14.10.2020 Ausgabe: 6/20

Aktuelle Urteile - Wann können Eigentümer selbst gegen Störungen im Haus vorgehen, wann nicht? Und wann müssen sie vor einer anstehenden Verwalterbestellung über Vergleichsangebote informiert werden? So entschied der BGH.

ZUR VERGEMEINSCHAFTUNG VON UNTERLASSUNGS­ANSPRÜCHEN EINZELNER DURCH DIE WOHNUNGSEIGENTÜMERGEMEINSCHAFT
(BGH, Urteil vom 24.1.2020 – Az. V ZR 295/16)

DAS THEMA
Der vorliegende Fall handelt grundsätzlich von einem Unterlassungsbegehren der Klägerin, die sich von den Untermietern ihres Nachbarn in vielerlei Hinsicht gestört fühlt. Zur materiell-rechtlichen Bewertung kamen die Vorinstanzen jedoch gar nicht erst: Zu entscheiden war stattdessen die prozessrechtliche Frage, ob die Eigentümergemeinschaft Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von ­Störungen im räumlichen Bereich seines ­Sondereigentums zustehen, durch Beschluss an sich ziehen kann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist.

DER FALL
Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin. Ihre Wohnung liegt direkt über einer von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist. Der Beklagte vermietet diese Wohnung seinerseits an Personen, die sich in einem nahe gelegenen Klinikum einer Behandlung unterziehen. Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen.

Auf der Eigentümerversammlung am 4. Juni 2014 wurden unter TOP 10 mehrere Beschlüsse gefasst: Gemäß Antrag 1 wurde beschlossen, dass unter Beauftragung eines Rechtsanwaltes Klage auf Unterlassung von Verstößen gegen die Verpflichtungen eines Eigentümers aus der gesetzlichen Vorschrift des § 14 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sowie eventuell auf Unterlassung von Verstößen gegen das Rücksichtnahmegebot als auch gegen die Gemeinschafts- und Hausordnung zu erheben ist. Der Eigentümer ist hier auch für Verstöße gegen die vorstehenden Verpflichtungen durch Personen in Anspruch zu nehmen, die seinem Hausstand oder seinem Gewerbe angehören oder denen er als Nutzer die Wohnung überlassen hat.

Der beschlossene Antrag 3 listet sämtliche gerichtlich zu verfolgenden Verstöße auf, darunter insbesondere die Verbreitung ätherischer Öle und Weihrauches über Raumluftanlagen und durch offene Fenster, sodass sie in den räumlichen Bereich benachbarter Sondereigentumseinheiten gelangen, sowie Belästigungen durch laute Geräusche, z. B. von Fernsehern und Lüftungen.

Des Weiteren beschloss die Eigentümerversammlung in Antrag 4, dass bei Verstößen gegen das gesetzliche Rücksichtnahmegebot, die Gemeinschaftsordnung und die Hausordnung durch Zwischenmieter, Mieter oder kurzfristige Nutzer mithilfe eines zu beauftragenden Rechtsanwaltes auch außergerichtlich und gerichtlich gegen die Störenden vorzugehen ist, wenn die Dauer der Wohnungsnutzung dies sinnvoll erscheinen lässt.

In der Eigentümerversammlung vom 24. November 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer u. a. die „Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen der jeweiligen betroffenen Wohnungseigentümer“ gegen den Beklagten „wegen Verstößen gegen § 14 Nr. 1 und 2 WEG, Haus- und Gemeinschaftsordnung sowie § 15 Abs. 3 WEG“. Konkret heißt es in dem Beschluss: „Die Wohnungseigentümer beschließen, die Durchsetzung von Ansprüchen, die dem jeweiligen Miteigentümer deshalb zustehen, weil a) einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 14 Nr. 1 WEG einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, durch den andere Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hi­naus beeinträchtigt werden, b) einzelne Wohnungseigentümer […] entgegen § 15 Abs. 3 WEG einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen sowie, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Inte­resse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, die Gegenstand des vor dem Amtsgericht München […] anhängigen Rechtsstreits sind, nämlich Abänderung der konkreten Ausgestaltung der Vermietung der [… von dem Beklagten genutzten] Wohnung […] dahingehend, dass die Wohnung weder direkt, noch mittelbar (insbesondere über einen Zwischenvermieter) an häufig wechselnde Medizin- oder Krankenhaustouristen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien überlassen wird, und die Vermietung nicht gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum […] verstößt […].“

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der seit dem 6. Juni 2014 anhängigen Klage auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen (Klageanträge 1 und 3) sowie Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb (Klageantrag 2) in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.

Der BGH entschied, dass die Revision zum überwiegenden Teil Erfolg hat. Nur hinsichtlich des Klageantrags 2 wies er sie aufgrund fehlender Prozessführungsbefugnis der Klägerin zurück. Diesbezüglich urteilte der BGH, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG an sich ziehen kann und dann allein für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Dritten zuständig ist. Dies ist hier bezüglich des Klageantrags 2 durch wirksamen Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung vom 24. November 2015 geschehen, wodurch die Klägerin das Recht verlor, selbst gerichtlich gegen den Beklagten hinsichtlich der Zwischenvermietung an häufig wechselnde „Medizin- oder Krankenhaustouristen“ vorzugehen.

Tatsächlich prozessführungsbefugt war die Klägerin hingegen hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung von Lärm- und Geruchsbelästigungen (Klageanträge 1 und 3). Die Klägerin wendet sich damit gegen die unmittelbare Beeinträchtigung der Nutzung ihres Sondereigentums wegen eindringenden Lärms und der Gerüche. Solche, den räumlichen Bereich des Sondereigentums betreffenden Ansprüche kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht durch Beschluss an sich ziehen. Zwar ist das nicht unumstritten, doch nach überwiegender Ansicht können nur das Gemeinschaftseigentum betreffende Ansprüche der Wohnungseigentümer, nicht aber solche, die sich auf das Sondereigentum beziehen, vergemeinschaftet werden. Dem folgt auch der BGH, da es in diesen Fällen an einer Rechtsgrundlage fehlt. Das gilt auch dann, wenn die Störungen zugleich im Bereich des Gemeinschaftseigentums auftreten. Ein Wohnungseigentümer muss in keinem Fall hinnehmen, dass ihm die Befugnis entzogen wird, gegen Störungen vorzugehen, die im räumlichen Bereich seines Sondereigentums auftreten. Es gehört zu den unentziehbaren Rechten des Sondereigentümers, solche unmittelbaren Beeinträchtigungen abwehren zu können; das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich die Störungsquelle auf andere Bereiche des Hauses auswirkt. Da folglich die Beschlüsse, wonach diese Ansprüche vergemeinschaftet werden, nichtig sind, ist die Klägerin hier prozessführungsbefugt. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Entscheidung des Sachverhaltes wies der BGH die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurück.

Verwalter­strategie
Ist es Wunsch der Wohnungseigentümer, gegen ­Belästigungen o. Ä. ­vorzugehen, ist eine Vergemeinschaftung eventueller ­Unterlassungsansprüche der Sache dienlich. So kann verhindert ­werden, dass jeder einzelne Eigentümer selbst rechtlich tätig werden muss; die ­Vergemeinschaftung spart Zeit und Geld. Vorsicht ist aber dann ­geboten, wenn Sondereigentum tangiert wird: Hier können ­Ansprüche nicht ­vergemeinschaftet werden, wie dieses Urteil zeigt. Hierauf ist insbesondere bei der Beschlussvorbereitung und der Beratung der ­Wohnungseigentümer zu achten.

Foto: © JIPEN / Shutterstock.com


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.