15.10.2019 Ausgabe: 5/19

Aktuelle Urteile - Was dürfen Eigentümergemeinschaften eigentlich beschließen? Zwei BGH-Urteile zur Beschlusskompetenz.

Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung für die Einführung von Vertragsstrafen
(BGH, Urteil vom 22.3.2019, Az. V ZR 105/18)

DAS THEMA
Die Gemeinschaftsordnung eröffnet der Wohnungseigentümergemeinschaft vielfältige Regelungsmöglichkeiten, etwa die Vereinbarung eines Zustimmungserfordernisses des Verwalters bei avisierter Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen Zwecken, zur Vermietung und weiteren anderen Nutzungsarten als dem Bewohnen durch den Eigentümer. Aufgrund dieser Regelungsmöglichkeiten können zur Präzisierung Beschlüsse gefasst werden, sofern die Eigentümergemeinschaft über die notwendige Beschlusskompetenz verfügt. Vorliegend hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob Wohnungseigentümer für den Fall, dass einer der Eigentümer ein solches Zustimmungserfordernis ignoriert, eine Vertragsstrafe beschließen können.

DER FALL

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Laut Gemeinschaftsordnung ist ein Wohnungseigentümer nur mit Zustimmung des Verwalters dazu berechtigt, ein Gewerbe oder einen Beruf in der Wohnung auszuüben. Diese Zustimmung kann der Verwalter aus wichtigem Grund verweigern. Sinngemäß gilt dasselbe für die erforderliche Zustimmung zur Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung. Die Wohnungseigentümer fassten in der Eigentümerversammlung vom 5.6.2012 folgenden Beschluss:

„1. Miteigentümer, die ohne die erforderliche Zustimmung der Verwalterin einen Mietvertrag für eine Wohnung abschließen [...], sind verpflichtet, der Gemeinschaft einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 500 Euro zu zahlen. Die Zahlungspflicht erhöht sich auf mindestens 2.000 Euro und höchstens 4.000 Euro für jeden angefangenen Monat der Gebrauchsüberlassung, wenn ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorlag [...].

2. Die Verwalterin soll bei ihrer Entscheidung über eine Zustimmung grundsätzlich davon ausgehen, dass aufgrund mehrjähriger Erfahrungen in unserer Wohnungseigentumsanlage [...] ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorliegt, wenn die Nutzer voraussichtlich nur kurzzeitig (bis zu drei Monate) in der Anlage anwesend sein werden [...].“

Gestützt auf diesen Beschluss und die Behauptung, der Beklagte habe seine Wohnung in sechs Fällen kurzzeitig vermietet, ohne die Zustimmung des Verwalters einzuholen – es handelte sich um eine Kurzzeitvermietung an arabische Gäste im Rahmen des „Medizintourismus“ –, verlangte die klagende Gemeinschaft vom Beklagten die Zahlung von jeweils 2.000 Euro (insgesamt somit 12.000 Euro) nebst Zinsen.

Nachdem das AG Bonn der Klage stattgab, änderte das LG Köln das Urteil und wies die Klage ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision. Auch diese hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte das Berufungsurteil des LG Köln mit der Begründung, dass der als Grundlage für die Zahlungsklage dienende Beschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz als nichtig anzusehen ist.

Als Grundlage für die Beschlusskompetenz der Eigentümer kommt vorliegend nur § 21 Abs. 7 WEG in Betracht. Demnach können Wohnungseigentümer die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Ob diese Regelung jedoch als Grundlage für den Beschluss von Vertragsstrafen gelten kann, ist umstritten und wird auch durch den BGH nicht abschließend geklärt. Er legt seiner Argumentation die Überlegung zugrunde, dass Vertragsstrafen, die auf die Einhaltung von Vermietungsbeschränkungen bezogen sind, Verstöße gegen eine Unterlassungspflicht sanktionieren sollen: Der Wohnungseigentümer soll zuerst die Zustimmung des Verwalters einholen, bevor er seine Wohnung vermietet. Unterlässt er dies, hat er auch die Vermietung zu unterlassen. Solche Fallgestaltungen, namentlich Unterlassungspflichten, umfasst der Wortlaut des § 21 Abs. 7 WEG jedoch offensichtlich nicht. Hier geht es um die Regelung „der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs“ der Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit, also lediglich um Zahlungsverpflichtungen, nicht um Unterlassungsverpflichtungen. Im vorliegenden Fall geht es aber gerade nicht um die Regelung von Verzugsfolgen. Ein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht hat nämlich in der Regel nicht den Eintritt eines Verzugs, sondern der Unmöglichkeit zur Folge. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe im Falle einer Unterlassungspflicht gem. § 339 S. 2 BGB knüpft hier somit nicht an Verzug, sondern an eine Zuwiderhandlung an.

§ 21 Abs. 7 WEG ist ist in diesem Fall auch deshalb nicht heranzuziehen, weil über die Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann: Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe knüpft weder an die eine noch an die andere Variante an. Sie hat vielmehr Strafcharakter und soll die Wohnungseigentümer dazu anhalten, ihrer Pflicht zur Einholung der Zustimmung des Verwalters nachzukommen.

Obwohl der Unterlassungsanspruch auf diese Weise nicht durchsetzbar ist, verbleiben die übrigen Wohnungseigentümer jedoch nicht rechtlos: Sie können (vorbeugend) ihren Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend machen. Nach Titulierung kann dieser gemäß § 890 ZPO durch Ordnungsgeld und Ordnungshaft vollstreckt werden.


Verwalter­strategie

Der BGH hat vorliegend die umstrittene Frage entschieden, ob § 21 Abs. 7 WEG und insbesondere die Ermächtigung zur Regelung der Folgen des Verzugs als Grundlage dafür dienen kann, durch Mehrheitsbeschluss eine Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkungen einzuführen. Sollte die Gemeinschaftsordnung ein Zustimmungserfordernis bei Vermietung enthalten, haben Verwalter daher zu beachten, dass bei Verstoß gegen dieses Erfordernis eine Vertragsstrafe nicht nachträglich durch Beschluss der Wohnungseigentümer eingeführt werden kann.


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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
www.asd-law.com