechung dürften nach dieser ausführlichen Entscheidung diesbezüglich jedenfalls die Hände gebunden sein. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch darauf, dass die Sozialbehörden die Verpflichtung zu einer Schonfristzahlung nicht mit weiteren Bedingungen versehen dürfen, also diese beispielsweise nicht davon abhängig machen dürfen, dass dann der Vermieter auch die ordentliche Kündigung „für unwirksam erklärt“ und den Mietvertrag unverändert fortsetzt (Nach den Ausführungen des BGH zum einseitigen Gestaltungsrecht ist das ohnehin nicht möglich, nur eine einvernehmliche Erklärung der Parteien könnte zur Fortsetzung des Mietvertrags führen!). Lediglich die Abwägung im Einzelfall könnte säumigen Mietern noch helfen; welche Kriterien im Einzelfall insbesondere an die Interessenabwägung und eine Unwirksamkeit nach Treu und Glauben bei der ordentlichen Kündigung angelegt werden, wird sich in der Rechtsprechung erst noch herauskristallisieren.

Foto: © Grand Warszawski / Shutterstock.com


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.