21.06.2019 Ausgabe: 4/19

Aktuelle Urteile: Richtungsweisend entschied der BGH zur Abweichung von Wohnflächen und der Verteilung von Heizkosten.

(BGH, Urteil vom 16.1.2019, Az. VIII ZR 173/17)

DAS THEMA

Inwieweit sich eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich festgelegten auf den Mietpreis, eine gesetzliche Mieterhöhung und die Abrechnung der Betriebskosten auswirkt, wird seit einigen Jahren diskutiert. Zu den Auswirkungen auf die Betriebskosten hat der BGH erst mit Urteil vom 30.5.2018, Az. VIII ZR 220/17, Stellung genommen (siehe dazu auch ­DDIVaktuell 7/18, S. 49 f.). Nun hatte der BGH nochmals Gelegenheit, diese Rechtsprechung festzuschreiben, zur Mietminderung abzugrenzen und zu den Maßstäben der Berechnung von Wohnflächen Stellung zu nehmen. Deshalb soll das Thema auch hier nochmals aufgegriffen werden.

DER FALL

Die Wohnfläche einer preisgebundenen Wohnung wird im Mietvertrag von 1979 mit 120,05 qm angegeben. Teil dieser Wohnfläche ist eine Mansarde in einem darüber gelegenen Stockwerk, mit einer Grundfläche von 16,95 qm, allerdings bei einer Deckenhöhe von nur 1,90 m. Die Vermieterin hatte in der Betriebskostenabrechnung die gesamte vertraglich vereinbarte Wohnfläche einschließlich der Mansarde angesetzt. Die Mieter meinen, dass nur die Wohnfläche von 103,10 qm (ohne Mansarde) anzurechnen sei, da die tatsächliche Wohnfläche um mehr als zehn Prozent unter der vertraglich vereinbarten Fläche lag. Der früheren Rechtsprechung des BGH zufolge rechtfertigt die mehr als Zehnprozentige Abweichung die Abrechnung nach der tatsächlichen, nicht nach der vertraglich vereinbarten Wohnfläche. Das Berufungsgericht hat – vom BGH insofern als korrekt gewürdigt – die Fläche der Mansarde zur Hälfte angesetzt, da die Wohnung nach wie vor preisgebunden ist, der Mietvertrag vor dem 31.12.2003 geschlossen wurde und somit immer noch die II. Berechnungsverordnung gilt. Der BGH urteilt nun dahingehend, dass die II. Berechnungsverordnung aufgrund der Übergangsvorschrift in Art. 3 § 6 der WohnflächenberechnungsVO für Wohnraum gilt, der bis zum 31.12.2003 errichtet worden ist.
Auch hat das Berufungsgericht richtigerweise die Grundfläche der Mansarde als Wohnfläche im Sinne der WohnflächenVO bzw. der II. Berechnungsverordnung angesetzt. Die Mieter hatten vor dem BGH argumentiert, dass die Mansarde, die mit der lichten Höhe von nur 1,90 m die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Wohnraum nicht erfülle, nicht, auch nicht anteilig, in die Wohnfläche eingerechnet werden könne. Der BGH weist darauf hin, dass solche öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen im Mietrecht nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn der Mietgebrauch tatsächlich nicht eingeschränkt ist, weil die Behörden bislang tatsächlich nicht eingeschritten sind. Der BGH zieht insoweit ausdrücklich eine Parallele zu seiner Rechtsprechung zur Mietminderung. Es genügt vielmehr, dass die Parteien diese Räume in ihren Mietvertrag einbezogen haben. Damit ergab sich für diese Wohnung bei korrekter Berechnung eine Wohnfläche von 111,57 qm.
Das Berufungsgericht hat allerdings aus seinem Berechnungsansatz – Fläche der Mansarde nur zur Hälfte, damit Abweichung geringer als zehn Prozent – nach der früheren BGH-Rechtsprechung geschlossen, dass somit der Betriebskostenabrechnung die vertraglich vereinbarte Wohnfläche zugrunde gelegt werden müsse. Diese Rechtsprechung hatte der BGH mit Urteil vom 30.5.2018, nach Entscheidung der Berufungsinstanz, aber vor Entscheidung der Revision, geändert.
Entsprechend der neuen Linie entscheidet der BGH nun, dass die Betriebskosten nach der tatsächlichen Wohnfläche, berechnet nach der II. Berechnungsverordnung, also unter Ansatz der 111,57 qm, abgerechnet werden müssen. Er argumentiert zunächst, wie in der Vorentscheidung von Mai 2018, dass das Gesetz und auch schon die Vorgängergesetze ausdrücklich bestimmt haben, Betriebskosten nach „Verhältnis der Wohnfläche“ umzulegen; dies zeigt, dass es sich hierbei um eine objektive rechnerische Größe handelt. Diese soll darüber hinaus sicherstellen, dass die Verteilung der Kosten auf mehrere Mitmieter unverfälscht bleibt und nicht von Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und einzelnen Mitmietern abhängt. Der BGH nahm nun diese Entscheidung auch zum Anlass, den Unterschied zur Rechtsprechung bei Mangel und Mietminderung herauszuheben, die sich aus einer Flächenabweichung nach unten ergeben können: Eine Mietminderung wegen zu geringer Fläche entsteht (sofern nicht besondere Umstände vorliegen) nach wie vor nur, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als zehn Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt. Im Gewährleistungsrecht müssen nämlich unerhebliche und nicht unerhebliche Beeinträchtigungen voneinander abgegrenzt werden, zur Definition dieser Erheblichkeitsschwelle ist das Zehn-Prozent-Kriterium nach wie vor anzuwenden. Für die Betriebskostenabrechnung und ebenso auch für die Mieterhöhung, wie der BGH am Ende des Urteils nochmals betont, gelten jedoch objektive Maßstäbe und damit die tatsächliche Wohnfläche.

Verwalter­strategie

In der Verwaltungspraxis wird man sich daran gewöhnen müssen, dass im Mietvertrag möglicherweise andere Flächen angegeben sind als der Betriebskostenabrechnung und der Berechnung einer Mieterhöhung tatsächlich zugrunde gelegt werden. Zu meinen, dass jede Abweichung Mieter zur Mietminderung berechtigt, ist jedoch ein Trugschluss; die Miete muss weiterhin, wie vereinbart, gezahlt werden, es sei denn, die Abweichung beträgt wirklich mehr als zehn Prozent. Dies dürfte allerdings bei korrekter Flächenberechnung eher selten vorkommen.
In der Praxis sind für die Flächenberechnung die Übergangsvorschriften von der II. Berechnungsverordnung auf die Wohnflächenverordnung zu beachten. Da der BGH präzisiert hat, dass sich die Anwendbarkeit nach dem Baujahr richtet, dürfte auf den Großteil des älteren Wohnungsbestandes in Deutschland noch die II. Berechnungsverordnung anwendbar sein. Grundlegend unterschiedlich verfahren wird in beiden Verordnungen bei der Anrechnung der Flächen von Balkonen, Loggien und Terrassen, die ausschließlich vom Mieter genutzt werden: Werden diese Flächen nach der II. Berechnungsverordnung aufgrund freier Vereinbarung bis zur Hälfte angerechnet, können sie nach der Wohnflächenverordnung nur noch zu einem Viertel angerechnet werden. Eine Anrechnung bis zur Hälfte ihrer Grundfläche muss als besondere Ausnahme entsprechend begründet werden, beispielsweise mit einer Verglasung oder sonstiger besonderer Ausstattung, Lage und/oder Größe, die den Nutzwert erheblich erhöht.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.