21.05.2021 Ausgabe: 3/21

Aktuelle Urteile: Wann besteht Anspruch auf eine komplette Neuberechnung der Nebenkosten? Und wann rechtfertigt Modernisierung eine Ausnahme von der Mietpreisbremse? Zwei BGH-Entscheide:

Kein Anspruch auf Neuberechnung der Nebenksoten bei formeller Ordnungsmässigkeit

(BGH, Urteil vom 20.1.2021 – Az. XII ZR 40/20)

DAS THEMA
Der beim Bundesgerichtshof (BGH) für Wohnraummietrecht zuständige VIII. Senat hat in den letzten Jahren die Anforderungen an die formelle Ordnungsmäßigkeit der Nebenkostenabrechnungen deutlich gesenkt – und damit die Voraussetzung für die Einhaltung der nur im Wohnraummietrecht geltenden Jahresfrist nach § 556 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im Gewerberaummietrecht, für das der XII. Senat zuständig ist, spielt diese Frist nur dann eine Rolle, wenn sie ausdrücklich vertraglich vereinbart ist. Sind die formellen Voraussetzungen einer Nebenkostenabrechnung allerdings nicht eingehalten, haben Mieter Anspruch auf eine Neuberechnung der gesamten Nebenkosten. Handelt es sich dagegen nur um materielle Fehler der Abrechnung, müssen nur diese einzelnen Positionen der Höhe nach berichtigt werden, und die Nebenkostenabrechnung muss nicht neu erteilt werden. Hier gab nun die Klage eines Großmieters auf Neuberechnung der Nebenkosten dem Gewerbe-Mietsenat des BGH Gelegenheit, seine Rechtsprechung auf die des VIII. Senats abzustimmen und zu detaillieren.

DER FALL
Der Mieter, ein Bundesland, hatte nach Ende eines Mietverhältnisses Klage auf Neuerteilung der Abrechnungen der Nebenkosten für mehrere Jahre erhoben. Problematisch war, dass die Gesamtfläche des Objekts durch An- und Umbauten teilweise auch innerhalb des Abrechnungsjahres variiert wurde. Auch wurden unterschiedliche Flächenarten angesetzt: nicht alle Flächen zu 100 Prozent in den Gesamtanteilen, manche mit einem niedrigeren Anteil. Des Weiteren war das Gesamtobjekt in drei Einzelobjekte aufgeteilt, für die durchgängig getrennte Vorauszahlungen erhoben worden waren, deren Aufteilung aber erst im Laufe der Revision beanstandet worden war.

Der BGH hat ebenso wie die Berufungsinstanz die Klage des Mieters abgewiesen, ein Anspruch auf vollständige Neuabrechnung der gesamten Nebenkosten besteht nicht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre zum einen eine formell nicht ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnung. Zum anderen muss sich dieser formelle Fehler durch die gesamte Abrechnung ziehen und nicht nur einzelne Kostenpositionen betreffen. Wenn diese jeweiligen Einzelpositionen unschwer herausgerechnet werden können, bleibt die Abrechnung im Übrigen unberührt, und lediglich Einzelpositionen müssten neu berechnet werden (was allerdings einen entsprechenden Klageantrag des Mieters voraussetzen würde, der hier nicht gestellt war).

Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen einer Nebenkostenabrechnung schließt sich der XII. Senat wörtlich den Vorgaben des VIII. Senats an: Die Nebenkostenabrechnung muss den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entsprechen, also zumindest eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und eventuell eine Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Mieteranteils und den Abzug der geleisteten Vorauszahlungen enthalten.

Beim Umlageschlüssel genügt es jedoch, dass sich einzelne Angaben entweder dem Mietvertrag oder auch einer der Nebenkostenabrechnung beigefügten Erläuterung entnehmen lassen. Ob diese so erläuterten Angaben – hier die Flächenangaben – tatsächlich zutreffen, berührt nur die materielle Richtigkeit der Abrechnung.

Hinsichtlich der Flächenänderungen durch An- und Umbauten führt der BGH aus, dass es hierbei genügt, wenn die Abrechnung trotz variierender Zahlen rechnerisch nachvollziehbar bleibt. Abweichungen der Flächen führen daher auch nur zu materiellen Fehlern, die keine Neuberechnung rechtfertigen können. Im entschiedenen Fall wurden zudem Flächen unterschiedlich gewichtet, was gerade bei Gewerberäumen üblich ist. Der BGH verweist insofern auf die DIN 277, die bereits zwischen verschiedenen Flächenarten differenziert. Wie die Flächen gewichtet und berechnet werden, muss aus der Abrechnung selbst nicht hervorgehen. Es genügt, dass der Vermieter auf Anforderung des Mieters diese Berechnung und Gewichtung offenlegt. Im entschiedenen Fall waren die mit weniger als 100 Prozent gewichteten Flächen mit dem Kürzel „ST“ gekennzeichnet worden. Aus der Abrechnung selbst ging allerdings nicht hervor, wie diese Flächen dann gewichtet wurden. Dies ergab sich nur aus einem beigefügten Informationsblatt, in dem die Besonderheiten der einzelnen Kostenpositionen erläutert und die jeweils zugrunde gelegten Flächenmaßstäbe genannt waren. Das Beifügen einer solchen Zusatzinformation zur Abrechnung genügt.

Ob die Aufteilung des Gesamtobjekts in drei Abrechnungseinheiten der formalen Ordnungsmäßigkeit genügt und nachvollziehbar ist, musste der BGH nicht entscheiden. Diesen Einwand verwirft er wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, da er erst in der Revisionsinstanz vorgebracht worden war. Vorher hatte der Mieter den Ansatz von drei getrennten Vorauszahlungen für die drei getrennten Objekte niemals hinterfragt und auch weder während des Mietverhältnisses noch im Laufe des Prozesses eine diesbezügliche Aufschlüsselung oder Erläuterung verlangt. Daher konnte er sich auf diesen Einwand in der Revisionsinstanz nicht mehr stützen.
Die Klage auf Neuabrechnung wurde daher rechtskräftig abgewiesen. Andere Anträge, etwa auf Neuberechnung nur einzelner Positionen oder spezifizierte Zahlungsanträge für die Auszahlung angeblich errechneter weiterer Guthaben, hatte der Mieter nicht gestellt.

VERWALTERSTRATEGIE
Die Erstellung einer Nebenkostenabrechnung ist insbesondere bei Gewerbe- oder gemischt genutzten Objekten komplex, die Erleichterungen des BGH für die formelle Ordnungsmäßigkeit der Nebenkostenabrechnungen sind daher in der Praxis sicher willkommen. Vor allem dürfen weitere Informationen zu den oft komplexen Umlagemaßstäben und Flächengewichtungen in zusätzliche Informationsblätter ausgelagert werden und müssen nicht in die Abrechnung integriert werden, die dadurch unübersichtlich würde.

Mit einer formell ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung ist jedoch nur der Anspruch des Mieters auf vollständige Neuberechnung vermieden bzw. im Wohnraummietrecht die Ausschlussfrist von einem Jahr ab Ende des Abrechnungszeitraums gewahrt. Eine Klage auf Rückzahlung von angeblichen Guthaben wegen angeblicher materieller Unrichtigkeit der Abrechnung ist damit noch lange nicht entschieden. Allerdings obliegt es dem Mieter, diese Berechnungen vorzunehmen und konkrete Rückzahlungsansprüche einzuklagen. In diesem Fall sind Vermieter verpflichtet, Mietern Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu gewähren und auf Anforderung alle weiteren Informationen zur Abrechnung zur ­Verfügung zu stellen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.