02.08.2021 Ausgabe: 4/21

Aktuelle Urteile - Wann ist ein Mietverhältnis tatsächlich ein Wohnraummietverhältnis? Und wann muss ein­ ­ Vermieter den Wegfall des Kündigungsgrundes Eigenbedarf mitteilen? So entschied der BGH:

GEWERBLICHE ZWISCHENVERMIETUNG BEI ABSCHLUSS EINES „WOHNRAUMMIETVERTRAGS“

(BGH, Urteil vom 13.1.2021 – Az. VIII ZR 66/19)

DAS THEMA
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in jüngster Zeit mehrfach über die Auswirkungen einer gewerblichen Zwischenvermietung zu entscheiden, und hier insbesondere über die Folgen des Eintritts des Hauptvermieters in das Untermietverhältnis bei Wegfall des Zwischenmietvertrags nach § 565 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In der Regel schließen rechtlich nicht beratene Parteien bei der Überlassung von Wohnraum einen „Wohnraummietvertrag“ ab, auch wenn es sich beim Zwischenmietverhältnis rechtlich gesehen um ein Gewerberaummietverhältnis handelt. Im vorliegenden Fall führte der BGH aus, welche Auswirkungen eine solche falsche Bezeichnung und die Übernahme einiger Standardvorschriften aus dem Wohnraummietrecht auf die Rechte und Pflichten der Parteien haben.

DER FALL
Die Eigentümerin hatte mit einem Mietvertrag acht Wohnungen an die Firma D vermietet, die diese Wohnungen an ihre Firmenangehörigen weitervermieten sollte. Die Parteien verwendeten einen Formularmietvertrag über Wohnraum, der mit „Mietvertrag über Wohnraum“ überschrieben war. Er verwies ausdrücklich auf die wohnraummietrechtlichen Kündigungsfristen. Auch enthielt er die für Wohnraum übliche Klausel zur Tierhaltung nur mit Erlaubnis des Vermieters. Die Klausel zur Untervermietung hatten die Parteien – entgegen der bei Wohnraumvermietung sonst üblichen – bewusst dahingehend geändert, dass die Firma D zur uneingeschränkten und erlaubnisfreien Untervermietung berechtigt sein sollte. Später war an die Stelle des Eigentümers ein Zwangsverwalter getreten, der das Mietverhältnis mit der Firma D ordentlich und unter Einhaltung der für das Wohnraummietrecht vorgeschriebenen Fristen kündigte. Die Kündigung enthielt jedoch keinerlei Begründung, insbesondere nicht die des Eigenbedarfs, die bei vermieterseitiger Kündigung eines Wohnraummietvertrags zwingend notwendig wäre und deren Fehlen sie unwirksam machen würde. Noch vor Ablauf der ausgesprochenen Kündigungsfrist vermietete die Firma D eine Wohnung an den Beklagten. Dieser kam einige Jahre später in Zahlungsverzug, worauf der Zwangsverwalter dem Beklagten direkt außerordentlich und fristlos kündigte. Der beklagte Mieter argumentierte nun, dass der Zwangsverwalter gar nicht sein Vermieter sei, dessen Kündigung somit unwirksam, weil er nicht nach § 565 BGB in das ursprüngliche Untermietverhältnis eingetreten sei. Vielmehr sei die vor einigen Jahren ausgesprochene Kündigung des Zwischenmietverhältnisses unwirksam gewesen, weil sie nicht dem Wohnraummietrecht gemäß begründet gewesen sei, eine Begründung stattdessen ganz gefehlt habe.

Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage stattgegeben, das Berufungsgericht folgte jedoch der Argumentation des Mieters: Weil zwischen dem Eigentümer und der Firma D eben ein „Wohnraummietvertrag“ geschlossen worden sei, gewähre dieser auch der Firma D als Zwischenvermieter entsprechenden Mieterschutz. Die Revision gegen dieses landgerichtliche Urteil hatte Erfolg. Der BGH musste allerdings zur Prüfung der weiteren Kündigungsvoraussetzungen (Zahlungsverzug) an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Der BGH führt aus, dass bei der Frage, ob ein Wohnraummietverhältnis (mit dem entsprechenden Mieterschutz) vorliegt, auf den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck abzustellen ist. Ein Wohnraummietverhältnis liegt nur vor, wenn der Mieter den Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken anmietet. Dies ist bei einer juristischen Person schon deshalb nicht möglich, weil diese eigenen Wohnbedarf nicht haben kann. Selbst bei einer natürlichen Person spricht die Anmietung von acht Wohnungen auf einmal bereits gegen eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Vielmehr bestand der Vertragszweck, auf den sich beide Parteien geeinigt hatten, hier in der Weiterüberlassung der Wohnungen an Dritte. Bei der Ermittlung des Vertragszwecks ist der Vertrag gegebenenfalls auszulegen. Diesbezüglich kann auch der Titel der Vertragsurkunde, hier „Mietvertrag über Wohnraum“ ein Indiz darstellen. Ein weiteres Indiz dafür könnte sein, dass die Parteien die Kündigungsfrist des Wohnraummietrechts vereinbart haben, sowie das Schriftformerfordernis einer Kündigung. Der BGH zieht hieraus jedoch einen Umkehrschluss und argumentiert, dass die Parteien dann auch das Begründungserfordernis vereinbart hätten, wenn sie dieses gewollt hätten. Ebenso bietet die Klausel zur Tierhaltung keinen Anhaltspunkt für einen von den Parteien gewünschten umfassenden Mieterschutz. Dies bedeutet lediglich, dass die Mieter der Firma D Tiere nicht ohne Zustimmung des Eigentümers halten dürfen.

Ausschlaggebend ist vielmehr der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck aus den gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien. Diese waren hier auf die Untervermietung an Firmenangehörige gerichtet. Damit handelte es sich bei dem Hauptmietverhältnis nicht um ein Mietverhältnis über Wohnraum, auf das der besondere soziale Mieterschutz anwendbar wäre. Die vom Zwangsverwalter ausgesprochene Kündigung des Hauptmietverhältnisses war daher wirksam, damit war der Zwangsverwalter wirksam in die bisherigen Untermietverhältnisse eingetreten und war als Vertragspartei berechtigt, dieses zu kündigen. Ob die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung tatsächlich vorlagen, hatte das Berufungsgericht – folgerichtig – nicht geprüft, sodass der BGH zu dieser Prüfung an das Berufungsgericht zurückverweisen musste.

VERWALTERSTRATEGIE
Wer ein Zwischenmietverhältnis verwaltet – sei es für den Hauptvermieter, sei es für den Zwischenvermieter, der die Wohnungen weitergibt, – muss sich bewusst sein, dass es sich hierbei in aller Regel um ein gewerbliches Mietverhältnis handelt. Dagegen genießen die Wohnraum- (Unter-) Mieter den Schutz des sozialen Wohnraummietrechts. Der Zwischenvermieter wird seine Untermietverträge daher nicht ohne Weiteres zu dem Zeitpunkt beendigen können, zu dem das Hauptmietverhältnis endet. Der Hauptvermieter muss sich bereits bei Abschluss eines solchen Zwischenmietverhältnisses darüber im Klaren sein, dass er bei Ende des Hauptmietverhältnisses in die abgeschlossenen Wohnraum-Untermietverträge eintritt und damit direkter Wohnraumvermieter gegenüber allen einzelnen Untermietern wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Untermietverträge zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Abschlusses den marktüblichen Konditionen entsprachen. Da das Gesetz dies so vorsieht, sind Schadensersatzansprüche des Hauptvermieters gegen seinen ehemaligen Zwischenmieter wegen dieses gesetzlichen Eintritts in ggf. recht ungünstige Mietverträge jedenfalls bei ordentlicher Beendigung des Zwischenmietverhältnisses nicht ersichtlich. Der Hauptvermieter hat in dem gewerblichen Mietvertrag andere Möglichkeiten, sich einen Einfluss auf die Untermietverhältnisse im Hinblick auf deren spätere gesetzliche Übernahme zu sichern, beispielsweise indem er sich vorbehält, sie vor Abschluss auf ihre Marktüblichkeit zu prüfen oder regelmäßige Mietanpassungen verlangt. Geschieht dies nicht, hat der Zwischenvermieter gegenüber seinen Untermietern, z. B. Firmenangehörigen, erhebliche wirtschaftliche Freiheiten, ohne am Ende des Mietverhältnisses Sanktionen befürchten zu müssen. Umgekehrt wird der Zwischenvermieter nur in den seltensten Fällen eine Bindung an die strengen Vorgaben des Wohnraummietrechts in den Untermietverhältnissen verhindern können. Dies mag nur bei einem Betrieb als Wohnheim rechtssicher gelingen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.